Johannes Brantl, Hans-Georg Gradl, Mirijam Schaeidt, Werner Schüßler
Das Gebet
„die Intimität der Transzendenz“
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Druckerei: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN
978-3-429-03699-7
978-3-429-04757-3 (PDF)
978-3-429-06171-5 (ePub)
Vorwort
WERNER SCHÜSSLER
Das Gebet – zwischen Konkretheit und Unbedingtheit Gottes. Eine philosophische Annäherung
HANS-GEORG GRADL
Modell und Maßstab. Das Vaterunser als Gebetsschule
JOHANNES BRANTL
„Aufmerksamkeit in ihrer reinsten Form.“ Systematisch-theologische Überlegungen zum Gebet
MIRIJAM SCHAEIDT
„Dein Sehnen ist dein Gebet.“ Gebet als Ausdruck existentieller Sehnsucht nach dem Ewigen
Personenregister
Sachregister
Das Gebet ist der Grundakt des Glaubens schlechthin, der Gott gegenwärtig macht und ohne den dieser letztlich leer und abstrakt würde. In diesem Sinne leistet das Gebet, wie Viktor E. Frankl es einmal ausgedrückt hat, „die Intimität der Transzendenz“.
Weshalb aber sollte man das Gebet mit theoretischen Überlegungen belasten? Riskiert man damit nicht, dass die vertrauende Unmittelbarkeit verschwindet? Mit anderen Worten: Ist Reflexion über den Gebetsvollzug überhaupt förderlich für den Glauben?
Dazu ist zu sagen: Reflexion steht nicht in einem grundsätzlichen Gegensatz zur Erfahrung, Beten entbindet nicht davon, sich über das Gebet Gedanken zu machen, denn das Gebet ist immer auch in der Gefahr, magisch verstanden und damit verzerrt zu werden.
Dem vorliegenden Band geht es in diesem Sinne darum, unter einem philosophischen, einem biblischen, einem systematisch-theologischen und einem spirituellen Aspekt sich dem Gebet anzunähern.
Werner Schüßler geht in seinem Beitrag „Gebet – zwischen Konkretheit und Unbedingtheit Gottes“ den philosophischen Implikationen des Gebetsverständnisses nach, die dem Beter oft nicht bewusst sind. Was heißt es, wenn wir von einer Gebetserhörung sprechen? Dass das nicht im Sinne eines einfachen Kausalschemas zu deuten ist, liegt auf der Hand, denn dadurch würde Gott unseren Wünschen und Bitten untergeordnet werden – und dann wäre er nicht mehr Gott. Das, um was es beim Beten letztlich geht, ist eine Veränderung unseres Verhältnisses zu Gott. In diesem Sinne könnte man sagen, dass Beten immer „hilft“.
In seinem Beitrag „Modell und Maßstab. Das Vaterunser als Gebetsschule“ geht Hans-Georg Gradl den verschiedenen Formen und der Bedeutung des Gebets im Neuen Testament nach. Wie keine andere Frömmigkeitsform ist das Gebet im Leben, Wirken und beim Sterben Jesu, aber auch im Leben der ersten Jünger und der jungen Kirche präsent. Die Christen lernen aber nicht nur von Jesus das Gebet, sondern sie lernen auch, zu Jesus zu beten, und das macht einen entscheidenden Paradigmenwechsel aus. Viel von dem, was im Neuen Testament „Gebet“ heißt und meint, lässt sich am „Vaterunser“ verdeutlichen. Insgesamt wird so deutlich, dass es dem Gebet im Neuen Testament letztlich nur um eine „Funktion“ geht, nämlich um das In-Beziehung-Treten mit dem lebendigen Gott.
Johannes Brantl beschäftigt sich in seinem Beitrag „Aufmerksamkeit in ihrer reinsten Form“ mit systematisch-theologischen Überlegungen zum Gebet. Das Gebet wird zu Recht immer wieder mit dem Phänomen der Aufmerksamkeit in Verbindung gebracht. Das macht schon deutlich, dass unsere heutige Kultur das Beten erschwert, denn wir leben in einer Unkultur der Zerstreuung. Mit Simone Weil sucht Johannes Brantl deutlich zu machen, dass der Mensch gerade heute wirklich bestehen und umfassend gelingend nur leben kann, wenn er ein aufmerksam Betender bzw. ein betend Aufmerksamer wird. Beten heißt in diesem Sinne „Gott in allen Dingen finden“, das heißt, auch inmitten der Unscheinbarkeit der Alltagswelt.
In ihrem Beitrag „Dein Sehnen ist dein Gebet“ sucht die Benediktinerin Mirijam Schaeidt das Gebet „als Ausdruck existentieller Sehnsucht nach dem Ewigen“ zu deuten. Hinter aller Sehnsucht, die sich in jedem Gebet kundgibt, steht letztlich der Wunsch, geliebt zu werden und zu lieben. Dieser Wunsch findet aber seine wirkliche Erfüllung allein in der Begegnung mit dem Gott der Liebe, wie ihn das Christentum lehrt. Anhand der Psalmen und der Lectio Divina führt Sr. Mirijam in ein richtig verstandenes Beten ein, das nie als Leistung zu verstehen ist.
Der Band macht deutlich, dass es, wenn man über das Beten spricht, immer auch schon um das „Wie“ des Betens geht. Von daher führen die vorliegenden Überlegungen immer schon per se zu einem vertieften Verständnis des Gebets und damit zu einer tieferen Gebetspraxis selbst.
Trier, im Januar 2014 |
Johannes Brantl, Hans-Georg Gradl, Mirijam Schaeidt, Werner Schüßler |
WERNER SCHÜSSLER
Das Gebet – zwischen Konkretheit und Unbedingtheit Gottes
Eine philosophische Annäherung
„Man kann Gott nicht nur bloß durch den Geist sehen. Das ist immer noch ein nur erdemonstrierter Gott, mit nur formaler Realität. Gott als substantiale Realität sieht man erst durch die Liebe, die im Gebet beginnt, im Gebet sich steigert und im Gebet sich vollendet.“
Peter Wust 1
1. Hilft beten? – Eine Hinführung
„Hilft beten?“ – so lautet der Titel eines Sammelbandes, der jüngst in der Reihe „Theologie Kontrovers“ im Herder-Verlag erschienen ist und in dem fünf Theologen sich zu den „Schwierigkeiten mit dem Bittgebet“ – so der Untertitel – äußern. 2Der Titel „Hilft beten?“ ist wohl bewusst etwas provokant formuliert und spaltet sicherlich die Gemüter, denn der eine wird vielleicht aufgrund einer schrecklichen Leidsituation oder im Angesichts einer tödlichen Krankheit auf diese Frage antworten: „Jetzt habe ich so viel gebetet, und es hat doch nicht geholfen“, während ein anderer vielleicht sagen wird: „Das Beten hat geholfen.“ Votivtafeln an Wallfahrtsorten oder auch Gebetserhörungen im Zusammenhang mit Verfahren von Selig- oder Heiligsprechungen legen hierfür reichlich Zeugnis ab. Das einfach als Volksfrömmigkeit abzutun, wird diesem Phänomen sicherlich nicht gerecht, scheinen sich hier doch authentische religiöse Erfahrungen auszusprechen.
Und doch scheinen diese Antworten – auf der einen Seite ein klares Nein, auf der anderen ein klares Ja – auf den ersten Blick vielleicht doch etwas zu einfach zu sein; und damit sind wir auch schon mitten im Thema. Denn was heißt in diesem Zusammenhang überhaupt „helfen“, oder theologisch ausgedrückt: „erhören“ – im Sinne von: Hat Gott das Gebet erhört bzw. nicht erhört? Daran schließt sich sogleich die weitere Frage an: Lässt sich dieses Helfen bzw. Erhören oder dieses Nicht-Helfen bzw. Nicht-Erhören überhaupt „objektiv“ feststellen? Und wenn ja, was heißt dann in diesem Zusammenhang „objektiv“? Anders formuliert: Geht es in religiösen Dingen überhaupt um „Objektivitäten“? Damit soll nicht gemeint sein, dass religiöse Dinge rein subjektiv, d.h. letztlich eine Projektion oder Illusion wären, sondern dass diese einen ganz anderen Charakter haben wie das, was wir gewöhnlich mit dem Begriff „objektiv“ verbinden.
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