Gegenwart
36 Stunden zuvor
Gegenwart
Zeitenwende - Atris
Von Viktoria Vulpini
Buchbeschreibung:
Über den Autor:
Zeitenwende - Atris
Von Viktoria Vulpini
Katharina Krause
Markt 4
34414 Warburg
Kontakt@viktoria-vulpini.de
www.viktoria-vulpini.de
1. Auflage, 2021
© Alle Rechte vorbehalten.
Katharina Krause
Markt 4
34414 Warburg
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Gegenwart
Thea legte seufzend den Stift zur Seite und griff nach dem Wörterbuch. Periculosus war das nächste Wort in einer unendlich langen Liste an Begriffen, die sie nachschlagen musste. Schon seit Stunden brachte sie ihre Ergebnisse zu Papier und doch machte das, was dabei herauskam, einfach keinen Sinn. „Eine gefährliche“, murmelte sie und schrieb es nieder.
In diesem Moment wurde die Tür zu ihrem Badezimmer geöffnet. Thea zuckte zusammen und starrte auf den Mann, der mit einem süffisanten Grinsen nun ihr Wohnzimmer betrat.
Ihr Blick fiel auf seinen muskulösen, nackten Oberkörper. Sanft gebräunte Haut, geziert von glitzernden Wassertropfen, durchaus kein unangenehmer Anblick.
Thea schluckte, während ihr Blick wie hypnotisiert an einem Tropfen hing, der über seine Brust hinab bis zum Rand des Handtuches lief, das er nachlässig um seine Hüften gewickelt hatte.
„Dir gefällt, was du siehst“, sagte er und sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er genau wusste, welche Wirkung er auf sie hatte.
Sie riss ihren Blick von ihm los und starrte wieder auf das, was sie eben geschrieben hatte. Gefährlich war das richtige Wort für diese Situation.
„Nein“, antwortete sie nach einer viel zu langen Pause. Sie musste ruhig bleiben. Die Kontrolle behalten, wenn sie das hier unbeschadet überstehen wollte. „Es ist nur überaus unangemessen, in diesem Aufzug aus dem Bad zu kommen“, fügte sie hinzu und klang dabei nicht so gelassen, wie sie es sich gewünscht hätte.
Er lachte. Es war ein sinnliches Lachen, voller dunkler Versprechungen. Thea atmete tief ein und griff nach dem Wörterbuch, um sich daran festzuhalten.
„Du bist eine miserable Lügnerin“, sagte er mit sanfter Stimme. Er bewegte sich. Thea blickte alarmiert auf. Er hatte ein schönes, sehr maskulines Gesicht umrahmt von schwarzen, nassen, Haaren. Doch es waren seine Augen, die Thea daran erinnerten, wie gefährlich dieser Mann – diese Kreatur – war. In ihnen flackerte ein violettes Feuer und offenbarte seine wahre Natur.
Thea beobachtete, wie er sich ihr näherte. Er bewegte sich wie ein Raubtier. Das Spiel seiner Muskeln unter der nassen Haut war schon fast hypnotisierend. In ihrem Nacken begann es zu kribbeln, während er Schritt für Schritt näherkam. Dann löste sich das Handtuch und fiel fast lautlos zu Boden, doch ihn schien das nicht weiter zu kümmern.
Thea schnappte erschrocken nach Luft und sprang auf. Mit einem lauten Poltern krachte der Stuhl um, während sie rückwärts auswich.
Er lachte. Es war ein arroganter Laut, der ihr unter die Haut ging. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie griff das Buch fester, dass sie wie einen Schild zwischen sich und ihn brachte. Ihr Instinkt riet ihr, wegzulaufen, aber sie hatte nicht vergessen, was Manuela ihr geraten hatte. Sie durfte keine Furcht zeigen, denn jede Schwäche würde er gegen sie nutzen. Einfacher gesagt, als getan.
Ihre Augen fixierten sein Gesicht. Eine gerade Nase, sinnliche, volle Lippen und der Ansatz eines Bartes, der sicher leicht auf der Haut kratzte, dazu kamen strahlend weiße Zähne und rabenschwarzes Haar. Er war amüsiert und sie war sich sicher, dass er sie nicht ernst nahm. Er wusste um seine Wirkung und er spielte mit ihr.
Thea atmete tief durch und legte das Buch ab. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. Seine dunklen Augen, in denen es violett loderte, fixierten sie und machten sie nervös. „Du wirst Abstand halten!“, sagte sie und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen. „Und du wirst dir etwas anziehen.“
In seinen Augen loderten die Flammen auf und sie spürte, wie etwas in ihr sich anspannte. Es war, als würde er an ihr ziehen und vermutlich tat er auch genau das. Er war an sie gebunden, das hatte Manuela gesagt. Sie hoffte nur, dass die Ketten, die ihn hielten, ihren Dienst tun würden, bis sie herausgefunden hatte, wie sie ihn wieder loswerden konnte.
„Macht dich mein Körper nervös? Stellst du dir vor, wie es wäre, wenn du ihn berühren würdest, wenn ...?“
„Nein!“, unterbrach ihn Thea, die nicht verhindern konnte, dass seine Worte Bilder heraufbeschworen, an die sie nicht denken wollte. Er sprach einen Teil von ihr an, der auf ihn reagierte. „Ich will, dass du dir etwas anziehst“, wiederholte sie angespannt. „Und ich will, dass du Abstand hältst!“
„Das ist nicht das, was du wirklich willst“, antwortete er, während das dunkle Versprechen, ihr das auch zu beweisen, in seinen Worten mitschwang.
„Doch, das ist es“, wiederholte Thea stur. Für einen Moment loderten die Flammen einmal richtig hoch, dann wandte er sich lachend ab und hob das Handtuch wieder auf. Er warf es sich mit einer lässigen Geste über die linke Schulter und blickte noch einmal zu ihr zurück. Ein triumphierendes Lächeln erschien auf seinen Zügen, bevor er schließlich wieder im Bad verschwand.
Thea atmete auf. Ihre Handflächen waren feucht geworden und ihr Atem ging schneller, als er es sollte. Diese Kreatur brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Wieso musste es denn ausgerechnet ein scharfer Kerl sein? Ihr wäre etwas mit Hörnern und Dreizack lieber gewesen. Irgendetwas, dass eben weniger normal aussah und sie nicht vergessen ließ, dass es nicht aus ihrer Welt stammte.
Sie hatte sich kaum wieder gesetzt, als die Tür erneut aufging. Er kam zurück und diesmal trug er zumindest eine enge, schwarze Hose. Das weiße Shirt, das sie ihm besorgt hatte, warf er einfach vor sie auf den Tisch. Er selbst setzte sich.
Thea lehnte sich auf ihrem Stuhl etwas zurück und sah ihn an. Für ihren Geschmack war die andere Seite des Tisches viel zu nah, doch der gierige Blick, mit dem er sie musterte, ließ sie jede neue Anweisung direkt vergessen. Er war das Raubtier und sie seine Beute. Das war ein Gedanke, der sie nicht gerade beruhigte.
Sie erinnerte sich selbst noch einmal daran, dass Manuela ihr gesagt hatte, dass er ihr nichts tun konnte. Sie musste sich zusammenreißen. Thea schob das Shirt beiseite und wollte sich wieder an die Übersetzung machen, doch er kam ihr zuvor. In einer unglaublich geschmeidigen Bewegung hatte er sich den Zettel mit ihren Notizen und den Ursprungstext schon genommen.
Lässig lehnte er sich auf dem Stuhl zurück und begutachtete beides. Thea massierte sich die Stirn und warf ihm einen verärgerten Blick zu.
„Dein Latein lässt zu wünschen übrig“, kommentierte er, während er stirnrunzelnd ihre Aufzeichnungen mit dem Text verglich. Thea biss die Zähne zusammen und sagte nichts dazu. In diesem Moment griff er nach einem der Stifte und begann ihre Übersetzungen durchzustreichen und eigene Notizen über ihren zu machen, bevor er ihr den Zettel zurückreichte.
„Was soll das?“, fragte sie genervt und bemerkte den zufriedenen Blick, mit dem er sie musterte.
„Meine Übersetzung ist passender als deine“, sagte er.
Sie warf noch einmal einen Blick auf die merkwürdigen Striche, die er auf ihr Blatt gemalt hatte, griff sich dann einen Stift und schrieb ihre Notizen wieder auf.
„Sie sind falsch“, sagte er ruhig, aber bestimmt.
Thea hob den Blick und sah ihn an. „Und deins ist keine Übersetzung, sondern höchstens abstrakte Kunst und nun halt die Klappe.“
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