Ein leises Flüstern drang an Theas Ohr. „Hast du das gehört?“
„Ich höre nur dich, nun lies weiter“, kicherte sie. „Oder bekommst du nun auch Muffensausen?“
Eine Zeile später, hörte Thea das Flüstern erneut und auch Saskia schaute sich um. Thea beendete den Text.
„Das Blut“, flüsterte Saskia und Thea griff zu der Nadel. Sie musste zweimal in den Finger stechen, bevor ein winziger Tropfen ihres Blutes auf der Kerze landete, die noch immer mit lilafarbener Flamme brannte.
Sie vernahmen ein metallisches Klimpern, dass von der Tür kam und schwere Schritte. Beide Frauen hielten den Atem an, dann fiel eine Tür auf dem Flur ins Schloss.
„Okay, nur der Nachbar“, fasste Saskia zusammen. „Wir müssen noch die Kerzen löschen.“
Thea nickte. Es kribbelte in ihrem Nacken und sie hatte ein flaues Gefühl in ihrem Bauch. Da war der Eindruck, beobachtet zu werden, doch es war nichts zu sehen.
Sie löschten alle Kerzen, die um sie herum standen und traten aus dem Kreis aus Blumenerde heraus. Der Raum wurde nur noch von den Kerzen erleuchtet, die im Zimmer verteilt waren und deren flackerndes Licht, die Schatten nur noch tiefer erscheinen ließen.
Ein kalter Schauer lief über Theas Rücken, während sich ihr Magen zusammenkrampfte und ihre Knie sich weich anfühlten.
Sie blickte Saskia an, die schon wieder breit grinste und gerade etwas sagen wollte, als ein eisiger Wind durch den Raum fuhr und alle Kerzen verlöschen ließ.
Theas Herz setzte einen Schlag aus, bevor es wie wild zu hämmern begann. „Das ist nicht mehr lustig, Saskia!“
„Das war ich nicht“, kam aus der Dunkelheit vor ihr zurück. „Das ist mir zu doof jetzt, ich schalte das Licht an.“ Saskias Stimme war ein wenig zu hoch.
Während sich ihre Freundin auf den Weg zur Tür machte, hatte Thea den Eindruck, etwas bewege sich hinter ihr. Sie fuhr herum und starrte ins Dunkel. Dort war etwas. Ein Schatten, dunkler als der Rest des Zimmers, schien dort zu stehen.
Thea gab einen erschrockenen Laut von sich und stolperte ein paar Schritte rückwärts. Ein Fuß erwischte die Schale mit den Hühnerknochen, die laut scheppernd über den Boden rollte.
„Scheiße, Saskia, mach endlich das verdammte Licht an“, fluchte Thea, die einfach nur noch weglaufen wollte. Sie starrte den schwarzen Schatten an. Dort wo wohl die Augen sein sollten, schienen zwei kleine violette Flammen zu brennen.
„Ja, sofort“, sagte Saskia, deren Stimme nun deutlich gehetzt klang.
„Ihr wagt es, mich zu rufen?“, fragte eine leise männliche Stimme. Es war Saskia, die nun einen erschrockenen Laut von sich gab.
In diesem Augenblick ging das Licht im Raum an. Thea blinzelte, aber es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Außer Saskia war niemand im Raum zu sehen.
„Du hast das auch gehört, oder?“, fragte Saskia die kreidebleiche Thea. Wieder und wieder ließ sie den Blick durch den Raum gleiten, doch es blieb dabei, dass sie allein waren.
Thea bückte sich und griff nach dem Steakmesser, das noch immer auf dem Boden in ihrem improvisierten Kreis lag. Sie blickte Saskia kurz an und nickte. „Ist da jemand?“, fragte sie in den Raum hinein und fixierte mit den Augen die Türen zu den anderen Räumen.
Niemand antwortete. Theas Blick wanderten zu der Stelle, wo sie glaubte, den Schatten stehen gesehen zu haben. Ihr Herzschlag beschleunigte sich erneut, als sie die Abdrücke von zwei nackten großen Füßen auf dem Boden sah.
„Wir sollten vielleicht die Polizei rufen“, murmelte Thea, die sich den Fußspuren vorsichtig näherte.
„Klar, und denen erzählen wir dann was?“, fragte sie und blickte sich um.
„Hier sind die Abdrücke von Füßen“, murmelte Thea, die sich mittlerweile sicher war, dass es sich tatsächlich um solche handelte.
„Wohin gehen sie?“, fragte Saskia, die mit der Hand schon die Türklinke berührte.
„Nirgendwohin. Es sieht nur aus, als habe hier jemand gestanden, der dreckige Füße hatte.“
„Bist du dir sicher, vielleicht sind die von uns“, gab Saskia zurück, glaubte aber nicht wirklich daran.
„Nur wenn du plötzlich Schuhe mit einer Größe, keine Ahnung, jenseits der 44 tragen kannst“, gab Thea zurück.
„Doch Polizei?“, fragte Saskia nun deutlich verunsichert, während Thea langsam rückwärts auf sie zuging. „Ja, hallo, also wir haben hier ein Problem. Es könnte sein, dass ein Einbrecher im Haus ist, aber vielleicht ist der nicht so ganz normal, sie müssen wissen, wir hatten erst so ein Sedingsda und dann haben wir versucht, einen Dämon zu beschwören. Bringen sie also Geisterjäger und Exorzisten mit“, murmelte Saskia leise.
Thea musste leicht grinsen. „Klingt nicht, als würde das jemand ernst nehmen.“
„Vielleicht hat nur ein Nachbar den Fernseher zu laut gedreht. Ich sehe niemanden und zur Tür ist keiner reingekommen, das hätten wir bemerkt. Wir sind zudem im fünften Stock“, sagte Thea und versuchte, sich selbst zu beruhigen. „Ich werde jetzt einen Blick in die anderen Räume werfen zur Sicherheit ...“
Sicher war sie sich zwar nicht, aber irgendwas musste sie tun. Es war unmöglich, dass jemand Unbefugtes hier war, und sie weigerte sich, sich von etwas, das gar nicht existierte, Angst machen zu lassen.
Sie kam sich ein wenig albern vor, wie sie mit dem Steakmesser bewaffnet durch ihre eigene Wohnung schlich. Doch ihre Knie waren noch immer weich und so unlogisch diese Reaktion ihr auch erschien, sie fürchtete, was sie vielleicht finden würde.
Sie schaltete das Licht im Badezimmer ein und stieß die Tür auf. Das Bad war ein übersichtlicher Raum ohne Chancen, sich irgendwo zu verstecken, selbst die Dusche bestand vollständig aus Glas.
Beim Schlafzimmer und Gästezimmer sah die Sache etwas anders aus, doch auch hier fand sie niemanden. Eigentlich war es genau das, was sie erwartet hatte, und trotzdem blieb das ungute Gefühl im Bauch.
Saskia blickte sie neugierig an. „Aber du hast das doch auch gehört. Da war eine Männerstimme gewesen und die kam definitiv aus dem Raum hier.“
Thea nickte. „Ja, aber es ist niemand hier.“
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Thea ließ vor Schreck fast das Messer fallen und Saskia war von der Tür weggesprungen. Kurz blickten die beiden Frauen sich an, dann wiederholte es sich.
Saskia richtete sich auf und ging zur Tür. Einen Moment zögerte sie, doch dann riss sie die Tür regelrecht auf.
Manuela, die vor der Tür stand, fuhr zusammen. Dann trat sie ein und ließ ihre Augen durch den Raum wandern. „Alles okay? Ich konnte nicht einfach so nach Hause gehen.“
Thea blickte Saskia an, die sofort nickte. „Ja klar, alles wunderbar.“ Sie versuchte, ihre lässige Art wieder aufzusetzen, doch so ganz gelang ihr das nicht.
Manuela schnupperte. „Hier riecht es nach ... Feuer, Wald irgendwie männlich herb, hattet ihr Besuch?“
Saskia und Thea blickten sich an und sogen prüfend die Luft ein. Thea bemerkte diesen merkwürdigen Geruch als erste. Es war nicht unangenehm, aber ihr vollkommen unbekannt.
Saskia musterte sie misstrauisch. „Das warst du, oder?“ Sie klang verstimmt und verärgert.
Manuela schaute sie verständnislos an. „Was war ich?“
Saskia ging auf sie zu. „Na, das alles, dieser ganze faule Zauber. Die Kerzen, die Stimme. Echt, das ist voll uncool.“
Thea hatte den Eindruck, dass Manuela nicht wusste, wovon Saskia sprach.
„Verdammt, ich habe nichts gemacht, ihr habt vielleicht einfach nur Pech gehabt und der Mist hat funktioniert“, gab Manuela angespannt zurück.
In diesem Moment erloschen die Lichter im Raum wieder. Thea versteifte sich, als sie etwas hinter sich spürte. Warmer Atem streifte ihr Ohr. Sie fuhr herum, doch da war nur Dunkelheit.
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