1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 Frisch geduscht kehre ich in mein Zimmer zurück. Unterdessen wurde mein Mittagessen serviert. Ein gewisser Hunger überkommt mich, aber als ich mich an den Tisch setzte, der sich am Fenster befindet, auf dem das Tablett steht, verfliegt mein Hungergefühl wie von Geisterhand. Ich starre auf das köstliche Essen. Nur kann ich mich nicht dazu durchringen, etwas davon in meinen Mund zu schieben.
„Wie lange sitzt du schon da und starrst dein fünf Gang Menü an, ohne einen Bissen davon genommen zu haben?“
Verwirrt und nicht in der Lage etwas zu erwähnen, blicke ich auf die offene Zimmertür, in der ich Pam erkenne, die schwerbeladen dasteht.
In der einen Hand hält sie meine Laptoptasche und in der Anderen einen kleinen Koffer.
„Hai Süsse. Wie gehts dir heute?“ stellt die Taschen neben meinen Beistelltisch und setzt sich gegenüber von mir hin.
„Mein Kopf brummt nicht mehr so arg, wie gestern.“
„Immerhin.“ und Pam lächelt mich zuversichtlich an. „Und sonst?“
„Ich wäre gerne woanders.“
„Wenn man bedenkt, wie es dir noch vor ein paar Tagen erging, können wir uns glücklich schätzen, dass du nun schon so munter am Tisch sitzen kannst.“
„Na ja.“ und zucke mit meinen Schultern.
„Ich habe dir deine gewünschten Sachen mitgebracht.“
„Echt lieb von dir, dass du mir extra die Sachen vorbeibringst.“
„Keine Ursache und ausserdem wäre ich sowieso nochmals vorbeigekommen. Hast du noch grosse Schmerzen?“
„Ich fühle mich so, als wäre ich von einem Lastwagen überrollt worden. Das Gehen ist zwar noch ziemlich erschöpfend, trotzdem war ich schon unten im Café.“
Plötzlich überkommt mich wieder die Trauer über mein verlorenes Baby und ich habe keine Chance die Tränen zurückzuhalten. Ich versuche meinen Blick noch rechtzeitig von Pam abzuwenden. Jedoch vergebens.
„Zoe?“ Ich spüre ihre Hand an meiner Wange und mit einem leichten Druck bringt sie mich dazu meinen Kopf in ihre Richtung zu drehen. „Was ist los? Warum weinst du? Deine Verletzungen verschwinden mit der Zeit wieder.“
Ich erhebe mich und krieche in mein Bett. Während ich mich ins Kissen zurückfallen lasse, schliesse ich meine Augen. Eine Zeit lang sagt niemand von uns etwas, bis Pam das Schweigen durchbricht.
„Zoe? Was verheimlichst du mir?“
„Ich war schwanger.“ platzt es aus mir heraus.
„Wie?“
„Ja, du hast mich richtig verstanden, obwohl ich es selbst nicht wirklich glauben kann.“
„Von Noah?“
„Natürlich. Von wem denn sonst?“
„Sorry, Süsse. Ich dachte nur...“
„Was dachtest du? Nur weil Noah und ich uns zankten, hätte ich ihn betrogen?“ meine Stimme hört sich ganz schrill an.
Pam legt ihre Hand behutsam auf meinen Arm. „Nein. So war das nicht gemeint. Ich dachte nur, ihr hättet schon länger nicht mehr miteinander geschlafen.“
„Das haben wir auch nicht. Ich war in der achten Woche.“
„Oh.“
„Genau. Oh.“
„Es tut mir wirklich leid.“
Durch meinen Tränenschleier erkenne ich, dass sogar meine Freundin wegen mir feuchte Augen hat. „Wahrscheinlich muss es so sein. Ich war noch nicht bereit für ein Kind.“
„Du bist noch jung und kannst noch ganz viele süsse Zoes bekommen.“
„Wenn es bloss so wäre.“
Die stumm gestellte Frage steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihre Stirn zieht sich in Falten, als sie mich fragend anstarrt. „Ich weiss nicht, ob ich es nicht verstehen kann oder nicht verstehen will.“
„Der Arzt meinte, dass ich mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Kinder mehr bekommen kann. Ich habe mein Kind verloren, als ich die Treppe hinuntergestürzt bin und mir dabei anscheinend schwere Verletzungen zugezogen.“ Meine Stimme erstickt fast, als ich an den angeblichen Unfall denke. Mich überkommt abermals eine gewisse Beklemmung, die mich in einen Zustand versetzt, der mir gar nicht behagt.
„Hey Zoe.“ Pam hält mit einem leichten Druck meine Hand.
Als ich ihr in die Augen schaue, erkenne ich, dass sie nur mit grosser Mühe ihre Tränen zurück halten kann.
Mit sorgfältig gewählten Worten fährt sie fort. „Es tut mir wirklich schrecklich leid, dass ich so spät gekommen bin.“
„Mach dir keine Sorgen. Ich gehe nirgendwohin. Fast den lieben, langen Tag befinde ich mich in diesem Zimmer. Also kannst du kommen, wann immer du willst.“
„Ich meine nicht heute.“
Verwirrt betrachte ich sie. „Aber...“
„Wenn ich letzten Freitag zur verabredeten Zeit bei dir gewesen wäre, wäre das alles gar nicht passiert.“ Pam lässt den Kopf sinken und starrt auf ihre Knie. „ Es tut mir leid Zoe. Alles ist nur meine Schuld.“ Sie kämpft hoffnungslos gegen ihre Tränen an. „Ich habe ein so schlechtes Gewissen. Nur weil ich mich nicht von Ayden lösen konnte, musstest du diesen schweren Sturz erleben.“
„Was redest du bloss für einen Unsinn.“ Noch immer starrt meine beste Freundin auf den Boden. „Pam, bitte sieh mich an.“
Wo soll ich nur anfangen? Ich habe bis jetzt mit niemandem darüber geredet. Irgendwie hege ich immer noch eine gewisse Hoffnung, dass es nicht wahr ist, was ich erlebt habe und mich überkommt eine gewisse Angst, dass wenn ich darüber rede, dass es tatsächlich geschah. Ich spüre wie der Blick von meiner Freundin an mir heftet.
„Du kannst überhaupt nichts dafür. Wag es ja nicht, dir so etwas einzureden.“ Ich mache eine lange Pause, bevor ich weiter reden kann, hole ich einige Male tief Luft. „Ich kann mich wieder an den angeblichen Unfall erinnern.“
„Wie... wie... ich verstehe nicht ganz. Du kannst dich an den angeblichen Unfall erinnern? Was willst du damit sagen?“
„Ich bin heute Morgen alle Nachrichten auf meinem iPhone durchgegangen, die ich noch nicht gelesen habe. Deine letzte SMS half mir auf wundersame Weise auf die Sprünge. Es überfielen mich plötzlich vergessen geglaubte Erinnerungen.“ Einen kurzen Blick auf meine Freundin, die völlig ahnungslos dasitzt, gibt mir zu verstehen, dass ich sie endlich aufklären soll. „Ich bin nicht die Treppe hinunter gestürzt. Ich bin auch nicht gefallen.“ Meine Stimme ist nur noch ein leises Flüstern. Es benötigt all meine Kraft das Nächste über meine Lippen zu bringen. „Um kurz nach sechs Uhr klingelte es an der Tür. Ich dachte du wärst es. Aber du warst es nicht. Sondern...“
„Noah.“ kommt mir Pam zuvor.
„Ja genau.“
„Was hat dir dieses Schwein angetan?“
„Er sah mich in meinem schwarzen Lieblingssommerkleid und ist total ausgerastet. Ich habe ihn gefragt, was er hier wolle. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt schon von ihm getrennt, aber er dachte immer noch, ich wäre sein Eigentum. Er wollte nicht wahrhaben, dass wir keine gemeinsame Zukunft haben werden.“ Mit einem Schlag kann ich mich deutlich an unseren Streit erinnern. Ich sehe, wie er auf mich zukommt und mich fest an den Armen packt und schüttelt, als wäre ich eine blöde Puppe. Er schreit mich mit einer Stimme an, die mir richtig Angst einjagt.
„Mit welchem Kerl bist du verabredet? Kaum denkst du, du hättest mich los, fickst du schon einen Anderen!“
„Noah, bitte hör auf. Du tust mir weh.“
„Ich tu dir weh? Das ich nicht lache. Du weisst doch gar nicht, was es bedeutet Kummer zu haben. Für wen hast du dich so aufgegeilt? Du Schlampe! Sag schon!“
„Ich bin mit Pam verabredet. Und ausserdem geht dich das nichts mehr an. Ich will, dass du jetzt sofort aus meiner Wohnung verschwindest und dich nie mehr blicken lässt. Lass mich in Ruhe!“
Ich kann nichts gegen die aufkommenden Tränen unternehmen, die sich in meinen Augen bilden, als sich die schreckliche Szene vergegenwärtigt.
Noah steht vor mir und hebt drohend seine Faust. „Sag schon, wen triffst du?“
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