„Irgendwann wirst du es mir erzählen.“ und streicht über meine Wange.
Überrascht über seine knappe Bemerkung, wie über seine Berührung sehe ich ihn befangen an. Hat er meine Notlüge etwa schon durchschaut?
Seine Hand liegt immer noch an meiner Wange und ich mache keine Anstalten, irgendwas daran zu ändern. Es fühlt sich so an, als würden wir uns schon lange kennen und seine Berührung ganz normal ist. Alexander reicht mir ein Taschentuch, um die letzten Tränenspuren von meinem Gesicht zu wischen.
„Zum Glück habe ich mich nicht so geschminkt, wie ich es normalerweise tue. Sonst wären meine Augen vom Mascara total verschmiert.“
„Du brauchst gar keine Schminke. Du bist wunderschön und besitzt eine warmherzige Natürlichkeit, die einen unverschämt anstrahlt.“
Mir bleibt der Mund offen stehen. Hat er das jetzt wirklich gesagt oder habe ich mir das nur eingebildet?
Ich möchte nicht, dass er das sagt. Ich bin nicht bereit, so was zu hören. Unwohl von diesem Kompliment, versuche ich mich von der Bank zu erheben, doch er hält mich sogleich zurück.
„Tut mir Leid. Es ist mir einfach so herausgerutscht. Es sollte ein Kompliment sein. Ich wollte dich auf keinen Fall bedrängen oder in Verlegenheit bringen. Ich habe nur das gesagt, was ich schon seit dem ersten Moment an denke.“ Seine Hand umschliesst immer noch meinen Arm, als ich mich wieder neben ihn setzte.
„Es ist schmeichelhaft, so etwas zu hören. Aber ich bin nicht bereit dazu, solche Komplimente zu hören. Noch nicht.“
„Ich werde es versuchen.“ und sieht mich mit seinem verführerischen Lächeln an.
Wir sassen noch lange auf der Bank und unterhielten uns über Gott und die Welt. Es war ein angenehmer Nachmittag, wie ich es seit längerer Zeit nicht mehr erlebt habe. Wir verstanden uns einfach wunderbar. Er brachte mich, mit seinen heiteren Spässen und seiner aufgeweckten Art sogar zum Lachen.
Ich erzählte ihm fast alles, was er wissen wollte, sogar dass ich mich erst kürzlich von meinem langjährigen Freund getrennt habe. Aber die Wahrheit über meinen “Unfall“ verschwieg ich ihm.
Jetzt, wo ich die letzten Stunden Revue passieren lasse, stelle ich fest, dass ich fast gar nichts von ihm erfahren habe. Er hat eine jüngere Schwester, die wie seine Eltern in der Ostschweiz wohnen. Offenbar sieht er seine Familie viel zu selten, da ihn sein Beruf ziemlich in Beschlag nimmt, was auch immer seine Arbeit sein mag. Er verriet mir nur so viel, dass er irgendwas mit Autos macht.
Wir schreiten Richtung Krankenhaus zurück. In dem Augenblick, in dem wir uns erheben, stehen die Leute auf der Nachbarbank gleichfalls auf. Nach einem genauen Blick erkenne ich die Männer, die Alexander schon an den vorigen Male begleiteten, an denen ich auf ihn traf. Mir wird es ein wenig unwohl in meiner Haut und spreche Alexander auf seine Begleiter an.
„Das sind meine Bodyguards.“
„Deine Bodyguards? Warum...?“ Ich verstehe nicht, warum er Leibwächter braucht und offenbar will er mich auch nicht aufklären.
„Das verrate ich dir zu einem späteren Zeitpunkt.“ Ein verschmitztes Grinsen erscheint auf seinem Gesicht.
„Das ist nicht fair. Ich habe dir alles erzählt, was du wissen willst. Aber du.. Was verheimlichst du mir?“
„Auch du verheimlichst mir irgendwas. Und was es ist, werde ich irgendwann erfahren. So wie du irgendwann mein Geheimnis erfährst.“
„Du bist einfach unglaublich.“
„Nein du.“
Plötzlich stehen wir vor meiner Zimmertür. Ich möchte mich noch nicht von ihm verabschieden, aber ich bin vom langen sitzen ziemlich erschöpft und mir tun die Seiten weh, an denen meine gebrochene Rippen pochen. Noch bevor ich mich der Tür zuwenden kann, umschliesst er mit dem Daumen und Zeigefinger mein Kinn.
Er sieht mir tief in die Augen, bevor er sich meinem Gesicht nähert. „Ich wollte mich beherrschen, aber ich schaffe es einfach nicht.“ flüstert er dicht vor mir und seine Lippen streichen sanft über meinen Mund. Der Kuss ist viel zu kurz, aber intensiver als jeder vorherige Kuss, den ich bis jetzt erlebt habe.
Als er sich langsam von mir löst, kann ich die eine Frage, die sich in mir aufdrängt einfach nicht mehr ignorieren, vor deren Antwort ich mich schon eine ganze Weile fürchte. „Was ist mit der Frau, die du jeden Tag in diesem Spital besuchst?“
„Sie ist meine Managerin.“
„Wofür?“
Einer der Bodyguards kommt auf uns zu und bleibt dicht vor Alexander stehen. Beide haben eine beachtliche Grösse und sehen äusserst kräftig aus. Ihre Oberteile drohen an ihren Bizeps zu bersten. Ich frage mich, wie sie in ihre Kleider kommen, ohne dass diese zerreissen.
„Herr Drenk , entschuldigen Sie bitte die Störung, aber wir müssen gehen.“
Ich kann den kahlgeschorenen Mann, mit einem Headset an seinem linken Ohr, kaum verstehen. Warum hat er seine Stimme gesenkt. Was sollte ich oder sonst wer nicht hören?
Alexander reisst mich aus meinen Überlegungen. „Sorry Zoe. Aber ich muss gehen. Sehen wir uns morgen wieder?“
„Vielleicht treffen wir uns ja im Café wieder.“
Alexander nimmt meine freie Hand und hält sie fest. Dabei schaut er mich lange an. „Das hoffe ich sehr. Gute Genesung Zoe und gute Nacht.“ Er kehrt sich zu seinen Leibwächtern um und geht mit Ihnen davon. Bevor er um die Ecke verschwindet, schenkt er mir nochmals eines seiner bezaubernden Lächeln. Wie versteinert bleibe ich vor meiner Zimmertür stehen und lausche ihren schnellen Schritten, die auf dem Linoleumboden quietschen, bis sie verklingen.
Etwas gekränkt darüber, dass er sich so schnell von mir verabschiedet hat, gehe ich in mein verlassenes Zimmer und lege mich aufs Bett. Bei den Erinnerungen an an den kurzen Kuss, wird mir ganz warm ums Herz. Dabei streiche ich über meine Lippen, die, wie ich glaube, immer noch nach ihm schmecken. Sofort wünsche ich mir, dass ich ihn bald wieder sehen werde.
Wenn mich nicht alles täuscht, ist heute Donnerstag. Ich strecke mich in meinem Bett alle Glieder von mir und fühle mich erstaunlich erholt und entspannt. Obwohl ich mich nicht in meinen eigenen vier Wänden befinde, habe ich letzte Nacht ziemlich gut geschlafen. Das kann ich von den vorherigen Nächten nicht gerade behaupten. Liegt es vielleicht an dem dunkelblonden Alexander? Schon nur bei den Gedanken an ihn, macht mein Herz einige Hüpfer. Ungeachtet der Tatsache, dass ich mir geschworen habe, keinen Mann mehr nahe an mich ran zu lassen und mich keinem mehr zu öffnen, kann ich nichts gegen meine Zuneigung für Alexander unternehmen.
Aber was sollte ich wiederum gegen einen Flirt haben? In Alexanders Anwesenheit kann ich vor meinen tiefen Verletzungen flüchten. Also gibt es doch nichts besseres, als die paar gemeinsamen Stunden zu geniessen. Wenn ich aus dem Krankenhaus entlassen bin, trennen sich sowieso unsere Wege.
Hoffentlich ist Dr. Stevens immer noch der Ansicht, dass ich morgen nach Hause kann. Ich kann es kaum erwarten, von diesem Ort wegzukommen.
„Guten Morgen Frau Berner. Wie ich sehe, geht es Ihnen schon etwas besser.“ Frau Dr. Christensen reisst mich völlig unerwartet aus meinen Gedanken an gestern Nachmittag. Verdutzt sehe ich sie an.
„Es ist schön, Sie lächeln zu sehen.“ erwidert sie, sobald sie an meinem Bett steht.
„Guten Morgen Frau Dr. Christensen.“
„Haben Sie gut geschlafen?“
„Ja. Zum ersten Mal seit ich hier bin.“
„Und wie fühlen Sie sich?“
„Ziemlich gut.“ für den Moment jedenfalls, füge ich stumm dazu.
„Das freut mich. Wollen wir gleich beginnen?“ Sie nimmt ihren Laptop zur Hand. „Setzen wir uns doch an den Tisch.“ Mühsam stehe ich auf, um mich gleich darauf auf einen Stuhl zu setzten. Ich sehe die vielen Blumensträusse an, die immer noch unverrückt an ihrem alten Platz stehen. Die einen lassen schon die Köpfe hängen. Was mir nur recht ist, denn die von Noah hätte ich schon längst in den Eimer werfen sollen. Ich setzte mich links von der Ärztin hin. Sie öffnet ihren Laptop und startet ihn.
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