Mayr wechselt das Gewerbe
Der gute alte Mayr aus Weilheim kam auch in das Alter. Das Durchforsten der Gegend, um noch brauchbare Gegenstände zu finden, die er verkaufen konnte, war immer mühsamer, zumal seine Wampe immer runder und das Bücken immer beschwerlicher wurde. Ausserdem hatte er schon alles gründlich durchsucht und fand nichts mehr.
Eines Tages lernte er auf der Süd-Westseite des Peißenberg einen jungen pfiffigen Bauern kennen, der aus der anfallenden Kuhscheiße zusammen mit anderem Biomaterial tatsächlich Biogas erzeugen konnte. Andy hatte soviel Gas, dass er gar nicht wusste wohin damit. Sein Bauernhof lag auf der Seite des Berges, die München abgewandt war, so dass die atomare Zerstörung sich in Grenzen hielt, so im Schatten des Berges geschützt vor Strahlung. Die Biogasanlage war noch aus der Zeit vor der Katastrophe und konnte danach schnell repariert werden.
In München dagegen tauchte plötzlich fast gleichzeitig ein weitgereister, dunkelhäutiger, afrikanischer Händler auf, der gasdichte Gummiblasen mit Ventilen anbot: Importware aus Afrika! Afrika war das paradiesische Elysium, da dort keine Atombomben niedergegangen waren. Alle technologischen Sprünge kommen jetzt daher. Viele Menschen nahmen die sogenannte Südroute, den Weg zum Mittelmeer, um in das gelobte Land auszuwandern. Was vor Jahrzehnten noch umgekehrt ging, lief jetzt spiegelverkehrt ab.
Der Rohstoff Kautschuk für die Gummi-Produktion wuchs ja direkt im Land und konnte dort vor Ort verarbeitet werden. Allerdings gab es einen unbekannten technologischen Kniff, dass die kleinen Methan-Moleküle des Biogases nicht durch die Wand der Blase entweichen konnten.
Mayr erkannte seine Chance und nach einigen 'Hellen' mit dem Fremden, kaufte er ihm alles ab, was dieser an Waren hatte und bestellte noch einmal die doppelte Menge bei ihm. Er hatte ausreichend Kompensationseinheiten, mit denen der Schwarze zufrieden war.
Mayr fuhr mit seiner Ware direkt zum Peißenberg zu seinem Freund Andy aus Kenia, der Weltmeister in der Improvisation bei allen technischen Fragestellungen war. Nairobi war danach neben Kapstadt das ‚Silicon Valley‘ der Welt.
Der Afrikaner und der Bayer! Welch ein Paar, das nur durch die Katastrophe zusammen kommen konnte. Die beiden bastelten etwas herum und waren schnell in der Lage, die Gummiblasen mit Biogas zu füllen.
Der Einsatz war universell: Mayr baute seinen guten alten Holzvergaser um und fuhr jetzt mit Biogas aus drei Gummiblasen. Pfiffig wie der Alte war, hat er seinen Holzvergaserofen in seinem Hof aufgestellt und wenn Ebbe war, konnte er das selbst erzeugte Holzgas in die Behälter füllen.
Er hatte in seinem Lager noch sehr viele alte Gasbrenner, die er bisher nicht los bekam. Jetzt war das anders: Zusammen mit den Biogasblasen waren die Gaskocher sein neuester Renner!
So kam es, dass Mayr vom Gebrauchtwaren- oder Gerümpel-Händler zum Biogas-Lieferant wurde! Aus dem sporadischen Projektgeschäft wurde jetzt ein stetiger Lieferservice. Ein sprudelnde Geld-Quelle!
Auch Anitra in Murnau hatte von ihm einen Gasherd gekauft, mit dem sie ihren Espresso mit der Macchinetta kochen konnte. Mayr belieferte die junge Frau gerne. Er strahlte, wenn er sie sah. Hatte er, der alte Grandler, sich gar in sie verguckt? Er wurde sogar seinen kaufmännischen Grundsätzen untreu und ließ ihr die eine oder andere Gaslieferung ohne Bezahlung in ihrer Küche stehen. Wassy gab im dann ab und zu ein kleines Bild mit, das er gemalt hatte. Mayr hatte von Kunst keine Ahnung und stellte die Werke zu Hause in die hinterste Ecke seiner Scheune.
Lakencourt wieder on Tour
Der Warlord hatte von den lukrativen Geschäften mit Biogas in Gummiblasen gehört!
„Wo gibt es so was! Da macht einer Geschäfte ohne mich!“, brüllte er in seiner Zentrale an der Isar. „Ist der 'Leo' startklar?“ rief er seinen Leuten zu.
Er bekam keine Antwort, was sehr schlecht war! Er trat auf seinen Adjutant zu und schaute ihn scharf an. Dann ergriff er dessen Hand und drückte die Finger nach hinten. Sein Gegenüber ging in die Knie . 'My Lord' schmetterte die schmerzende Hand zu Boden und trat mit seinen eisenbeschlagenen Springerstiefel auf seine Finger. Das war eine Bewegungsabfolge, die nur er so perfekt beherrschte. Noch hatte er nicht sein ganzes Gewicht auf die Hand seines Gegners gestellt, der sich räusperte, um eine Bemerkung zu machen: „De-e-e-r Mo-o-o-t-o-o-o-r wird gewa-a-a-rtet!“
„Warum macht ihr das nicht Nachts?“
„Zu we-e-en-i-i-g Li-i-i-cht!“
Jetzt trat er voll auf die Finger und der Adjutant jaulte auf. Lakencourt machte keine Anstalten, ihn frei zu lassen. Er schien es zu genießen, seinem Gegenüber Schmerzen zu bereiten und grinste diabolisch.
„Beeilt euch, ihr faules Pack!“ brüllte der Boss: „Ich will in 10 Minuten abfahren.“ Er schaute auf seine goldene Breitling und stampfte noch einmal auf die Hand unter seinen Stiefeln. Da war inzwischen alles rot von Blut. Der Besitzer der Hand wimmerte nur noch. Danach drückte er seine brennende Zigarette auf dem Handrücken aus. Die Glut zischte auf der Haut.
Er ging ins Haus und lies sich von seinem Butler einen Whiskey servieren. Alle wussten, wenn er wütend war und dann auch noch trank, war alles zu spät.
Auf die Sekunde genau nach 10 Minuten stand der 'Leo' ab fahrbereit. Die Schornsteine der Holzvergaser stießen schwarze Rauchschwaden aus. Lakencourt schwang sich auf seinen Thron und befahl: „Nach Weilheim, italienisches Viertel!“ Die Menschen, die dort wohnten, taten der Panzer-Besatzung schon jetzt leid.
Dieser fuhr Richtung Westen. Dort trafen sie die alte A95, die lediglich eine Schneise durch den Wald darstellte. Der Asphalt war verbrannt. Dem 'Leo' machte es nichts aus, auf dem darunterliegenden Schotter zu fahren. Im Gegenteil es war wenig holprig als Querfeld ein. Bei St. Heinrich trafen sie auf den See und fuhren um das Südufer.
Zuvor im Café 'Hirn' lies er halten und trank eine Halbe, natürlich aufs Haus! Dort war er der anerkannte 'King of Upperbavaria' und alle zollten ihm demütig Tribut, wie ehemals dem Kini, nachdem er ihnen brutal auf die Hand getreten war. Manchmal musste er auch die zweite Hand foltern, selten aber andere Extremitäten. Das Café schloss im Jahre 2004, erstand allerdings kurz vor der Katastrophe wieder neu. Irgendeiner erinnerte sich an den alten, interessanten Namen für eine Traditions-Wirtschaft nahe am See.
Aus den Gesichtern der alten Seeshaupter war zu lesen: Wohin fährt er? Wer ist jetzt auf seiner Liste und wird von ihm beehrt? Geht er Richtung Penzberg oder Weilheim? Kann man noch jemand warnen? Nachdem dritten Glas Bier schwang der 'Lord' sich wieder auf seinen Sitz, der Leo brüllte auf und fuhr los. Mitten über den ehemaligen Sportplatz. Den übrig gebliebenen Pfosten eines Fußballtores mähte er mühelos um.
Dann überquerten sie die Schienen der Bahn, die einmal nach Kochel gefahren war.
Alle sahen es. Es ging über die alte kaputte Staatsstraße in Richtung Magnetsried. Das Vorwarnsystem des Widerstandes setzte sich in Bewegung und versuchte alle in diesem Areal wohnende Menschen zu warnen.
An einem Apfelbaum, der sehr geschützt in einer kleinen Senke stand. Vielleicht waren es sogar ein Gewürzluiken, die normaler weise nur in Württemberg und Baden vor Urzeiten angepflanzt und gezüchtet worden waren. Am Stamm dieses Baumes hing eine Art Plakat mit der Aufschrift:
Darunter war eine entsprechende Karikatur mit einem Steckbrief-Gesicht, das zweifelsohne gut erkennbar war. Darüber hinaus sah man ein Panzer mit einem angeschweißten Thron. Es war ein Holzschnitt und künstlerisch durch aus als hochwertig zu bezeichnen. Die Angst vor dem Ungeheuer wurde durch eine dunkle Wolke und die Gegenwehr durch eine sehr dünne weiße Rauchfahne angedeutet. In der linken oberen Ecke sah man eine sehr kleine Signatur 'Wassy'. Dummerweise war sie lesbar. Wie unvorsichtig von dem Künstler!
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