Schweigen fällt der zehnjährigen Mona nicht schwer, denn in der Schule hat sie keine Freunde. Ihren Vater kennt sie nicht, und ihre Mama ist Ärztin und oft nicht zu Hause. Doch zum Glück gibt es da noch eine andere Welt – die Rote Burg, zu der nur sie Zutritt hat.
Als Mona einen verletzten Vogel findet, ist es ihr Mitschüler Julius, der ihr hilft, ihn zu pflegen. Er macht ihr bewusst, wie wichtig es ist, Freunde zu haben – bis es zu einer Situation kommt, in der Mona sich zwischen den beiden Welten entscheiden muss …
Sarah Knausenberger ist ein beeindruckendes Debüt über ein Mädchen gelungen, das es schafft, den Weg aus einer unfreiwilligen Isolation heraus zu finden. Ulrike Möltgens wunderbare Illustrationen bereichern das Buch um eine faszinierende träumerisch-magische Note .
Sarah Knausenberger
Mit Bildern von Ulrike Möltgen
Für meine liebsten Kinder –
Sarah Knausenberger
Prolog Prolog Ich bin die Blaue Ritterin. Aber das ist mein Geheimnis. In der Schule nennen sie mich Mona. Meine Haare trage ich immer offen und nach vorne, weit ins Gesicht gekämmt. So kann ich die anderen unbemerkt beobachten. Die Haare sind mein Helm. Unter ihm bin ich unsichtbar, und das ist gut so, denn dann lässt man mich in Ruhe. Und ich brauche Ruhe. Ich will gar nicht eingeladen werden zu Partys oder Geburtstagsfesten. Einmal, als ich den Helm noch nicht hatte, sagte Herr Holtigbaum: »Und jetzt eine ganz einfache Frage. Mona!« Alle Augen waren auf mich gerichtet. »Was ist die Hauptstadt von England?« London! , dachte ich, bekam aber keinen Ton heraus. »Na?« Ich spürte, wie ich rot wurde und zupfte an meinen Haaren herum, bis Herr Holtigbaum seufzte und Emily drannahm, die immer mit den Fingern schnipst. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Herr Holtigbaum mich ansprechen würde. Niemand tat das. Die anderen Lehrer hatten sich an mein Schweigen gewöhnt, und von den Schülern war Julius der Einzige, der ab und zu noch etwas zu mir sagte: »Du stinkst«, sagte er oft, und seine Kumpel röhrten vor Lachen. Seitdem kämpfe ich jeden Morgen mit dem schreienden, alten Föhn meiner Mutter. Ich föhne mir die Haare ins Gesicht. Es scheint zu funktionieren. Der Holtigbaum hat mich jetzt seit Wochen nicht mehr angesprochen, und selbst Julius reißt keine Du-stinkst-Witze mehr. Es gibt Tage, zum Beispiel wenn Mama lange arbeitet, da wechsle ich von morgens bis abends kein Wort mit einem Menschen. Das ist die Bedingung. Wenn ich das schaffe, lässt man abends auf der Roten Burg die Zugbrücke für mich herab.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Epilog
Über den Autor
Ich bin die Blaue Ritterin. Aber das ist mein Geheimnis. In der Schule nennen sie mich Mona. Meine Haare trage ich immer offen und nach vorne, weit ins Gesicht gekämmt. So kann ich die anderen unbemerkt beobachten. Die Haare sind mein Helm. Unter ihm bin ich unsichtbar, und das ist gut so, denn dann lässt man mich in Ruhe. Und ich brauche Ruhe. Ich will gar nicht eingeladen werden zu Partys oder Geburtstagsfesten.
Einmal, als ich den Helm noch nicht hatte, sagte Herr Holtigbaum: »Und jetzt eine ganz einfache Frage. Mona!«
Alle Augen waren auf mich gerichtet.
»Was ist die Hauptstadt von England?«
London! , dachte ich, bekam aber keinen Ton heraus.
»Na?«
Ich spürte, wie ich rot wurde und zupfte an meinen Haaren herum, bis Herr Holtigbaum seufzte und Emily drannahm, die immer mit den Fingern schnipst.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Herr Holtigbaum mich ansprechen würde. Niemand tat das. Die anderen Lehrer hatten sich an mein Schweigen gewöhnt, und von den Schülern war Julius der Einzige, der ab und zu noch etwas zu mir sagte: »Du stinkst«, sagte er oft, und seine Kumpel röhrten vor Lachen. Seitdem kämpfe ich jeden Morgen mit dem schreienden, alten Föhn meiner Mutter. Ich föhne mir die Haare ins Gesicht. Es scheint zu funktionieren. Der Holtigbaum hat mich jetzt seit Wochen nicht mehr angesprochen, und selbst Julius reißt keine Du-stinkst-Witze mehr.
Es gibt Tage, zum Beispiel wenn Mama lange arbeitet, da wechsle ich von morgens bis abends kein Wort mit einem Menschen. Das ist die Bedingung. Wenn ich das schaffe, lässt man abends auf der Roten Burg die Zugbrücke für mich herab.
Ich stehe vor unserem Haus, zähle Autos und warte auf Mama. Heute werden wir zusammen abendessen. Das hat sie mir versprochen. Sonnenstrahlen kitzeln meine Nase. Unsere Straße heißt Pfeifferstraße und ist eigentlich ganz schön, finde ich. In den Lindenbäumen summt und brummt es im Sommer, und manchmal finde ich darunter tote Hummeln. Die sammle ich dann auf und begrabe sie in dem kleinen Garten hinter unserem Haus. Herr Schilling aus der Wohnung über uns steht oft auf dem Balkon und schimpft darüber, dass unser Garten so heruntergekommen ist. Die Hortensien müssten geschnitten und das Gras gemäht werden, findet er. Und Frau Schilling sagt dann: »Na, wenn’s nur der Garten wär. Aber das Kind! Wenn sie mal nur das Kind nicht so viel allein lassen würde!«
Ich glaube, sie reden absichtlich so laut, damit wir es hören. Dabei geht die das doch gar nichts an. Mama arbeitet im Krankenhaus. Sie ist Kinderärztin. Na ja, noch keine fertige. Sie sagt immer, wenn sie mal fertige Ärztin ist, dann wird alles besser mit den Arbeitszeiten. Und wie schön es wäre, wenn es jemanden aus der Familie gäbe, der ab und zu nach mir schauen könnte. Aber das ist nicht der Fall. Also kümmere ich mich selbst um mich. Und sie kümmert sich um die Patienten.
Da!
Mamas rotes Auto saust die Straße herauf und parkt genau vor mir an der Bordsteinkante. Mama steigt aus, ihr Pferdeschwanz flattert, sie lacht.
»Mona! Schatz!«
Ihre Arme auf meinem Rücken. Ihr Geruch.
»Mama!«
»Puh, was für ein Tag. Tut mir leid, dass es wieder so spät geworden ist. Kurz vor Feierabend kommen immer die Notfälle. Aber jetzt machen wir es uns gemütlich. Schau mal, ich hab Sushi mitgebracht. Vegetarisches für dich.«
Und dann sitzen wir auf der Eckbank in unserer Küche und Mama erzählt mir von ihren Patienten.
»Und du?«, fragt sie. »Wie war dein Tag?«
»Och. Ganz normal.«
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