1 ...7 8 9 11 12 13 ...24 »Sie haben… eine tolle Aussicht, Sir.«
»Danke sehr.« Nikolaj deutete auf den Kleiderständer neben der Tür. »Möchten Sie ablegen?«
»Oh, äh, ja. Danke.« Kaden zog seinen Mantel aus und hängte sowohl Mantel als auch Schal an einen Haken. Nur nicht durchdrehen, dachte er dabei.
Darea Harrison kam mit einem Glas Wasser zurück und stellte es auf dem flachen Tisch in der Sitzecke ab. Nikolaj deutete darauf.
»Setzen wir uns.« Im Gehen öffnete er in einer selbstverständlichen Geste sein Jackett und setzte sich dann auf eines der Sofas.
Kaden folgte ihm und atmete unwillkürlich ein. Er war zwar aufgeregt, aber nicht so aufgeregt wie noch vor ein paar Tagen im Hotel. Und darum nahm er jetzt auch mehr von seiner Umgebung wahr. So auch den Duft, den sein Gegenüber verbreitete. Eher dezent. Erdig. Maskulin. Und tatsächlich wie ein früher Herbstmorgen im Wald. Rein und klar. Ein Duft, der Kaden Gänsehaut bereitete. Ein Hauch von Meer. So frisch. Dazu eine zitronige Note. So etwas hatte er noch nie gerochen und wie schon im Hotel verwirrte es ihn. Er setzte sich ebenfalls auf das schwarze Ledersofa und legte die Mappe auf den Tisch.
Nikolaj lehnte sich zurück, die Tür fiel hinter Darea leise ins Schloss. »Also. Sie sagten am Telefon, dass Sie nicht glauben, der Richtige für den Job zu sein. Wieso?«
»Ich habe weder studiert, noch bin ich ausgebildet in dem Gebiet. Sir.«
»Wenn ich sehe, was für Idioten auf der Welt wandeln, die studiert haben, dann sehe ich darin keine Voraussetzung für eine Einstellung. Die meisten Studierten haben große Probleme damit, solche Aufgaben zu erfüllen, wie ich sie ihnen gestellt habe. Sie sind verkopft. Sie können tausend Dinge berechnen, die wir im wirklichen Arbeitsleben nicht brauchen und vergessen dafür, sich in die wichtigen Details einzudenken.«
»Das mag ja sein, aber ich habe keine Ahnung von Rechnungswesen oder Betriebswirtschaftslehre und all den Dingen, die noch wichtig sind.«
»Sind Sie des Lesens mächtig?«
Kaden runzelte die Stirn. »Natürlich.«
»Es gibt tonnenweise Bücher über all das. Wenn Sie den Job wollen, glaube ich, dass Sie sich Ihr fehlendes Wissen ohne Probleme aneignen können. Sie könnten jetzt anmerken, dass ich keinen Schimmer habe, wer Sie sind und da haben Sie Recht. Die eigentliche Frage ist doch aber, ob Sie diesen Job wollen oder nicht.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Kaden leise, dem Sorokins Worte den Wind aus den Segeln genommen hatten. »Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet.« Er sah auf. Sah direkt in diese hellen, blauen Augen, die durch die grauen Anteile wirkten wie ein stürmischer Herbsttag. Nur viel klarer.
»Das kann ich gut verstehen. Dafür gibt es die Probezeit, innerhalb derer Sie und ich jederzeit den Vertrag kündigen können.« Nikolajs Handy vibrierte und er seufzte leise. »Einen Moment bitte.« Er zog das Smartphone hervor und sah darauf, stöhnte dann leise und erhob sich, nahm das Gespräch an. »Hör mir mal zu, Louisa. Du gehst jetzt zurück in die Aufnahmeräume und wirst Mario keinen Ärger mehr machen. Es wird großartig klingen. … Nein, hör auf damit! Es klingt überhaupt nicht blechern oder ... Du sollst mich nicht unterbrechen, das habe ich dir schon tausendmal gesagt!«
Nikolaj begann, in seinem Büro auf und ab zu laufen. »Mario kann unmöglich sein Mischpult in einen anderen Raum verlegen, von dem du glaubst, er würde das Cello besser klingen lassen! Das ist nur ein Teil des Songs und auch, wenn er dir viel bedeutet, bitte ich dich ...« Er strich sich über die Stirn. »Okay, pass auf. Du erklärst ihm noch einmal ganz genau, was dich an dem Klang stört. Frag ihn, ob er Teile des Raums abhängen kann, vielleicht ergibt sich dann ein anderer Klang für dich. Ihr versucht es noch einmal und wenn ihr absolut nicht miteinander klar kommt, lasse ich mir etwas einfallen. Bis später. Und schrei ihn nicht an!«, rief Nikolaj noch hinterher, bevor er auflegte und sich seufzend wieder setzte.
»Also, Probezeit. Gut. Und eine Frage habe ich noch«, meinte Kaden.
»Nur zu. Dafür sind wir hier.«
»Sie zahlen tatsächlich Weihnachtsgeld? Einfach so?«
Nikolaj legte das Handy auf dem Tisch vor ihnen ab. »Einfach so würde ich das nicht nennen. Ich halte das aber für einen wichtigen Motivationspunkt. Wenn es dem Unternehmen gut geht, soll es auch den Mitarbeitern gut gehen. Ich bin ehrlich, es ist kein einfacher Job. Wir werden viel reisen und wir haben tagtäglich mit Künstlern zu tun. Sie haben es ja gerade gehört. Einige sind einfach, andere sind kompliziert. Sie werden viel Zeit vor Demobändern und Schriftstücken verbringen. Wie auch immer. Es ist kein leichter Job und den möchte ich ausreichend honorieren. Also ja. Es gibt Weihnachtsgeld. Meistens liegt es in der Höhe eines weiteren Monatsgehalts.«
»Heiliger Bimbam!« Kaden sah auf die Mappe auf dem Tisch. »Und wie ... wie läuft das dann ab? Ich komme morgens hierher und dann?«
»In der Regel ist der Tag voll mit Terminen. Wir treffen Künstler, begleiten sie auf Touren, wenn sie das wünschen oder ins Studio. Ich schaue mir neue Tonstudios an, versuche Kooperationen mit ihnen zu schließen, um eine möglichst breite Palette von Künstlern unterzubringen. Ich habe sieben Mitarbeiter, die nur für die Betreuung der Künstler zuständig sind, weil ich sie leider nicht alle allein betreuen kann. Wir haben Termine für das Design von Albenbooklets, sprechen uns mit den Talentscouts ab, die ich beschäftige. Es gibt zahlreiche Verhandlungen und ab und an auch Tage, an denen schlichtweg Büroarbeit ansteht. Verträge aufsetzen und überarbeiten, mit den Vertragspartnern absprechen. Oft genug findet das alles von unterwegs statt oder in Hotelzimmern.« Nikolaj Sorokin lehnte sich zurück. »Es gibt wirklich keinen festen Ablauf, jeder Tag ist anders. Fragen Sie mich nach ein oder zwei bestimmten Tagen, dann kann ich Ihnen sagen, was an ihnen geplant ist.«
Kaden schüttelte den Kopf und dachte angestrengt nach. »Und wenn das Ganze nichts für mich ist, dann war es das? Ich kann einfach so gehen? Ohne irgendwelche Konsequenzen?«
»An was für Konsequenzen denken Sie da?«
»Ich hab keine Ahnung. Rückzahlung von Sonderleistungen oder so was.« Kaden zuckte die Schultern.
»Dann nein. Keine Konsequenzen.«
Nervös knetete Kaden seine Finger im Schoß, sah erneut auf die blaue Mappe. Das wäre also nur ein Versuch. Eine Chance. Und mal ganz ehrlich, er würde keinen anderen Job finden, wo er so einen massiven Haufen Kohle verdienen würde. Selbst wenn er nur einen Monat durchhalten würde ... »Und Sie zahlen wirklich 23 Dollar die Stunde?« Erneut sah er zu Sorokin auf, denn diese Zahl kam ihm so utopisch vor.
»So wie es da steht. Auch wenn es nur ein Entwurf ist.« Sorokin schlug ein Bein über das andere, ließ Kaden nicht einen Augenblick aus den Augen. »Mr. Williams. Sie können doch gar nichts verlieren. Es ist ein Versuch für uns beide. Sollte ich mich irren, dann war es ein Experiment.«
Kaden dachte einen Moment erneut darüber nach. Dann holte er tief Luft und nickte schließlich. »Gut. Also gut. Dann versuche ich es.« Was sollte schon passieren? Das Schlimmste, das tatsächlich passieren konnte, war, dass er mordsmäßigen Mist baute und Nikolaj Sorokin ihn feuern würde. Hatte Kaden schon erlebt. Kannte er also. Wäre auch nichts Neues. Aber wie Sorokin schon gesagt hatte, es war ein Versuch. Ein Experiment.
Nikolaj beugte sich über den Tisch und öffnete die Mappe, die Kaden dort abgelegt hatte und in der sich sowohl das Stellenprofil als auch der Entwurfsvertrag befanden.
»Wann könnten Sie anfangen?«
»Sobald Sie das möchten.« Immerhin hatte er ja gerade nicht sehr viel zu tun.
»Heute ist der 27. Februar. Beginnen wir den Vertrag ab März?« Nikolaj Sorokin hatte dieses Datum schon in den Entwurf geschrieben, zog jetzt die Blätter hervor. Der Vertrag lag in zweifacher Ausführung vor ihnen und er breitete ihn nun so aus, dass beide letzte Seiten offen vor Kaden lagen. Aus seinem Jackett zog Nikolaj einen blauen Kugelschreiber, den er auf die Blätter legte.
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