„Wer bist du?“, fragte er.
Er konnte ihre Sprache und verstand sie wahrscheinlich auch. Omar war auch überrascht über diese Aktion. Er vermutete es zwar, hatte aber noch keinen Beweis gehabt.
„Ich bin Dr. Evans - Dr. Eva Evans, der Urologe, der Sie operieren kann. Und wenn sie mich umbringen, dann werden sie weiter leiden.“
Ihr Herz pochte stark in ihrer Brust. Auf so eine schnelle Entlarvung war sie nicht gefasst gewesen. Sie spürte auch seinen Puls schneller schlagen.
„Schweig Frau!“, drohte er ihr.
Sie war sofort still und sah weiter in seine dunklen Augen und er in ihre. Dr. Meier wollte die Situation retten.
„Herr Sultan. Bitte verzeihen Sie uns diese Scharade, aber wir hatten sonst keine Wahl. Wenn Sie es vorher gewusst hätten, hätte sie nie kommen dürfen. Und sie ist die Beste, keiner kann es so gut wie sie.“
„Schweig!“, sagte er auch zu ihm.
Er schwieg sofort, denn er wollte ihn nicht weiter aufregen. Der Sultan sah ihr immer noch in diese fast schwarzen Augen. Sie sah nicht weg, wie die anderen Frauen es sofort taten, weil sie es so gelernt hatten. Sie bot ihm Paroli. Das gefiel ihm irgendwie. Die Frauen hier waren viel zu sanft. Er stellte es sich schon vor, was er alles mit ihr anstellen würde. Da meldete sich unsanft sein ‚Bestes Stück‘, wegen dem sie hier waren. Offiziell lässt er sich ein Muttermal operieren, das schlimm aussieht und stört. Er ließ sie abrupt wieder los.
„Bringt sie in ihr Quartier!“
Er drehte sich um und ging schwer zu seinem Sessel. Eva lächelte in sich hinein. Sie wusste, was passiert war und nicht nur das. Sie hatte ihn sogar gespürt. Und da er sie nicht sofort umbrachte, war das ein gutes Zeichen. In ihrem Quartier, das ab sofort bewacht wurde, fing Dr. Weck sogleich an zu jammern.
„Das hätten wir nicht machen sollen! Jetzt werden wir gefoltert und dann umgebracht. Wir sehen unsere Heimat nie wieder! Wir hätten gleich die Wahrheit sagen sollen, bevor wir hier hergeflogen sind.“
„Dann hätten wir gar nicht erst die Chance gehabt zu kommen“, sagte Eva ruhig.
„Aber dann wären wir nicht in dieser Zwickmühle und liefen nicht Gefahr, nie wieder nach Hause zu kommen! Wer weiß, was sie mit uns anstellen!“, jammerte er weiter und fing an zu heulen.
„Halt das Maul und hör auf wie eine Memme zu wimmern. Sie tun uns nichts!“, sagte Eva.
Sie war immer noch ruhig. Dr. Meier ging zu ihr.
„Was macht Sie so sicher?“, fragte er.
„Er braucht uns! Und wenn, dann werde ich alles ausbaden, ihr kommt nur mit dem Schrecken davon. Er braucht mich und wie! Denn sonst kann er gleich einpacken.“
Sie war sich sehr sicher damit.
„Wie kommen Sie darauf Eva?“
„Weil ich es weiß. Das reicht für euch“, erwiderte sie und verzog sich in ihr Zimmer.
***
Eva setzte sich auf ihr Bett und dachte an den Abend, als sie mit 18 mit ihren Freunden auf einen Jahrmarkt ging. Dort gab es eine Wahrsagerin. Sie nannte sich Akilah 3. Man sagte, sie wäre die Beste. Alle wollten sich vorhersagen lassen. Jeder ging alleine hinein. Kein anderer sollte mitbekommen, was sie voraussagte. Jeder kam lachend heraus und deutete einen Vogel. Wahrscheinlich wollte es keiner zugeben. Zum Schluss war sie dran. Sie sah erschrocken auf die Frau, denn bevor Eva sich setzen konnte, sagte diese nämlich: „Sie sind mutig und werden eine gute Fachärztin für Männerprobleme. Doch das wird ihnen fast zum Verhängnis werden, aber dadurch treffen Sie ihren Mann, in einem fernen Land mit viel Sand und bunten Sternen. Sie müssen ihm helfen … doppelt. Und Sie werden sich ineinander verlieben und bekommen den ersehnten Erben, aber von dem wird er in der größten Not erst erfahren. Dann erst werden Sie mit ihm glücklich werden. Erst später - viel später. Und jetzt geh und lerne. Du musst deine Prüfungen schaffen.“
Eva zahlte und ging. Da in zwei Tagen für sie eine wichtige Prüfung anstand, ging sie danach sofort nach Hause und ließ sich auch nicht von ihren Freunden überreden noch dazubleiben. Die Prüfung bestand sie mit Auszeichnung. Lange Zeit dachte Eva nicht mehr an diese Prophezeiung, doch als es von den Kollegen hieß:
‚In ein Land mit viel Sand und nichts als Hitze, Sternen und kein Meer‘,
war sie sofort dabei. Eva musste sehr darum kämpfen, dass sie mitdurfte. Und es würde ihnen nichts geschehen. Sie musste nur sehen, dass sie bis hierherkam, um das mit dem Sultan selber zu regeln und auszukämpfen. Dass sie sich sofort in ihn verliebte, hätte sie nie gedacht …
***
Eva wurde durch einen Lärm gestört. Ein Diener kam und brachte ihr die hier angebrachte Kleidung. Sie solle sie anziehen und dann werde sie zum Sultan geführt. Eva tat, was man ihr sagte. Die beiden Männer wollten sie aufhalten.
„Lasst mich gehen, denn es ist meine Bestimmung!“, entgegnete sie ihnen, schob sie zur Seite und ging mit dem Diener zum Sultan.
Man führte Dr. Evans in andere Gemächer als vorhin. Er hatte sich auch lockerer gekleidet. Sie waren alleine.
„Komm her und setz dich zu mir“, sagte er schon etwas ruhiger.
Eva ging zu ihm und setzte sich auf einen Hocker. Sie war nervös.
„Und du bist der Arzt, der mich operieren kann?“
„Ja der bin ich“, sagte sie ruhig, obwohl es in ihr brodelte.
„Und wer sagt dir, dass du mich operieren wirst und darfst?“
„Sie Sultan.“
Er sah sie überrascht an.
„Das ist mutig von dir.“
Diese Worte sagte auch die Wahrsagerin - ‚sie sind mutig‘.
„Darf ich ehrlich sein?“
„Ja ich bitte darum. Denn wenn du nicht ehrlich bist, kommt ihr nicht mehr nach Hause.“
„Zuerst möchte ich mich auch für dieses Schauspiel entschuldigen. Ich wusste, ich musste nur hierherkommen und dann wird sich alles zeigen. Denn ich bin die Einzige, die Ihnen wirklich helfen kann.“
„Das war aber jetzt mehr als mutig. Mir so direkt alles in die Augen zu sagen.“
„Ich bin nicht so wie die Mädchen und Frauen von hier und neige nicht meine Augen vor Ihnen. Ich sehe Ihnen gerne in die Augen, wenn sie vor Freude leuchten und vor Schmerzen schon weinen wollen. Und Sie haben Schmerzen. Nein, ich bin nicht mutig, es ist nur die Wahrheit. Sie haben schon Schmerzen, wenn er sich nur etwas regt. Es muss schon sehr weit fortgeschritten sein.“
Etwas aufgebracht kam er nahe zu ihr.
„Was lässt dich so sicher sein?“
„Ich sah die Schmerzen in Ihren Augen, als sie vor mir standen und Sie schon überlegten, was Sie mit mir machen könnten. Ich spürte Ihre Erregung, doch Sie können nicht mehr und Sie brauchen mich. Und Sie können sich auch keinen weiteren Versuch mehr leisten. Ihnen steht der Druck bis zum Hals, Kinder zeugen zu müssen, damit man sieht, was für ein Mann Sie sind. Es wird hinter Ihrem Rücken sicher schon getuschelt. Und ich habe auch gehört, dass es seit drei Jahren keinen Nachwuchs mehr gibt. Seitdem suchen Sie nach Hilfe.“
Vor Wut über die Wahrheit nahm er sie und zog sie mit sich. Er zerrte sie zu einem versperrten Raum, öffnete ihn und drehte das Licht an. Zum Vorschein kam ein Operationsaal. Ihr war zu Ohren gekommen, dass er einen hatte bauen lassen, doch das er besser war, als der in ihrer Heimat hätte sie nicht erwartet. Eva sah sich mit leuchtenden Augen um und begutachtete die Ausstattung des Raumes etwas genauer. So einen hatte man nicht mal in Deutschland.
Nachdem er die Tür hinter ihnen wieder zugesperrt hatte, sagte er: „Ist er nach deinem Geschmack? Alles da was du brauchst?“
„Ja, alles da und noch mehr.“
Sie blickte ihn mit glücklichen Augen an.
„Glücklich?“
„Ja warum?“
„Weil ich es in deinen Augen sehe.“
Nach einer kurzen Pause fragte er: „Und was siehst DU noch in meinen Augen?“
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