1 Dennoch, Dresens thematisches Spektrum ist viel breiter. Obschon Filme wie NACHTGESTALTEN und SOMMER VORM BALKON oder auch WOLKE 9 ihren Handlungsort eindeutig in Berlin, vielfach im Osten, haben und viel vom Alltag der Stadt in ihnen spürbar wird, sind sie doch darauf nicht thematisch fokussiert. Es sind keine ›Ostgeschichten‹. Sie greifen Themen und Konflikte auf, die nicht primär an diesem Ort hängen, sondern von viel allgemeinerer Bedeutung sind. Das trifft allerdings letztlich auch auf die zuvor genannten Beispiele zu. Und dann: Filme wie TIMM THALER, WHISKY MIT WODKA oder – noch einmal ganz anders – die aktuelle Produktion RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH (2022) 1 1 Dieser Film war bei Redaktionsschluss noch nicht zugänglich. Im hier abgedruckten Gespräch mit Andreas Dresen gibt der Regisseur indes einige Auskünfte über RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH. — 2 Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit , Frankfurt am Main, S. 399–400. — 3 Die DVD-Box Debütfilme: STILLES LAND, hrsg. von Filmgalerie 451, enthält auf der DVD 2 sechs frühe Kurzfilme, darunter die beiden hier thematisierten. — 4 Henri Bergson, Das Lachen , Meisenheim 1948, S. 11. — 5 Ebd., S. 21. — 6 Hans-Dieter Schütt, Andreas Dresen – Glücks Spiel. Porträt eines Regisseurs , Berlin 2020, S. 170–171. — 7 Ebd., S. 173. sprengen die Schublade endgültig. Dennoch, wer an das Kino von Andreas Dresen denkt, hat der Vielfalt zum Trotz das berechtigte Gefühl, seine Filme verbinde viel. Es ist wohl eine bestimmte ›Tonlage‹, die dafür sorgt. Gemeint ist damit auch ein visueller ›Ton‹, also eine gewisse Art und Weise die Menschen und ihre Welten zu betrachten, sich zu ihnen zu verhalten und sie sich filmisch anzueignen. Zur Einleitung in den vorgelegten Andreas-Dresen-Band der Film-Konzepte sei darum der Versuch unternommen, einige solcher Affinitäten – schlaglichtartig – zu skizzieren.
Dieser Film war bei Redaktionsschluss noch nicht zugänglich. Im hier abgedruckten Gespräch mit Andreas Dresen gibt der Regisseur indes einige Auskünfte über RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH. — 2 Was das Schauspiel betrifft, verhält es sich ähnlich. Ein Spiel, das die eigene Qualität oder auch die Imago eines Stars ostentativ hervorkehrt, interessiert Dresen nicht, jedenfalls viel weniger als gelungene Momente einer alltagsnahen Improvisation, die ihre Kunstfertigkeit gleichsam unterhalb der Schwelle bewusster Wahrnehmung entfaltet. Mit anderen Worten: Er baut seine Welten – um Siegfried Kracauers Sprachgebrauch aufzugreifen – »von unten nach oben«, von der konkreten Erfahrung ausgehend. 2 1 Dieser Film war bei Redaktionsschluss noch nicht zugänglich. Im hier abgedruckten Gespräch mit Andreas Dresen gibt der Regisseur indes einige Auskünfte über RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH. — 2 Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit , Frankfurt am Main, S. 399–400. — 3 Die DVD-Box Debütfilme: STILLES LAND, hrsg. von Filmgalerie 451, enthält auf der DVD 2 sechs frühe Kurzfilme, darunter die beiden hier thematisierten. — 4 Henri Bergson, Das Lachen , Meisenheim 1948, S. 11. — 5 Ebd., S. 21. — 6 Hans-Dieter Schütt, Andreas Dresen – Glücks Spiel. Porträt eines Regisseurs , Berlin 2020, S. 170–171. — 7 Ebd., S. 173. All dies und einiges mehr hinterlässt dann den berechtigten Eindruck, etwas von der Realität, vom Alltag der erzählten Zeit mitzuerleben. Das hat Dresen das – nicht völlig unberechtigte – Lable ›sozialer Realismus‹ oder sogar ›authentisch‹ eingebracht. Doch geben seine Filme selbstverständlich nicht einfach nur gut beobachtete Realität pur wieder. Sie sind sorgfältig konstruiert, entfalten und plausibilisieren mit vielfältigen Kunstgriffen und voller Spielfreude ihre jeweils eigenen Imaginationswelten, sie funktionieren nach einer durchdachten Dramaturgie, emotional rhythmisiert, und sie kreieren auch utopische Momente. Wenn am Ende von HALBE TREPPE in Uwes Imbissbude einige prekäre Gestalten, die hier bei einem Bier letzten Halt finden, zusammenkommen und von Uwe, der beginnt, seine Trennung zu verdauen, ebenso wie die musizierenden 17 Hippies eingeladen werden zu feiern, so versetzt dieser musikalische Schluss auch das Kinopublikum in gute Stimmung und lässt zugleich einen Funken Utopie überspringen. Natürlich ist die Szene nicht einfach ›authentisch‹, im Alltag wäre sie so kaum wahrscheinlich. Sie ist vielmehr wohlbedacht gewählt, inszeniert, musikalisch und visuell konstruiert. Sie ist Kino! Ein Kino, das weit von der konventionellen Formel des Happy End entfernt ist, und dennoch sein Publikum mit einem Moment der Hoffnung ausgestattet entlässt – melancholisch, doch zugleich beschwingt. Hier wird Realität in der Imagination aufgehoben. Und das ist Kino.
Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit , Frankfurt am Main, S. 399–400. — 3Die DVD-Box Debütfilme: STILLES LAND, hrsg. von Filmgalerie 451, enthält auf der DVD 2 sechs frühe Kurzfilme, darunter die beiden hier thematisierten. — 4Henri Bergson, Das Lachen , Meisenheim 1948, S. 11. — 5Ebd., S. 21. — 6Hans-Dieter Schütt, Andreas Dresen – Glücks Spiel. Porträt eines Regisseurs , Berlin 2020, S. 170–171. — 7Ebd., S. 173.
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