Ann-Christin Eikenbusch - FILM-KONZEPTE 61 - Jonas Mekas

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Jonas Mekas (1922–2019) prägte das New American Cinema entscheidend mit und gilt bis heute als eine der Schlüsselfiguren des Avantgarde-Films.
Leben, das hieß für Jonas Mekas, immerfort zu filmen. In verschiedensten Medien und Formaten versuchte er seit Ende der 1940er Jahre, Fragmente der Zeit zu konservieren und sie durch die rhythmische Anordnung von Musik, Stimme, Schrift und Bild zu gestalteter Erinnerung zu verdichten. Sein wiedererkennbarer Stil ist geprägt von einem spontanen, geradezu impressionistischen Duktus, der auch die (materiellen) Grundlagen filmischer Arbeit vor Augen führt: «Cinema is light, movement, sun light, heart beating, breathing, light, frames», sagt er in «Walden» (1968). Auf diese Weise sammelte Mekas Erinnerungsbilder für die Geschichte einer Zeit und einer Stimmung, die auch seine eigene war, und trug sie als Filme und Frozen-Film-Frames an verschiedene Orte auch jenseits des Kinos: in die Galerie, in das Museum und das Internet ebenso wie in ein Fastfood-Restaurant oder eine Modeboutique. Ähnlich vielfältig war sein (film)kulturelles Engagement, war er doch nicht nur Filmer, sondern auch Filmkritiker und Kolumnist, Förderer, Kurator und Netzwerker, eifriger Tagebuchschreiber und Poet. Der Band widmet sich dem metamorphen Werk dieses Künstlers und nimmt neben den gestalterischen, erzählerischen Elementen seiner Filme auch seine Schriften und Ausstellungsprojekte in den Blick.

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FILM-KONZEPTE

Begründet von Thomas Koebner

Herausgegeben von Kristina Köhler, Fabienne Liptay und Jörg Schweinitz

Heft 61 · Juli 2021

Jonas Mekas

Herausgeber: Ann-Christin Eikenbusch / Philipp Scheid

Print ISBN 978-3-96707-482-6

E-ISBN 978-3-96707-484-0

Umschlaggestaltung: Thomas Scheer

Umschlagabbildung: © Jonas Mekas: WALDEN (1968)

Soweit nicht anders angegeben, handelt es sich bei den Abbildungen aus den Filmen um Screenshots.

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.deabrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, München 2021

Levelingstraße 6a, 81673 München

www.etk-muenchen.de

Inhalt

Ann-Christin Eikenbusch / Philipp Scheid

Die Summe der einzelnen Teile. Facetten des Filmers Jonas Mekas

Daniel Kothenschulte Als Filmer unter Filmemachern. Jonas Mekas’ Selbstpositionierung im Kunstkontext vor dem Hintergrund seiner Arbeit als Filmkritiker

Scott MacDonald Über LOST LOST LOST

Oksana Bulgakowa Mekas’ Monologe. Mekas’ Monologe. Zur Stimme in REMINISCENCES OF A JOURNEY TO LITHUANIA

Eva Kuhn Glänzen, Blicken, Flickern. Das Prinzip der Glimpses in AS I WAS MOVING AHEAD OCCASIONALLY I SAW BRIEF GLIMPSES OF BEAUTY

Anne König Film in Worten. Die editorische Praxis in den Tagebüchern von Jonas Mekas

Philipp Scheid Reality Bytes. Ein Blick auf die Ausstellung The Internet Saga – Jonas Mekas

Biografie

Werkverzeichnis

Autor*innen

Ann-Christin Eikenbusch / Philipp Scheid

Die Summe der einzelnen Teile Inhalt Ann-Christin Eikenbusch / Philipp Scheid Die Summe der einzelnen Teile. Facetten des Filmers Jonas Mekas Daniel Kothenschulte Als Filmer unter Filmemachern. Jonas Mekas’ Selbstpositionierung im Kunstkontext vor dem Hintergrund seiner Arbeit als Filmkritiker Scott MacDonald Über LOST LOST LOST Oksana Bulgakowa Mekas’ Monologe. Mekas’ Monologe. Zur Stimme in REMINISCENCES OF A JOURNEY TO LITHUANIA Eva Kuhn Glänzen, Blicken, Flickern. Das Prinzip der Glimpses in AS I WAS MOVING AHEAD OCCASIONALLY I SAW BRIEF GLIMPSES OF BEAUTY Anne König Film in Worten. Die editorische Praxis in den Tagebüchern von Jonas Mekas Philipp Scheid Reality Bytes. Ein Blick auf die Ausstellung The Internet Saga – Jonas Mekas Biografie Werkverzeichnis Autor*innen

Facetten des Filmers Jonas Mekas Inhalt Ann-Christin Eikenbusch / Philipp Scheid Die Summe der einzelnen Teile. Facetten des Filmers Jonas Mekas Daniel Kothenschulte Als Filmer unter Filmemachern. Jonas Mekas’ Selbstpositionierung im Kunstkontext vor dem Hintergrund seiner Arbeit als Filmkritiker Scott MacDonald Über LOST LOST LOST Oksana Bulgakowa Mekas’ Monologe. Mekas’ Monologe. Zur Stimme in REMINISCENCES OF A JOURNEY TO LITHUANIA Eva Kuhn Glänzen, Blicken, Flickern. Das Prinzip der Glimpses in AS I WAS MOVING AHEAD OCCASIONALLY I SAW BRIEF GLIMPSES OF BEAUTY Anne König Film in Worten. Die editorische Praxis in den Tagebüchern von Jonas Mekas Philipp Scheid Reality Bytes. Ein Blick auf die Ausstellung The Internet Saga – Jonas Mekas Biografie Werkverzeichnis Autor*innen

Die ersten eigenen Gehversuche mit der Kamera und die der Tochter hinein in das Leben; der Wechsel der Jahreszeiten und der politischen ›Witterungsverhältnisse‹ einer Stadt; die Geburt des Sohnes und das Emporkommen einer neuen Filmbewegung; gesellige Picknicke im Central Park und einsame Spaziergänge durch die Straßen von Brooklyn; eine Familie, die kocht und Freund*innen, die das Brot brechen; Bibelstunden mit Ken Jacobs und Diskussionen über Nietzsche; der Hafen von Cassis und Artisten in der Zirkuskuppel; Großaufnahmen von Blumenknospen und rauschenden Blättern im Wind, von feinen Gesichtszügen und tapsenden Kinderfüßen – und dazwischen immer wieder: der Künstler selbst, der entweder vor der Kameralinse Platz genommen hat oder sich hinter ihr deutlich zu erkennen gibt. Es ist Jonas Mekas, von dem wir folgende (Selbst-)Beschreibungen kennen: Der Vertriebene und Exilant, der Chronist und Augenzeuge, die Schlüsselfigur des New American Cinema, der Herausgeber von Film Culture und Kolumnist bei The Village Voice sowie – last not least – der Filmer, der sich stets auch als Familienmensch zeigte, als Ehemann, Vater, Freund, Bruder und Sohn.

Der eigenen Überlieferung zufolge begann Mekas bereits im Alter von neun Jahren, Tagebuch zu führen, sein Leben schriftlich zu fixieren, Ereignisse auf Papier zu bannen. Über 20 Jahre später tauschte er den Stift gegen die Kamera, das Papier gegen Zelluloid und Video, um fortan Ausschnitte seines Alltags zu Anthologien des eigenen Lebens zu montieren. Als sich Mekas 1949, kurz nach der Ankunft in New York, gemeinsam mit dem Bruder Adolfas seine erste Bolex-Kamera kaufte, kündeten bereits die frühesten Aufnahmen von einer spielerischen Selbstbetrachtung, die zugleich eine Reflexion des Mediums implizierte: In den ersten Sequenzen aus LOST LOST LOST (1976), in die filmische Aufzeichnungen aus den Jahren 1949 bis 1963 Eingang fanden, präsentieren sich die zwei Brüder als jugendliche Gaukler. Munter bedienen sie sich an der Trickkiste des frühen Films und erkunden so die technischen Möglichkeiten des neuerworbenen Apparats.

Indem Mekas das eigene Leben ebenso wie das seines persönlichen Umfelds zum Kristallisationspunkt seiner filmischen Arbeit bestimmte, etablierte er sich in den 1960er und 1970er Jahren – neben Maya Deren, Marie Menken oder Stan Brakhage – rasch zum führenden Vertreter einer Avantgarde, die das Autobiografisch-Persönliche filmisch zu artikulieren und einzufangen suchte. Die Autonomie in Produktion und Distribution – durch die Arbeit der Künstler*innen-Kollektive ebenso befördert wie durch die Entwicklung der Schmalfilmindustrie – leistete einen entscheidenden Beitrag zur Entfaltung eines individuellen, unabhängigen Kinos und ermöglichte es Amateur*innen – und das waren Maya Deren (als Literatin), Marie Menken (als Malerin) oder eben Jonas Mekas (als Poet) zu Anfang ihrer Karriere –, eigene Filme zu realisieren. Diese Entwicklung hin zum sogenannten Personal Cinema hatte bereits in den 1940er Jahren durch Derens narrative Film Poems ihren Anfang genommen und wurde dann in den Arbeiten von Stan Brakhage oder Marie Menken – für Mekas »[t]he Pure Poets of Cinema« 1 1 Jonas Mekas, »Notes on the New American Cinema« (1970), in: Film Culture Reader , hg. von P. Adams Sitney, New York 2000, S. 87–107, hier S. 98. — 2 Hans Belting, Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft , München 2001, S. 83. — 3 Vgl. Annette Jael Lehmann, Kunst und Neue Medien. Ästhetische Paradigmen seit den sechziger Jahren , Tübingen 2008, S. 43 f. – fortgeführt.

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