Die Verfassung des Kleisthenes war getragen vom Gedanken der Gleichheit, der Mitsprache der Bürger und der Kontrolle der Regierenden. Es blieb einem anderen großen Athener vorbehalten, diese demokratischen Tendenzen zu einer Linie zusammenzuführen und die Macht des Areopags endgültig zu brechen: Perikles, der über eine lange Zeit hinweg (443 - 429 v. Chr.) immer wieder zum Strategen gewählt wird und dessen Zeitalter als Höhepunkt der klassischen griechischen Kultur gilt, von der Baukunst eines Phidias bis zu Sokrates - der mit seinem Schüler Platon und Aristoteles zu den Gipfelstürmern der antiken Philosophie gehört.
Die Historiker sind sich allerdings nicht recht einig darüber, ob das, was da im fünften Jahrhundert v. Chr. stattfand, von den Griechen zu Recht schon als Demokratie bezeichnet wurde. Unbestreitbar gab es nach heutigen Maßstäben Defizite: Niemand in Athen dachte etwa an die Abschaffung der Sklavenhaltung oder auch nur an die Einbindung der Frauen und der Metöken. Träger des Systems war letztlich nur ein kleiner Teil der attischen Bevölkerung: rund 10 000 wehrfähige Männer über dreißig Jahre.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass kein anderer antiker Staat bei der konkreten Umsetzung der Werte »Freiheit« und »Gleichheit« und bei der Beteiligung der Bevölkerung an der Gestaltung der Polis, des politischen Gemeinwesens, so weit ging wie Athen.
Das alles ist Ergebnis eines komplexen Prozesses. Ausnahmepersönlichkeiten wie Solon, Kleisthenes oder Perikles trafen dabei auf Situationen und Entwicklungen, die auf den unterschiedlichsten Ebenen stattfanden.
Hinzu kam ein Faktor von entscheidender Bedeutung, nicht nur für die attische Demokratie selbst, sondern für die Etablierung eines ganzen Kontinents: Europas. Der Erfolgsweg des demokratischen Modells ist unverbrüchlich verbunden mit dem griechischen Sieg über die Perser bei Marathon, in den Schlachten von Salamis und Platää und mit der Gründung des Attischen Seebundes.
Großes war erreicht. Die erste Weltmacht der Menschheitsgeschichte war entstanden. Nun galt es, ihr eine Hauptstadt zu bauen.
König Dareios I., dessen Vorgänger den Vielvölkerstaat geschaffen hatten, entschied sich 518 v. Chr. für das auf einer Hochebene gelegene Persepolis, achtzig Kilometer nordöstlich von Schiras im heutigen Iran. Zunächst ließ er eine riesige festungsähnliche, etwa 125 000 Quadratmeter große Plattform anlegen. Auf ihr sollte ein gewaltiger Gebäudekomplex errichtet werden, der durch ein monumentales Tor an der Nordostecke der Terrasse betreten werden konnte. Die Schatzkammer des Perserreichs gehörte dazu, aber auch die Wohnräume des Königs und des königlichen Harems.
Als die Hundertsäulenhalle und die anderen Audienzsäle fertig waren, boten sie bis zu tausend Menschen Platz. Die Achämeniden-könige liebten es, ihre Macht zu zelebrieren. Die Schlange der Untertanen aus allen Ecken des Großreichs, die ihren Tribut die Treppen zur Ratshalle von Persepolis hinauftragen, wurde immer länger. Damit sie die Residenz verkehrsgünstig erreichten, wurde die Hauptstadt zum Knotenpunkt eines effizienten Netzes von Königsstraßen.
Aus provinziellen Anfängen hatte sich die Dynastie der Achämeniden in Persien mit beeindruckendem Tempo zu einer Großmacht entwickelt, deren Herrschaftsraum sich von der Mittelmeerküste bis nach Nordwestindien erstreckte. Als Dareios I. Persepolis gründete, hatte das Reich seine größte Ausdehnung erzielt. Und der Großkönig fügte der Politik seiner Vorgänger einen neuen - maritimen -Akzent hinzu. Er ließ die Seewege von der Indusmündung zum Persischen Golf und weiter zum Roten Meer erkunden und brachte das alte ägyptische Projekt eines Kanals vom Roten Meer zum Nil endlich zum Abschluss.
Dann richtete er den Blick nach Westen - und stieß mit dem Angriff auf Griechenland erstmals an seine Grenzen. Die sogenannten Perserkriege in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. gehören zu den dramatischsten Konfrontationen des Altertums.
Bereits im sechsten Jahrhundert v. Chr. hatten die Perser auch die griechischen Stützpunkte in Ionien an der kleinasiatischen Westküste unterwerfen können. Aufgrund der Eroberung Thrakiens, Makedoniens und der Meerenge von Bosporus und Hellespont (Dardanellen) durch Dareios I. ab 516 v. Chr. waren außerdem die Griechenstädte rund um das Schwarze Meer vom Mutterland und von anderen griechischen Kolonien abgeschnitten. Vor allem die Handelsbeziehungen mit den lebenswichtigen Getreidelieferungen gerieten nun unter persische Beobachtung.
Die Perser waren bekannt dafür, den Unterworfenen ein verhältnismäßig großes Maß an Autonomie zu gewähren, was den Einsatz brutaler Gewalt aber nicht ausschloss. Damit der König in seinem Weltreich der weiten Wege nicht den Überblick verlor, setzte er in den Provinzen Satrapen ein. Sie waren mit höchster administrativer, richterlicher und militärischer Macht ausgestattet. Die Griechenstädte wurden häufig von Tyrannen dominiert, die ihre ganz eigene Politik machten. Ihre Typologie lässt sich aus den großen schiller-schen Balladen »Der Ring des Polykrates« und »Die Bürgschaft« bestens ablesen, auch wenn deren Handlung nicht in Kleinasien spielt.
Die griechischen Siedlungen an der kleinasiatischen Küste empfanden die Last der persischen Unterdrückung zunehmend als unerträglich. Das Signal zum Aufstand ging von der Stadt des Thales, der ionischen Metropole Milet, aus. Aber auch der Satrapensitz Sardes, einst Sitz des lydischen Königs Krösus, der als Erfinder des Münzgeldes in Erinnerung geblieben ist, wurde in die Rebellion einbezogen.
In Milet hatte sich um 500 v. Chr. der wankelmütige Tyrann Aristagoras an die Spitze der aufbegehrenden Griechen gestellt und suchte nun im Westen nach Verbündeten. Die Suche nach Waffenbrüdern zeitigte bei Kleomenes I., dem König von Sparta, keinen Erfolg. Sparta war - wie die meisten anderen griechischen Stadtstaaten - ausreichend damit beschäftigt, Kriege in unmittelbarer Nähe zu führen. Aktuell war ein Angriff gegen den Erzfeind Argos in der Argolis geplant, der die Aktivierung sämtlicher Ressourcen erforderte.
In Athen hatte Aristagoras mehr Glück; man war bereit, zwanzig Schiffe zur Verfügung zu stellen. Aus Eretria an der Westküste der Insel Euböa kamen weitere fünf dazu. In der Seeschlacht bei der kleinen Insel Lade vor Milets Küste erlitten die Griechen nach hoffnungsvollem Auftakt eine empfindliche Niederlage (494 v. Chr.). Zwar hatten sie sich zuvor durch Flottenverbände von den Inseln Chios, Samos und Lesbos deutlich verstärken können, waren aber trotz der Waffenhilfe den 600 Schiffen der Perser klar unterlegen.
Die Uneinigkeit und mangelnde Geschlossenheit der Bündnispartner auf griechischer Seite trug zu der Niederlage bei. Die Perser dagegen konnten sich auch auf Einheiten aus Phönizien, Kilikien, Zypern und Ägypten verlassen, die dem Weltreich angehörten.
Der milesische Tyrann Aristagoras war schon vor der persischen Gegenoffensive nach Thrakien geflüchtet und kam dort um. Die Perser konnten mit der Zerstörung von Milet den Aufstand zu ihren Gunsten beenden. Die Stadt, die bis dahin das kulturelle Zentrum des griechischen Ostens, wenn nicht ganz Griechenlands gewesen war, wurde 479 wieder aufgebaut.
Der eigentliche Dorn im Auge der Weltmacht blieb aber Athen, das den ionischen Aufstand nach Kräften unterstützt hatte. Dareios I., der in Ägypten als Pharao anerkannt war, sah die Zeit gekommen, den Griechen einen Denkzettel zu verpassen und - im besten Fall -Hellas zu einer persischen Satrapie zu machen.
Zunächst aber versuchte er es mit einer Art Drohdiplomatie und schickte Gesandte gen Westen, um die griechischen Poleis zur Unterwerfung zu bewegen. In Mittel- und Nordgriechenland konnte er auf diese Weise einige Gebiete und diverse Bundesgenossen hinzugewinnen. Es kann allerdings nicht verwundern, dass in Athen wenig Neigung bestand, sich erneut in eine Tyrannis zu begeben, und dass Sparta um keinen Preis bereit war, seine Vormachtstellung auf der Peloponnes aufzugeben. An beiden Orten wurden die Gesandten getötet.
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