»Sehr frustrierend«, stimmte Geary ihm zu und ließ sich in seinen Sessel fallen. »Warum ist jeder so ruhig gefügig? Warum stellt keiner irgendwelche Fragen?«
Duellos warf Geary einen rätselhaften Blick zu. »Weil jeder so frustriert ist wie Sie und ich. Die Leute wollen diesen Dummköpfen helfen, die Falco hinterhergerannt sind. Aber ihnen fällt auch nichts Besseres ein als zu warten, ob sie es bis nach Ilion schaffen. Selbst der schlimmste Skeptiker in dieser Flotte akzeptiert das Risiko, das Sie mit dieser Entscheidung eingehen. Wäre Falco hier, um sie alle mit einem idiotischen Plan dazu zu bringen, von einem System zum nächsten zu springen, um nach diesen Schiffen zu suchen, sähe es vielleicht anders aus. Aber Falco wollte nicht warten, bis er noch mehr Unterstützer auf seine Seite gezogen hatte.«
»Glück für mich, würde ich sagen«, kommentierte Geary finster.
»Glück für alle Schiffe, die ihm nicht gefolgt sind«, korrigierte Duellos ihn. »Freuen Sie sich, Captain Geary. Die Dinge laufen gut.«
»Sie könnten schlechter laufen.« Geary hielt inne. »Okay, ich möchte Ihnen eine persönliche Frage stellen. Die mich betrifft.«
»Die Sie betrifft? Oder die Sie und die Eiserne Lady alias Co-Präsidentin Victoria Rione von der Callas-Republik betrifft?«
Geary lächelte. »Die eiserne Lady?«
»Sie ist eine knallharte Frau«, erläuterte Duellos. »Von der Sorte, die eine wertvolle Freundin und eine gefährliche Feindin darstellt.«
»Das ist eine gute Beschreibung für sie«, stimmte er ihm zu.
»Aber wie ich hörte, verstehen Sie sich mit ihr momentan ganz gut.«
»Das kann man so sagen. Die ganze Flotte weiß davon, oder?«
Duellos nickte. »Ich habe nicht jeden Matrosen in der Flotte persönlich befragt, aber es dürfte schwierig sein, jemanden zu finden, der es nicht weiß.«
»Niemand sagt irgendetwas dazu.«
»Was sollen wir sagen?«, gab Duellos zurück. »Herzlichen Glückwunsch? Oder sollen wir Sie fragen, welche Taktik Sie angewandt haben, um Ihr Ziel zu erreichen?«
Geary musste über die ironische Retoure lachen. »Ein gutes Argument. Ich will eigentlich nur wissen, ob das irgendwelche Probleme verursacht. Ich weiß, dass Numos und seine Freunde mir aus meiner Beziehung zu Rione bereits einen Strick drehen wollten, als die Gerüchte noch jeglicher Grundlage entbehrten.«
»Ich habe hier und da etwas mitbekommen«, gestand Duellos ein. »Wie ich Ihnen schon einmal sagte, ist das ganz allein Ihre Sache und hat mit Ihrer Befähigung als Befehlshaber nichts zu tun. Solange Sie und Co-Präsidentin Rione sich in der Öffentlichkeit zurückhalten, würde ich nicht davon ausgehen, dass irgendjemand sich darüber mokiert. Jedenfalls nicht nach außen. Diejenigen, die gegen Sie eingestellt sind, werden versuchen, das in ein schlechtes Licht zu rücken. Allerdings glaube ich nicht, dass die Sache viel Staub aufwirbeln wird, wenn Sie beide so weitermachen wie bisher. Die gehässigste Behauptung, die jemand aufstellen könnte, wäre die Unterstellung, Sie hätten Co-Präsidentin Rione zu einer Art Konkubine gemacht. Aber niemand, der die Frau je kennengelernt hat, würde ein solches Gerücht auch nur einen Moment lang glauben. Da ist nicht nur die Legende, dass Black Jack Geary unerschütterlich zur Allianz steht — Co-Präsidentin Rione ist ebenfalls dafür bekannt, ihrer Welt und der Allianz insgesamt loyal gegenüberzustehen.« Er warf Geary einen interessierten Blick zu. »Wie ernst ist es eigentlich zwischen Ihnen, wenn ich das so fragen darf?«
»Ehrlich gesagt weiß ich das nicht.«
»Nicht, dass Sie mich um meine Meinung gefragt hätten, trotzdem muss ich sagen, ich persönlich würde mit der Zuneigung einer Frau wie Co-Präsidentin Rione nicht spielen. Ihrem Zorn möchte ich lieber nicht ausgesetzt sein.«
Wieder lächelte Geary. »Ich bin mir ziemlich sicher, so weit wird es nicht kommen.«
Duellos betrachtete seine Hand. »Andererseits darf man nicht übersehen, dass die Frau an der Seite von Black Jack Geary bei der Rückkehr ins Gebiet der Allianz für eine Politikerin eine beneidenswerte Position einnimmt.«
»Das stimmt«, entgegnete er und achtete auf einen neutralen Tonfall.
Der Captain sah Geary eindringlich an. »Sie reiten auf einem Tiger, das wissen Sie ja.«
»Das weiß ich.« Ihm war dieses Sprichwort bereits selbst in den Sinn gekommen sowie der Gedanke, dass nichts dagegen einzuwenden war, auf einem Tiger zu reiten. Das Problem war nur, dass der Tiger einen hinführte, wohin er wollte, und man nicht wagen konnte abzusteigen, weil der Tiger sich sonst gegen einen wenden könnte. Sie ist mächtig und gefährlich. Ich frage mich, ob es diese Eigenschaften sind, die mich zu Victoria Rione hingezogen haben.
Gearys Gedanken kreisten noch immer um diese Frage, als er in seine Kabine zurückkehrte und dort auf Victoria Rione traf. »Ist die Konferenz gut verlaufen?«
»Haben deine Spione dir noch nicht Bericht erstattet?«, gab er zurück.
Diese Frage schien ihr nichts auszumachen. »Nicht alle. Es ist für sie recht unpraktisch, wenn du Flottenkonferenzen auf den Abend legst.« Sie deutete auf das Sternendisplay über dem Tisch. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Er setzte sich, den Blick auf die dargestellten Sterne gerichtet. Üblicherweise konnte er eine beliebige Region anhand markanter Sterne, Nebel oder anderer Merkmale erkennen, doch jetzt wollte ihm das nicht gelingen. Hier gab es nichts, was eine Erinnerung weckte. »Wo soll das sein?«
»Das ist die andere Seite der Syndikatwelten. Wundere dich nicht, wenn du das nicht erkennst. Niemand aus der Allianz ist je dort gewesen, außer vielleicht als Gefangener auf dem Weg zu einem Arbeitslager.« Riones Finger tänzelten über die Tastatur, um die Darstellung zu drehen. »Ich habe mich mit den Aufzeichnungen der Syndiks beschäftigt, die wir bei Sancere in unseren Besitz gebracht hatten. Das ist die aktuellste Version der Daten über die abgewandte Seite der Syndik-Welten. Fällt dir etwas auf?«
Er sah zu, wie die Sterne langsam ihre Position veränderten. Unerforschte oder nicht besiedelte Sternensysteme waren stets unübersichtlich, weil sich die Anordnung der Sterne im Kosmos nicht an die klar strukturierten Linien hielt, die von Menschen bevorzugt wurden. Etwas an diesem Bild sprach ihn an, doch er konnte nicht erkennen, was es war. »Was soll ich da sehen?«
»Vielleicht hilft es, wenn ich die Sternensysteme markiere, die innerhalb der letzten hundert Jahre verlassen wurden«, schlug Rione vor. »Und mit verlassen meine ich nicht, dass man sie allmählich hat verkümmern lassen, sondern dass sämtliche Anwesenheit aus ihnen abgezogen wurde.« Sie betätigte eine andere Taste, und verschiedene Sterne leuchteten heller auf.
Dann wurde Geary auf etwas aufmerksam. »Das sieht nach einer regelrechten Grenze aus«, stellte er fest.
»Genau«, stimmte Rione ihm zu. »Danach sollte es aber nicht aussehen, weil es nichts gibt, was von der anderen Seite an die Syndikatwelten angrenzt. Es gibt keinen Abschnitt, der besonders reiche Systeme jenseits dieser Grenze einschließt, und es existieren auch keine Lücken, weil sich dort ärmere Sterne befinden, die man unbesiedelt belassen hat.«
»So wie die Grenze zwischen den Syndikatwelten und der Allianz.« Geary beugte sich vor und betrachtete die Region genauer. »Das ist ja interessant.« Er zeigte auf das verlassene Sternensystem, das Rione markiert hatte. »Hier wäre diese ›Grenze‹ durchdrungen worden, die gar nicht dort sein sollte.«
»Ich musste an die Pufferzone denken, die die Marines in dieser Orbitalstadt schaffen sollten«, merkte Rione an. »Ein Gebiet, das niemand betreten soll, weil es die Syndikatwelten von jemandem oder etwas trennt. Aber von wem oder was? Pass auf: Ich werde jetzt eine Darstellung des Syndik-Hypernets darüberlegen.« Verschiedene Sterne leuchteten in einer anderen Farbe auf und bildeten ein komplexes Geflecht. »Was siehst du jetzt?«
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