Jack Campbell
Enigma
(Die verlorenen Sterne - 2)
Ich danke meinem Agenten Joshua Blimes für seine beseelten Vorschläge und seinen Beistand. Anne Sowards für ihre Unterstützung und für das Lektorat. Mein Dank geht ebenfalls an Catherine Asaro, Robert Chase, J. G. (Huck) Huckenpöhler, Simcha Kuritzky, Michael LaViolette, Aly Parsons, Bud Sparhawk und Constance A. Warner für Ideen, Kommentare und Ratschläge. Außerdem danke ich Charles Petit für seine Vorschläge in Sachen Raumschlachten.
Kommodor Asima Marphissa, Befehlshaberin
(Alle Schiffe sind ehemalige Einheiten der mobilen Streitkräfte der Syndikatwelten.)
EIN SCHLACHTSCHIFF
Midway (noch nicht einsatzbereit)
VIER SCHWERE KREUZER
Manticore, Gryphon, Basilisk und Kraken
SECHS LEICHTE KREUZER
Falcon, Osprey, Hawk, Harrier, Kite und Eagle
ZWÖLF JÄGER
Sentry, Sentinel, Scout, Defender, Guardian, Pathfinder, Protector, Patrol, Guide, Vanguard, Picket und Watch
Dienstgrade in der Midway-Flotte (in absteigender Reihenfolge), festgelegt von Präsidentin Iceni
Kommodor
Kapitan Ersten Grades
Kapitan Zweiten Grades
Kapitan Dritten Grades
Kapitan-Leytenant
Leytenant
Leytenant Zweiten Grades
Schiffsoffizier
Dieser Tag hatte gar nicht so übel begonnen, doch inzwischen sah es so aus, als würde er einen der folgenden Tage nur noch tot erleben. Die wichtigsten Fragen, mit denen sich General Artur Drakon immer noch konfrontiert sah, lauteten: Wer würde den Abzug betätigen? Wann sollte es passieren? Und wie viele Leute würden außer ihm noch sterben müssen?
»Zweihundertzweiundzwanzig Alien-Schiffe«, meldete Colonel Bran Malin und bewahrte dabei bewundernswerte Ruhe. Über und hinter Malin zeigte das Hauptdisplay des planetaren Kommandozentrums das gesamte Midway-Sternensystem und jedes dort befindliche Schiff in einer deprimierenden Detailtreue. Die Kriegsschiffe der Enigma-Rasse waren noch viereinhalb Lichtstunden entfernt, nachdem sie am Sprungpunkt vom Stern Pele kommend im System eingetroffen waren. Pele war schon vor Jahrzehnten von den Aliens besetzt worden. »Selbst wenn die Syndikat-Flotte unter dem Kommando von CEO Boyens sich unseren Streitkräften anschließt, stehen unsere Chancen überwältigend schlecht.«
Unsere Streitkräfte. Drakon konzentrierte sich einen Moment lang auf die Darstellung eben dieser Streitkräfte und versuchte, sich seine finstere Stimmung nicht anmerken zu lassen. Viele Arbeiter standen an ihren Kontrollkonsolen des Kommandozentrums, allesamt vorgeblich auf ihre Tätigkeit konzentriert, doch jeder einzelne beobachtete zweifellos sehr aufmerksam seine Miene, um jeden Anflug von Panik oder auch nur Unschlüssigkeit sofort erkennen zu können.
Nicht weit entfernt im Orbit dieses Planeten hielt sich der größte Teil der großspurig so bezeichneten »Midway-Flotte« auf: zwei Schwere Kreuzer, vier Leichte Kreuzer und zwölf kleine Jäger. Eine jämmerliche Streitmacht, wenn man sie ins Verhältnis zum unlängst beendeten Krieg zwischen den Syndikatwelten und der Allianz setzte. Aber die Syndikatwelten hatten in der Schlussphase dieses Kriegs so schwere Verluste hinnehmen müssen, dass dies hier in einem Territorium, in dem früher einmal die Befehlshoheit der Syndikatwelten als selbstverständlich angesehen worden war, mittlerweile als eine Flotte von passabler Größe galt. Ungefähr eine Lichtstunde entfernt, am Raumdock im Orbit um einen Gasriesen, befanden sich noch ein Schlachtschiff und zwei weitere Schwere Kreuzer. Das hätte schon beeindruckender ausgesehen, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass dieses erst in jüngster Zeit gebaute und auf den Namen Midway getaufte Schlachtschiff (das vor Kurzem auf einer Kaperfahrt aus einer vom Syndikat kontrollierten Werft im Kane-Sternensystem gestohlen worden war) nicht über ein einziges funktionstüchtiges Waffensystem verfügte.
»Eigentlich sind das nicht unsere Streitkräfte«, korrigierte er Malin. »Der befehlshabende Kommodor untersteht dem Kommando von Präsidentin Iceni.« Sie mochte sich jetzt Präsidentin nennen, aber vor ein paar Monaten war Gwen Iceni noch eine CEO der Syndikatwelten gewesen, ganz so wie Drakon selbst. »Wir haben uns aus der Notwendigkeit heraus zusammengetan, uns von der Autorität der Syndikatwelten in diesem Sternensystem befreien zu müssen, bevor das Syndikat unsere Ermordung anordnen konnte. Aber Sie wissen, wie wenig wir es uns leisten können, einander zu vertrauen.«
»Präsidentin Iceni hat Sie nicht hintergangen«, betonte Colonel Malin.
»Noch nicht. Sie wissen, wie das Syndikat einen CEO bezeichnete, der anderen CEOs vertraute. Dumm — hintergangen — tot. Können Sie mit Gewissheit sagen, dass sie nicht versucht hat, mit Boyens Kontakt aufzunehmen und mit ihm etwas auszuhandeln?« Die von CEO Boyens befehligte Syndikat-Flotte bestand aus einem Schlachtschiff, sechs Schweren Kreuzern, vier Leichten Kreuzern und zehn Jägern. Die Midway-Flotte hatte kurz vor einem verzweifelten und wahrscheinlich hoffnungslosen Kampf gegen diese Streitmacht gestanden, da waren auf einmal die Enigmas genannten Aliens in erdrückender Übermacht im System eingetroffen und hatten alle Menschen in diesem Sternensystem bedroht.
»Mit absoluter Gewissheit, General. Wenn Sie und Präsidentin Iceni einander kaum vertrauen können, dann wird sich auch keiner von Ihnen darauf verlassen, dass CEO Boyens sich an irgendeine Abmachung halten würde«, beharrte Malin. »Selbst wenn Boyens fair spielen wollte, würden die Schlangen in seiner Flotte von ihm verlangen, dass er Sie und Iceni als die Rädelsführer dieser Revolte tötet.«
Er konnte den darin verborgenen Humor erkennen. »Ich kann dem Inneren Sicherheitsdienst des Syndikats also für die Gewissheit danken, dass Iceni mich nicht an Boyens ausliefern wird. Das ist das erste Mal, dass die Schlangen mir ein Gefühl von Sicherheit geben.«
»Ja, Sir. Aber Boyens und seine Flotte stellen momentan ein relativ unbedeutendes Problem dar. Es ist möglich, dass er einem Vorschlag von Ihnen und Präsidentin Iceni zustimmen wird, sich unseren Streitkräften anzuschließen, damit wir uns den Enigmas geschlossen stellen können.«
Drakon schüttelte den Kopf. »Nein, das wird er nicht machen. Für Boyens springt nichts dabei heraus, wenn er sich mit uns zusammenschließt. Er ist auf Befehl des Syndikats hergekommen, um uns zu besiegen und um das Sternensystem zurückzuerobern. Aber nachdem jetzt die Enigmas aufgetaucht sind, droht jedem menschlichen Lebewesen im Midway-System der Untergang. Warum sollte er in einem aussichtslosen Kampf sein Leben bei dem Versuch geben, uns zu retten?«
»Das wird er nicht machen«, antwortete Präsidentin Iceni, die in diesem Moment auf Drakon zuging. Jede Bewegung und auch ihr Tonfall waren so angelegt, dass sie Gelassenheit und Selbstbewusstsein in einem Maß ausstrahlte, das bei jedem Geringeren unter diesen Umständen lächerlich gewirkt hätte.
Aber Drakon musste zugeben, dass Iceni das sehr überzeugend rüberbrachte.
»CEO Boyens«, fuhr sie fort, »ist ein praktisch veranlagter Mensch. Für uns gibt es hier keine Hoffnung«, fügte sie dann auf eine sachliche Art hinzu, die im Widerspruch zu ihren Worten stand.
Drakon drehte sich zu ihr um. »Sie haben in der Vergangenheit schon mit den Enigmas gesprochen. Haben wir eine Chance, mit ihnen zu verhandeln?«
Iceni schüttelte den Kopf. Ihr Gesichtsausdruck war eher berechnend als ängstlich. Wie Drakon wusste auch sie, wie wichtig es ist, dass Führungspersönlichkeiten keine Furcht erkennen ließen. Furcht vermittelte Schwäche, und im System der Syndikatwelten wurden schwache CEOs zur Zielscheibe ihrer Untergebenen. Arbeiter konnten in Panik geraten, wenn ihre Vorgesetzten Angst zur Schau stellten. Senior-Untergebene konnten zu dem Schluss kommen, dass ein per Attentat herbeigeführter Wechsel auf der Führungsebene die eigenen Überlebenschancen verbessern würde. Oder die Arbeiter selbst probten den Aufstand, da sie die Lage für hoffnungslos hielten, und übten noch schnell Vergeltung für alles Leid, das ihre Führer ihnen angetan hatten.
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