Frauen wie sie selbst. Sie werden Drakon nicht bekommen, Colonel Morgan. Vielleicht will ich ihn gar nicht haben, aber Sie bekommen ihn ganz sicher nicht. »Und ich werde Sie im Auge behalten, Colonel Malin.«
»Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass man mich aufmerksam beobachtet«, gab er lächelnd zurück.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden«, beendete sie die Unterhaltung und wandte sich zum Gehen. Sie wusste, dass Malin hinter ihr in die Menge eintauchte und verschwand. Er war da, aber die Überwachungssysteme, die nahezu alles aufzeichneten, was irgendwo in der Stadt gesagt und getan wurde, konnten ihn nicht wahrnehmen.
Während sie weiterging, hielt Iceni die Ohren offen. Man konnte wichtige Dinge herausfinden, wenn man sich inmitten der Bürger aufhielt, ohne von ihnen erkannt zu werden. Die Leute sprachen Dinge aus, die man anderswo niemals zu hören bekommen würde. Dinge, die hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurden, sodass die allgegenwärtigen Überwachungsanlagen es nicht von der allgemeinen Geräuschkulisse unterscheiden konnten.
Viel wurde über Taroa erzählt, das meiste davon zeugte von guter Stimmung. Die Schlangen waren unschädlich gemacht worden, wir hatten unseren Nachbarn geholfen und keine Gegenleistung gefordert. Drakon war ein guter General. Es gibt ein neues Handelsabkommen. Bald werden wieder Schiffe herkommen. Gute Neuigkeiten, wirklich gute Neuigkeiten.
Haben Sie das von Präsidentin Iceni gehört? Das, was Buthol sagt? Ich kann das nicht glauben. Aber bevor sie unsere Präsidentin war, war sie unsere CEO gewesen. Jeder weiß über CEOs Bescheid. Aber ist sie nicht anders? Warum findet dann keine Wahl statt?
Iceni ging mit gesenktem Kopf weiter, bis sie den geheimen Zugang zu ihrem Büro erreicht hatte. Erst nachdem sie ein Dutzend Schlösser und Sicherungen unterschiedlichster Bauart geöffnet und wieder hinter sich geschlossen hatte, fühlte sie sich sicher genug, frustriert seufzend ihren Mantel auszuziehen. Wer war dieser Buthol? Warum waren die Leute so voll des Lobes, was Drakon anging, und warum stellten sie so viele Fragen, wenn es um Iceni ging? War das Drakons Werk? Betrieb er zu seinen Gunsten Propaganda?
Es war schon spät, sie war müde und musste in Ruhe nachdenken. Sie brauchte Zeit, um alles zu verarbeiten, was sie von Malin erfahren hatte. Und sie brauchte Zeit, um ihr Unterbewusstsein über Malins Mimik und Gestik nachdenken zu lassen.
Es war spät, und Präsidentin Iceni begab sich zur Nachtruhe.
Am nächsten Morgen kam sie sich vor, als hätte sie einen Kater, ohne am Abend zuvor auch nur einen Tropfen Alkohol getrunken zu haben. Sie fühlte sich bestraft, ohne dass sie etwas getan hatte, was eine Bestrafung rechtfertigte. Um dem abzuhelfen, schluckte sie schnell ein paar Schmerztabletten.
Als sie an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, fragte sie sich, wo sie anfangen sollte. Das Schlachtschiff. Die jüngsten Berichte von Kommodor Marphissa waren vor achtundvierzig Stunden eingegangen. Es gab natürlich auch einen ständigen Datenstrom, aber …
Im letzten Moment konnte sie sich davon abhalten, Marphissa eine verärgerte Nachricht zukommen zu lassen. Die Kommodor hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, was eine solche Maßnahme rechtfertigte.
Aber was war mit diesem Mann, dessen Namen sie gestern Abend gehört hatte? Buthol?
Eine schnelle Suche an ihrem Nachrichtenterminal ergab eine Reihe von Artikeln und Kommentaren, die alle von diesem Buthol stammten.
Buthol forderte sofortige Wahlen. Buthol verdächtigte die Präsidentin, Gelder für sich abzuzweigen, und forderte eine Offenlegung der Steuereinnahmen. Buthol argumentierte, dass nur eine vollwertige, umfassende Demokratie im Interesse aller war. Er verlangte, dass jeder Bürger mit seiner Stimme über alle wichtigen Angelegenheiten mitentscheiden konnte, ohne das irgendwelchen Volksvertretern überlassen zu müssen.
Die Meldungen waren einhellig der Ansicht, dass Buthol bislang nur wenige echte Anhänger hatte, dass er mit seinen Auftritten und Veröffentlichungen aber mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Mit wachsendem Zorn las Iceni weiter. Für wen hält sich dieser Mann? Wie kann er es wagen, mich der Korruption zu beschuldigen? Wie kann er behaupten, ich wolle eine Diktatorin sein? Weil ich dem Pöbel trotz seiner Forderungen nicht die Kontrolle über dieses Sternensystem überlasse?
» Togo! Zu mir!«
So schnell, wie er in ihr Büro geeilt kam, musste ihr Tonfall etwas Beunruhigendes an sich gehabt haben. »Ja, Madam Präsidentin?«
»Warum zum Teufel haben Sie mir nichts von diesem Kater Buthol gesagt?«
Togo stutzte, dann sah er auf seinen Reader. »Ah, der. Ja. Er hat ein paar Anhänger. Wir überwachen ihn.«
»Ihm wird ziemlich viel Aufmerksamkeit zuteil. Und er greift mich persönlich an.«
»Madam Präsidentin, Sie haben uns angewiesen, die Wahlen auf den unteren Verwaltungsebenen ohne Einmischung …«
» Es sei denn , es wird etwas geäußert oder getan, das man als Bedrohung ansehen kann!« Sie sah Togo wütend an. »Hat Kater Buthol gegen irgendein Gesetz verstoßen?«
Togo schüttelte den Kopf. »Er passt sehr genau auf, dass er sich im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt. Sie könnten ihn festnehmen lassen, aber das müsste auf der Grundlage von frei erfundenen Behauptungen geschehen. Bis heute Abend könnte ich Ihnen die dazu passenden Beweise liefern.«
»Das wird nichts nützen! Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist eine Aktion, die diesen Komiker wie einen Märtyrer dastehen lässt.« Sie lehnte sich zurück und machte eine wütende Geste. »Dieser Buthol ist genau die Sorte Problem, die ich im Moment nicht gebrauchen kann! Finden Sie eine Lösung! Das wäre alles.«
»Ja, Madam Präsidentin.« Togo zog sich schneller als üblich zurück.
Den Rest des Tages verbrachte Iceni damit, sich in ihre Arbeit zu vertiefen und sich um die Entwicklungen bei den Wahlen auf den unteren Verwaltungsebenen zu kümmern, die dem Drängen der Bürger nach mehr Veränderungen entgegenkommen sollten. Es war nur nicht klar, ob diese Wahlen ein solches Ziel tatsächlich erreichen würden.
Am beunruhigendsten waren die gelegentlich auftauchenden Bemerkungen, General Drakon würde einen guten Präsidenten abgeben. Zum Wohl des Sternensystems und angesichts der drohenden Gefahr eines Angriffs durch das Syndikat wäre doch ein neuer Führer erforderlich, der mit solchen Bedrohungen umgehen konnte. Hatte Drakon selbst dieses Gerede in die Welt gesetzt? Das war wirklich bedenklich, aber noch bedenklicher war die Möglichkeit, dass die Bürger von selbst auf einen solchen Gedanken gekommen sein könnten. Es war offensichtlich erforderlich, daran zu arbeiten, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen wurde. Die Leute mussten wissen, wer die Gefechte hier und bei Kane gewonnen hatte, wer das Schlachtschiff an Land gezogen hatte, wer mehr über die Taktiken mobiler Streitkräfte vergessen hatte, als General Drakon sich an Wissen jemals würde aneignen können.
Als Iceni sich schlafen legte, hatte sie in Umrissen festgelegt, wie die PR-Kampagne aussehen sollte, die ihr Ansehen bei der Bevölkerung verbessern würde.
Am nächsten Morgen unterlief ihr der Fehler, ein großes Frühstück zu bestellen. So verschluckte sie sich fast an ihrem Essen, als sie die neuesten Berichte zu Gesicht bekam, die auf der Grundlage ihrer Suche am Abend zuvor zusammengestellt worden waren.
Die Polizei meldet, dass der politische Agitator und Kandidat der Nachbarschaftsvertretung Kater Buthol Opfer eines Raubüberfalls geworden ist. Offenbar hat er sich gegen seinen Angreifer zur Wehr gesetzt und wurde beim anschließenden Gerangel niedergeschossen. Buthol verstarb, noch bevor die Polizei am Tatort eingetroffen war.
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