»Also nichts allzu Schwieriges oder allzu Anspruchsvolles.«
Drakon lächelte, da er wusste, Lyr meinte das Gegenteil. »Ganz genau.«
»Ich werde mein Bestes geben, General.«
»Das weiß ich, Colonel. Deshalb werden Sie auch befördert und erhalten diesen Posten.« Lyrs Arbeit würde vermutlich nicht so schwierig werden wie die Suche nach einem neuen Stellvertreter für Lyr. Aber ich muss mir nun mal mehr Senioroffiziere heranziehen. Dass mein Job ein Kinderspiel sein soll, hat auch noch nie jemand behauptet.
Eine Woche, nachdem Drakon mit dem Shuttle zur Orbitalwerft geflogen war, hatten seine Brigaden den Planeten verlassen, die Vereinbarungen waren getroffen worden, und Frachter und Kriegsschiffe verließen den Orbit, um Kurs auf den Sprungpunkt nach Midway zu nehmen. Nachdem er fast die ganze Woche über schlechte Laune gehabt hatte, fragte sich Drakon, wer sich mehr darauf freute, nach Midway zurückkehren zu dürfen: er oder Kommodor Marphissa und die Crew des Schweren Kreuzers, die sich bei der Ankunft im System endlich von ihm würden verabschieden können.
Drakons Laune passte nicht zu den Informationen, die er überbrachte.
»Sie scheinen in allen Punkten erfolgreich gewesen zu sein, bezüglich derer wir beide der Ansicht waren, dass Sie dafür nach Taroa reisen sollten«, sagte Iceni.
»Nicht in allen. Als wir abgereist sind, gab es nicht mal den Ansatz einer stabilen Regierung.«
»Sie wollten wohl nicht ernsthaft so lange warten, bis sie eine Regierung haben. Nach allem, was ich von meinen Repräsentanten gehört habe, tendiert Taroa bereits zu einer formalen Allianz mit uns. Das ist doch schon ein Anfang, und für andere Sternensysteme wird das ein Ansporn sein, so etwas ebenfalls in Erwägung zu ziehen.« Iceni rieb sich mit einer Hand die Augen. »Was die weniger erfreulichen Dinge angeht … ich nehme an, Sie haben bereits von Colonel Rogero gehört, was vorgefallen ist.«
»Und ich nehme an, Sie hatten bislang keinen Erfolg bei der Suche nach dem Attentäter.«
Sie nahm die Hand herunter und sah ihm in die Augen. »Ich hatte den Befehl ausgegeben, Colonel Rogero nichts anzutun. Falls jemand aus meinen Kreisen diesen Versuch unternommen hat, dann geschah das entgegen meinen ausdrücklichen Anweisungen. In dem Fall werde ich dafür sorgen, dass derjenige sein Verhalten bitter bereut.«
Drakon musterte sie einen Moment lang, ehe er erwiderte: »Wollen Sie damit andeuten, jemand aus meinen Kreisen könnte den Anschlag verübt haben?«
»Mir liegen keinerlei Informationen vor, General, daher deute ich so etwas auch nicht an.« Sie fragte sich, wieso Drakon so schnell zu dieser Schlussfolgerung gelangt war. Bereitete ihm jemand aus seinem Umfeld Sorgen? Lief ihre eigene Quelle Gefahr, enttarnt zu werden?
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass irgendein Bürger auf ihn geschossen haben sollte. Aber wenn sich noch irgendwo Schlangen verborgen halten …«
»… dann wäre das eine Erklärung«, stimmte sie ihm zu. »Alle sind auf der Suche nach einem solchen Nest.«
Diesmal nickte Drakon und legte etwas von seiner schlechten Laune ab. »Ich wollte darauf hinweisen, wie gut sich Kommodor Marphissa geschlagen hat. Es gab nicht ein einziges Problem bei der Koordination und bei der Versorgung. Ich habe noch nie mit einem besseren Befehlshaber der mobilen Streitkräfte zusammengearbeitet.«
»Es freut mich sehr, so etwas zu hören. Ich will ihr das Kommando über das Schlachtschiff übertragen, sobald es einsatzbereit ist.«
»Damit wird sie ohne Probleme zurechtkommen«, sagte Drakon. »Aber ich hoffe, ihre Befehlsgewalt wird sich nicht nur auf dieses Schiff beschränken. Sie hat Formationen und mehrere Einheiten gleichzeitig sehr gut gehandhabt.«
»Das werde ich im Gedächtnis behalten.« Warum überschüttete er Marphissa nur mit so viel Lob? Sie waren beide eine Zeit lang auf dem Schweren Kreuzer unterwegs gewesen. Drakons Stab glaubte mittlerweile, Marphissa arbeite für sie. Hatte er Marphissa also tatsächlich umgedreht? Oder war er zumindest schon weit genug gekommen, um dafür zu sorgen, dass sie bei den mobilen Streitkräften mehr Einfluss bekam? »Sie haben eine große Zahl an guten Werftarbeitern mitgebracht. Sie werden dafür sorgen, dass unser Schlachtschiff viel schneller fertiggestellt wird als bislang erwartet.«
»Wie schnell?«
»Zwei Monate.«
»Damit bleibt immer noch ein verdammt großes Zeitfenster, in dem Bedrohungen auf uns zukommen können«, murmelte Drakon. Als hätte er gemerkt, dass seine Worte als Kritik aufgefasst werden konnten, sah er Iceni an. »Ich sehe ein, dass wir beide so gut wie nichts unternehmen können, um das Schiff eher fertigzustellen. Aber wir werden viele von diesen Arbeitern so bald wie möglich nach Taroa zurückschicken wollen, damit sie mit der Fertigstellung des zweiten Schiffs weitermachen.«
Iceni seufzte frustriert. »Ein Jahr, bis das so weit ist. Hoffen wir, dass uns so viel Zeit bleibt.«
»Offiziell ein Jahr, aber vielleicht lässt sich da noch was machen, indem wir den Arbeitern echte Belohnungen bieten, wenn sie über sich hinauswachsen.« Drakon sah sie fast herausfordernd an. »Womöglich wären Bonuszahlungen an die Arbeiter sinnvoller als an die Executives.«
Verwundert zog sie die Augenbrauen hoch. »Ich hatte Sie gar nicht für so radikal gehalten. Wir dürfen es uns mit den Executives und den Sub-Executives nicht verscherzen. Vielleicht sollten alle einen Bonus abhängig von den tatsächlichen Leistungen erhalten.«
Daraufhin begann Drakon ironisch zu grinsen. »Bonuszahlungen abhängig von den tatsächlichen Leistungen? Und mich bezeichnen Sie als radikal?«
»Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, können wir es ja mit diesem System versuchen und sehen, wie es funktioniert. Immerhin wissen wir, dass unsere Leute vom Syndikat-System gedrillt worden sind, sich Bewertungen zu unterziehen. Es könnte Mittel und Wege geben, wie wir sie dazu bringen, dass sie sich ganz darauf konzentrieren, die von uns gewünschten Resultate zu liefern. Gibt es sonst noch was?«, fragte sie dann. Seine seltsame Unruhe machte sie mittlerweile auch nervös. Irgendetwas war vorgefallen – aber was? Togo hatte bislang noch keine Entdeckung melden können, aber seine Quelle war auch nicht so dicht an Drakon dran. »Schön, dass Sie wieder hier sind, General Drakon.«
Er nickte bedächtig, dann stand er auf.
Sie würde bei ihrer besten Quelle nachfragen müssen, aber nicht bloß per übermittelter Nachricht. Trotz aller damit verbundenen Risiken machte diese Situation ein Treffen unter vier Augen erforderlich.
Zurück in ihrem eigenen Büro verriegelte sie die Tür und aktivierte alle Alarmsysteme, dann setzte Iceni sich an ihren Schreibtisch. Warum benahm sich Drakon so, als hätte er ein schlechtes Gewissen? Die wahrscheinlichste und zugleich erschreckendste Erklärung war die, dass er beschlossen hatte, sich gegen sie zu wenden, diese Entscheidung ihm aber aus irgendeinem Grund Unbehagen bereitete.
Sie drehte sich mit ihrem Bürostuhl um und betrachtete einen Teil des virtuellen Fensters hinter ihrem Schreibtisch. Derzeit war dort die Stadt bei Nacht zu sehen, und das aus einem Winkel, als befände sich ihr Büro in einem Hochhaus, und nicht gut geschützt unter der Oberfläche. Die Lichter der Stadt reichten bis an die Küste, dort schlugen Wellen mit phosphoreszierenden Schaumkronen gegen natürliche Felsblöcke und von Menschen erbaute Mauern. Ihre Hand ruhte auf einem Gebäude, das in der Dunkelheit leuchtete und so abgeflacht war, dass es ihre Fingerabdrücke und die Linien auf ihrer Handfläche scannen konnte. Dann verschwand ein Teil des virtuellen Fensters und wurde durch ein leeres Quadrat ersetzt. Nachdem sie sich durch ein halbes Dutzend Zugangs- und Bestätigungscodes gearbeitet hatte, öffnete sich eine kleine Panzertür.
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