Kurz danach kamen wir durch einen Raum voller Hinweise auf Alexander Kings skrupellose Seite. Ausgestopfte Ausstellungsstücke von Männern und Frauen seiner Vergangenheit waren hier aufgetürmt: Feinde, die er überwunden und als Trophäen behalten hatte. Zuerst dachte ich, es seien Wachsarbeiten, aber aus der Nähe konnte ich die behandelte Haut und die Konservierungsstoffe riechen. Ich tippte mit dem Finger an ein Auge, und es stellte sich als Glas heraus. Die Ausstellungsstücke waren in die Mode ihrer Zeit gekleidet, von den 1920ern aufwärts. Die Gesichter waren straff, emotionslos. Für immer dazu verdammt, in beiläufigen Posen in diesem Zimmer zu stehen, als nähmen sie an einer höllischen Cocktailparty teil, die niemals endete.
Ein Museum des Mordes.
»Alte Feinde«, murmelte Walker und schlenderte gelassen durch die sorgfältig arrangierten Figuren und betrachtete gelegentlich eines der Gesichter näher. »Und vielleicht ein paar wenige Freunde und Verbündete, die sich zu weit vorgewagt haben. Welchen besseren Weg gibt es, den eigenen Sieg zu feiern, wenn man es der Welt schon nicht sagen kann, als zwischen den besiegten Feinden zu wandeln und sich in Schadenfreude zu ergehen, wie es einem gefällt? Ich frage mich, ob er mit ihnen spricht. Wahrscheinlich. Wahrscheinlich sind es sogar die einzigen Leute, mit denen er heutzutage sprechen kann.«
»Ist hier jemand, den Sie erkennen?« Dieser Ort war mir sehr unheimlich, aber lieber wollte ich verdammt sein, als Walker das zu zeigen.
»Keinen, den ich persönlich kannte«, sagte er. »Ich habe immer nur an den Rändern der geheimdienstlichen Branche gearbeitet. Wie steht's mit Ihnen?«
»Heiliger Jesus!«, sagte ich plötzlich und stürzte nach vorn. »Der da ist ein Drood! Und er trägt immer noch seinen Torques!« Ich wollte die Hand nach dem Torques ausstrecken, aber Walker griff im letzten Moment nach meinem Arm und riss mich zurück.
»Nein, Eddie. Ganz schlechte Idee. Sprengfallen, erinnern Sie sich?«
Ich hielt schwer atmend inne und nickte Walker dann kurz zu, um ihm zu zeigen, dass ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Er ließ mich los.
»Später«, sagte ich. »Ich werde mir das später ansehen.«
»Ja«, sagte Walker. »Wir haben später noch für alles Mögliche Zeit.«
Schließlich gingen uns die Räume aus. Wir stießen eine letzte übergroße Tür auf, und vor uns lag das Zimmer, das ich im Hintergrund von Alexanders Projektion gesehen hatte. Ein nackter Raum mit nackten Wänden, nichts darin als ein großer hölzerner Thron, der mit dem Rücken zu uns stand. Ich blieb in der Tür stehen und sah mich gründlich um, aber da war niemand sonst. Walker formte mit den Lippen das Wort Peter in meine Richtung. Ich zuckte mit den Schultern. Wir schritten in den Raum hinein und die Tür schloss sich langsam, aber fest hinter uns. Der Thron begann sich langsam, von einem unsichtbaren Mechanismus angetrieben, zu uns zu drehen und da, auf dem Thron des Autonomen Agenten, saß Peter King. Er lächelte mich sorglos an und nickte Walker zu.
»Willkommen in meinem Heim, ihr beiden. Nun, habt ihr dem Autonomen Agenten nichts zu sagen im Moment seines größten Triumphs? Ich habe den größten Teil des letzten Jahrhunderts Intrigen um Leute wie euch gesponnen, aber ihr müsst zugeben, das ist eine meiner besten! Ach, kommt schon, sicher habt ihr das schon erraten? Sicher haben zwei Agenten, die sich solcher Fähigkeiten und Erfahrung rühmen wie ihr, zumindest einen kleinen Verdacht gehabt, das ich nicht der war, der ich schien; dass ich es eigentlich selbst war?«
»Sie haben sich als Ihr eigener Enkel ausgegeben«, sagte ich wie betäubt. Ich kam mir dumm vor. »Die ganze Zeit waren Sie das, Alexander.«
»Natürlich, natürlich!«, sagte er heiter. »Es war mein Spiel, meine Regeln und ihr hattet nie eine Chance.«
»Gab es jemals einen echten Enkel?«, sagte Walker. »Einen wirklichen Peter King?«
»Aber ja«, sagte der Autonome Agent beiläufig. »Bedauernswerter kleiner Kerl. Für niemanden nützlich, nicht einmal für sich selbst. Keine Energie, kein Ehrgeiz und nicht ein einziges Ergebnis, das den Namen King wert gewesen wäre. Ein langweiliger kleiner Mann mit einem langweiligen kleinen Job. Industriespionage. Gibt es etwas, das noch tiefer unter unserer Würde liegt? Ich habe ihn so gesehen nicht wirklich getötet. Nur von einem Leben befreit, dass er sowieso nicht nutzte. Ich nahm seine Lebensenergie und benutzte sie, um mich selbst zu verjüngen. Ein paar kleine Schönheitsoperationen hier, ein paar Botox-Spritzen da und schon hat man ein neues Gesicht. Das ist nicht schwer, wenn man weiß, was man tut. Ein teures Verfahren, sicher, aber jeden Penny wert. Wie ein großer Mann einst sagte: Wozu ist Wohlstand gut, wenn man nicht gesund ist? Ich fühle mich so jung! So lebendig! Ich fühle mich wieder - wie ich selbst!«
Er schwang ein Bein elegant über das andere und lächelte herablassend. Ich konnte spüren, wie meine Hände an der Seite sich wieder zu Fäusten ballten. Ich wollte ihn von seinem dämlichen Thron reißen und ihn mit bloßen Fäusten zu Tode prügeln. Aber das tat ich nicht. Ich zwang mich zu warten. Er hatte noch mehr zu sagen, hatte mehr Geheimnisse auszuplaudern, und ich musste sie hören.
»Ihr habt nicht wirklich gedacht, dass der legendäre Autonome Agent seine Rolle und seine Geheimnisse einfach so aufgäbe, nur weil er alt würde, oder?«, fragte Alexander durch Peter Kings Gesicht. Ich entschied mich dafür, ihn für mich als Alexander anzusehen. Das machte es für mich einfacher, ihn zu hassen. »Die Welt braucht mich, sie braucht den Autonomen Agenten, sie braucht mein Wissen, meine Erfahrung und meine Fähigkeiten mehr denn je. Zu viele verdammte Amateure rennen herum und bringen alles durcheinander. Wenn man ein wirkliches Problem hat, dann braucht man einen Profi. Jemanden, der weiß, was er tut.
Und kommt mir bloß nicht mit dem Zustand der offiziellen Organisationen! Verdammte Beamte haben da das Sagen, die mehr damit beschäftigt sind, mit dem Budget auszukommen, als dass sie wirklich etwas erreichen. Und was die Droods angeht - ich bin sprachlos, Eddie. Du hättest dich nie einmischen dürfen. Nun gut, deine Familie war korrupt, aber was soll's? Sie haben ihren Job erledigt, oder? Wusstest du, dass ich euch angeboten habe, euch während des Krieges gegen die Hungrigen Götter zu helfen und so ein verdammter Idiot mich abgewiesen hat?« Er beugte sich auf seinem Thron vor, um mich böse anzustarren. »Hast du wirklich geglaubt, ich würde alles aufgeben und einfach so in der Ewigkeit verschwinden? Mich hinlegen und sterben, weil ich alt würde? Ich habe nicht mein Leben damit verbracht, die Welt zu retten und die Dinge zurechtzurücken, nur um alt und schwach zu werden und zu sterben! Leute wie ich sterben nicht einfach! Die Welt braucht mich! Ich habe noch wichtige Dinge zu erledigen! Sterben ist etwas für die kleinen Leute, für die, die keine Rolle spielen.«
»Du schreist, Alex«, sagte Walker.
»Ah. Gut. Tut mir leid«, sagte der Autonome Agent und lehnte sich wieder in seinen hölzernen Thron zurück. »Dieser neue Körper ist bis zum Anschlag voller Hormone. Ich muss mich noch daran gewöhnen.«
»Dieser Wettbewerb war nie das, wofür wir es gehalten haben«, sagte ich. »Sie haben den Wettkampf ausgerufen, damit Sie daran teilnehmen und ihn gewinnen konnten. Sodass Sie uns alle schlagen können, vor der ganzen Welt. Sie mussten sich selbst beweisen - und auch jedem anderen -, dass Sie immer noch die Besten sind. Indem Sie sich die besten Agenten holten, die die Welt zu bieten hatte, und sie alle schlagen.«
»Oh, bitte, ihr wart wohl kaum die Besten«, sagte Alexander. »Ihr wart nur die fünf besten Neuzugänge. Die, die am ehesten meine Konkurrenten wären, wenn ich mein Leben wieder begänne. Diejenigen, die mir höchstwahrscheinlich im Weg stünden, wenn ich meine neue Karriere als Peter King aufbaute. Ich brachte euch in dieses Spiel, um allen zu zeigen, dass ich euch schlagen könnte, ja, aber hauptsächlich, um euch alle zu töten, bevor ihr zu einem Ärgernis würdet.«
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