Flint wachte über die schlafenden Gefährten. Allmählich brannten die Lichter herab.
Die Dämonen schwärmten aus der langen Nacht herbei, bösartig und gemein, und die Wachen hinter den Barrikaden der Stadt stellten sich ihnen mit ihren Waffen, mit siedend heißem Öl und dem Mut der Verzweiflung in den Weg. Duncan MacNeil hielt ihnen stand, schlug mit seinem Schwert in kurzen, wuchtigen Schwüngen um sich und streckte einen nach dem anderen nieder. Doch der Ansturm riss nicht ab. Gestalten wie aus Alb- und Fieberträumen fielen mit ihren Klauen und gefletschten Zähnen über ihn her, und ihre Augen glühten gierig in endloser Nacht. Blut spritzte von schwirrenden Klingen und Äxten. Dämonen starben zu Häuf, doch es rückten immer weitere nach.
Sie kamen ohne Zahl.
Ein langes, spindeldürres Wesen mit gezacktem Rückgrat und Krallenhänden bäumte sich vor MacNeil auf. Sich duckend wich er einem mörderischen Schwinger aus und stieß dem Gegner die Schwertspitze in den Leib. Das Gedärm platzte daraus hervor und spulte sich zuckend vor seinen Beinen ab. Trotzdem griff das Ungeheuer weiter an, bis MacNeil ihm mit einem beidhändig geführten Hieb den knochigen Kopf vom Hals trennte. Lautlos geiferte das Maul auf dem von Blut überschwemmten Boden, und es dauerte noch eine Weile, bis auch der schwankende Körper endlich in sich zusammensackte. Dämonen gaben keinen Laut von sich, auch nicht, wenn sie starben. Als böse Gedanken, die Gestalt angenommen hatten, waren sie still, ob lebendig oder tot.
Auf Fledermausschwingen flatterte etwas aus der Dunkelheit hervor, das so groß war wie der Kopf eines Mannes, ein dichtes schwarzes Fell und ein Dutzend Beine besaß. MacNeil zerschlug es in der Luft. Es zerplatzte und ließ faulig stinkenden Seim auf ihn nieder regnen, der seine entblößte Haut ätzend traktierte. Er war noch abgelenkt, schüttelte sich und fluchte, als ein Flickendämon mit gewaltigem totenbleichem Rumpfund großen sichelförmigen Kiefern wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte und ihn zu Boden stieß.
Im ersten Augenblick sah er nichts als ein Durcheinander von Menschen- und Dämonenbeinen, die im blutdurchtränkten Schlamm umherstolperten. Er schlug nach dem bleichen Dämon aus, doch der kam ihm zuvor und hackte ihm die Krallen ins zerrissene Kettenhemd. Vor Schmerzen schrie er laut auf und wehrte sich in seiner Verzweiflung mit einem wuchtigen Fußtritt, worauf der Dämon das Gleichgewicht verlor. MacNeil nutzte die Gelegenheit und sprang auf. Doch als er wieder auf den Beinen stand, war der Dämon auch schon verschwunden, fortgetragen von den drängenden Leibern. Dafür bekam er es nun mit anderen zu tun. MacNeil wischte sich mit dem Ärmel Blut und Schweiß vom Gesicht und verschaffte sich Platz, indem er das Schwert kreisen ließ. Er legte all seine verbliebene Kraft in die Schläge und metzelte Gegner um Gegner nieder.
Die Dämonen kamen inzwischen von allen Seiten und die Nacht war nicht dunkel genug, um das Grauenvolle, das sie anrichteten, zu verbergen. MacNeil kämpfte weiter. Er wusste nicht, wie viele Dämonen er bereits getötet hatte. Mit dem Zählen hatte er längst aufgehört. Es kamen ihm immer mehr vor die Schwertspitze. Beidhändig hielt er das Heft gepackt, und wenn er mit der Klinge auf Dämonenknochen traf, fuhr ihm ein schmerzendes Schüttern durch die Arme. Überall gellten Schreie durch die Nacht; nahebei fluchte jemand unablässig mit heiserer Stimme. Da war das Schluchzen einer Frau zu hören, das schlagartig verstummte. Und so plötzlich, wie sie aufgekreuzt waren, zogen sich die Dämonen wieder zurück und verschmolzen lautlos mit der endlosen Nacht.
MacNeil stützte sich auf sein Schwert und schnappte nach Luft, die schwer nach Blut und Tod stank. Die Muskeln an Armen und Rücken taten unerträglich weh — und er war sterbensmatt. Die Verschnaufpausen zwischen den Attacken der Dämonen wurden immer kürzer. Sie eilten in die Schlacht wie Schweine an den Trog, unersättlich in ihrer Blutgier. So stark er auch war, MacNeil wusste, dass ihm die Kräfte schwanden, eher früher als später.
Schwerfällig richtete er sich auf und schaute in die Runde. Überall lagen Gefallene; die Barrikaden waren fast vollständig eingerissen. Niemand hatte die Kraft, sich um die Verwundeten zu kümmern. Viele Leichen zeigten Fraßspuren. Die Dämonen hatten immer Hunger. Um sich vor der bitterkalten Nacht zu schützen, raffte MacNeil seinen zerrissenen Umhang fester zusammen. Seine Hände zitterten, und das nicht allein vor Kälte. Von einem Sternenlosen Himmel leuchtete der Blaue Mond. Das Finsterholz hatte die Herrschaft an sich gerissen. Königseck wurde von Dämonen belagert. Die kleine Stadt war von der Außenwelt abgeschnitten - wie lange schon, wusste von den Verteidigern kein Einziger mehr. Der Albtraum schien kein Ende zu nehmen, und es war, als hätte es immer schon nichts anderes gegeben. Über dem Finsterholz ging keine Sonne mehr auf; da waren nur die Nacht und attackierende Ungeheuer. MacNeil packte das Schwert fester, doch es konnte ihm keinen Mut mehr machen. Er hatte sich immer für besonders tapfer gehalten, aber das war vor dem Krieg gewesen. Damals hatte er gegen Wegelagerer, Schmuggler und Spione aus Grundland gefochten und über Gefahren nur lachen können. Er war stark und gut und schnell mit dem Schwert und noch nie vor einem Duell zurückgeschreckt. Im Unterschied zu den meisten anderen Gardisten hatte es ihn immer zum Kampfeinsatz gedrängt. Er liebte es, wenn das Blut in Wallung geriet, und war geradezu süchtig nach Ruhm. Dann aber brach der Krieg aus. Er wurde zur Verteidigung von Königseck gerufen und sah sich diesen Horden scheußlicher Kreaturen gegenüber, die in immer größerer Zahl aus der Dunkelheit herbeischwärmten. Er hatte seinen Posten hinter den Barrikaden eingenommen, gefochten und getötet, bis ihm die Arme schmerzten und der Harnisch mit Dämonenblut besudelt war. Doch es half nichts. Aus den eigenen Reihen fiel einer nach dem anderen; es machte sich Verzweiflung breit und die Belagerung wollte nicht enden.
MacNeil lehnte sich an die Barrikade und machte für einen Moment die Augen zu. Vor Müdigkeit zitterte er am ganzen Körper. Schweiß und Blut rannen ihm übers Gesicht. Einem neuerlichen Angriff würde er nicht standhalten können. Unmöglich. Er schlug die Augen wieder auf und warf einen Blick zurück auf die Stadt. Da und dort flackerten aus dem Dunkel ein paar Lampen. Es gab nicht mehr viele, die sich darum kümmerten, Licht zu machen. MacNeil betrachtete sein Schwert. Davon tropfte immer noch das Blut von Dämonen, doch er brachte nicht mehr die Kraft auf, die Klinge sauber zu wischen.
Ja, er hatte sich stets für tapfer gehalten. Fast zwei Jahre lang hatte er den Gesetzen des Königs mit seiner Waffe Nachdruck verliehen, und Verbrecher gejagt, damit auf den Straßen Sicherheit herrschte. Er war stolz auf seinen Mut und seine Kraft, und sie hatten ihn nie im Stich gelassen. Bis er schließlich nach Königseck kam, wo die Dämonen ihn das Fürchten lehrten. So viele er auch von ihnen umbrachte, es kamen immer mehr aus der Dunkelheit nach, getrieben von Hass und Unersättlichkeit. MacNeil gab alles, was er hatte, um sie aufzuhalten, doch es war nicht genug. In Erwartung eines weiteren Ansturms starrte er hinaus in die endlose Nacht. Er rechnete mit seinem baldigen Tod und fürchtete, qualvoll sterben zu müssen.
Die Dämonen hatten ihn tatsächlich das Fürchten gelehrt. Und er wusste mittlerweile, was Panik und Verzweiflung waren.
Er sah auf die aufgebrochene Barrikade und fragte sich, warum er eigentlich noch seine Stellung hielt.
Königseck bedeutete ihm nichts. Sie war eine von vielen kleinen Städten im Hinterland, wichtig allenfalls für ihre Einwohner. Und dass sie früher oder später fallen würde, ließ sich ohnehin nicht vermeiden. "Wenn er bliebe, würde er mit ihr fallen. Wenn er denn bliebe. Er dachte angestrengt nach. Warum sollte er bleiben? Der Hauptmann, von dem er seine Befehle erhalten hatte, war tot. So auch die Mehrzahl der Gardisten. Er würde sich klammheimlich aus dem Staub machen und in der Dunkelheit ungesehen verschwinden können. Niemand würde Notiz davon nehmen. Nur er selbst.
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