»Richtig«, bestätigte sie trocken. »Ich würde mich in der nächsten Sekunde scheiden lassen, wenn ich nicht sicher wäre, daß er die Gelegenheit ausnutzt und mich bis auf den letzten Kredit aussaugt, wenn er schon seine Finger nicht im Familiengeschäft lassen kann. Wir hätten auf Eheverträgen und Gütertrennung bestehen sollen, aber das Testament unseres lieben Herrn Papa ließ das nicht zu. Aber egal. Es ist mein Geschäft, und es ist mein Geld, und Michael kriegt nichts davon in die Finger. Vorher ist er tot und verfault leise in seinem Grab.«
»Na, das ist doch mal eine Idee«, sagte Daniel. Stephanie blickte rasch auf, um zu sehen, ob ihr Bruder den Gedanken aufnahm, aber sie erkannte an seinem gedankenverlorenen Blick, daß er nur höflich gewesen und längst bei einem anderen Thema war. »Stephanie, wie lange müssen wir noch hier auf Technos III bleiben, wenn die Zeremonie vorüber ist?«
»Daniel, das haben wir doch bereits alles besprochen. Mindestens noch zwei Monate, vielleicht sogar drei. Selbst wenn wir die kleine Überraschung mit einrechnen, die wir geplant haben, wird es noch eine Zeitlang dauern, dem lieben Valentin die Kontrolle über die Fabrik zu entwinden.«
»Dazu brauchst du mich nicht hier. Du brauchst mich überhaupt nicht hier. Ich muß weg. Ich habe etwas viel Wichtigeres zu tun.«
»Danny…«
»Unser Vater ist noch immer irgendwo dort draußen. Ich kann ihn finden, ich weiß es. Hinter mir stehen alle Ressourcen der Wolfs.«
»Danny, unser Vater ist tot. Er starb im Kampf mit den Feldglöcks. Du hast nur den Körper gesehen. Was du und ich bei Hof gesehen haben, war ein Geistkrieger, sonst nichts. Ein Körper mit implantierten Lektronen, die ihn in Bewegung halten und sprechen lassen.«
»Nein! Es war er ! Er hat mich erkannt. Er lebt noch und ist in diesem verwesenden Körper gefangen! Ich muß ihn finden, koste es, was es wolle.«
»Hör auf damit, Danny. Unser Vater ist Vergangenheit, in welchem Zustand er sich auch jetzt befinden mag. Wir müssen den Blick in die Zukunft richten. Er hat sich nie um uns geschert. Ihm ging es nur darum, daß jemand die Gene der Familie weitergibt. Ich brauche dich. Ich brauche deine Unterstützung, hier und am Hof. Ich kann Valentin nicht von seinem Sockel stürzen und diese Familie allein regieren. Ich brauche deine Hilfe, Daniel! Ich habe sie immer gebraucht, das weißt du!«
»Warum? Damit ich an deiner Seite stehe und einen guten Eindruck erwecke? Duelle wegen deiner Ehre ausfechte? Dir die Hand halte, wenn die Dinge ein wenig rauh werden? Dazu hast du Michael, und wenn der nichts taugt, kannst du jemand anderen einstellen. Die einzigen wirklichen Kämpfe drehen sich um Geld und Politik, und von beidem habe ich noch nie etwas verstanden. Ich muß gehen, Stephanie. Vater braucht mich. Niemand sonst wird ihm helfen. Die meisten Menschen sind froh, daß er tot ist. Ich bin alles, was er noch hat.«
»Unser Vater ist tot! Wie oft muß ich dir das noch sagen?
Wann geht das endlich in deinen dicken Schädel? Was wir gesehen haben, war nichts als ein billiger Trick von Shub , und du bist darauf hereingefallen.«
»Ich dachte, wenigstens du würdest mir glauben! Du denkst auch, daß ich verrückt bin!«
Daniels Gesicht lief rot an, und er begann zu weinen wie ein Kind. Stephanie seufzte, trat einen Schritt vor und nahm ihn in die Arme. Er hielt sie fest an sich gedrückt, das Gesicht heiß an ihrem Hals.
»Ich kann ihn nicht im Stich lassen«, sagte er mit erstickter Stimme. »Er hat mich noch nie für irgend etwas gebraucht, und er ging und starb, bevor ich ihm Lebewohl sagen konnte. Bevor ich ihm sagen konnte, daß ich ihn liebe.«
»Vergiß Vater«, entgegnete Stephanie. »Du brauchst ihn nicht länger. Du hast jetzt mich.«
Stephanie schob Daniel ein wenig von sich und küßte ihn auf den Mund, mit einer Leidenschaft, die weit über das hinausging, was eine Schwester für einen Bruder empfinden sollte.
Daniel legte die Hände auf ihre Schultern und schob sie sanft, aber bestimmt von sich.
»Nein. Das ist nicht recht, Stephanie.«
»Wir sind Wolfs, Danny. Wir können tun, was immer wir wollen. Wir entscheiden, was recht ist und was nicht.«
»Nicht das. Wir Wolfs haben noch nie… so etwas getan.
Selbst wir müssen bestimmte Regeln befolgen, sonst bricht alles zusammen. Außerdem, wenn es herauskäme, und du weißt, daß es irgendwann herauskäme, würden wir allen Respekt bei den anderen Clans verlieren. Wenn wir zu schwach sind, unser eigenes Verlangen zu kontrollieren, dann sind wir auch zu schwach, unsere Familie zu leiten. Das würden sie denken, und sie hätten recht damit. Ich liebe dich, Stephanie, und ich werde dich immer lieben – als Schwester. Ich werde bei dir bleiben, solange du mich brauchst. Danach bin ich weg.
Versuche nicht, mich daran zu hindern. Ich liebe dich, aber er ist mein Vater.«
»Laß uns gehen«, sagte Stephanie, ohne Daniel anzublicken.
»Wir müssen uns noch mit Kardinal Kassar und dem Halben Mann treffen, bevor die Zeremonie beginnt.«
Am Ende trafen sich alle in der großen Empfangshalle wieder.
Irgendeine optimistische Seele hatte ein paar bunte Flaggen und Banner aufgehängt, und Diener in voller Livree waren damit beschäftigt, ein kleines Büffet vorzubereiten. Es gab auch große Mengen von Wein und Champagner, wenn schon nicht in großer Qualität. Kardinal Kassar schien das meiste davon allein zu trinken. Die Nachricht vom Schicksal seiner Männer in den Tunnels der Rebellen war rasch bis zu ihm vorgedrungen, und obwohl er sich alle Mühe gab, die Aktion jedermann lauthals als einen großen Sieg anzupreisen, schien es klar, daß er niemandem etwas vormachen konnte, nicht einmal sich selbst. Daniel und Stephanie beobachteten ungeduldig, wie der Kardinal sich aufplusterte und eifrig das Glas schwenkte, während er mehr und mehr Einzelheiten von sich gab, die nur seiner Phantasie entsprungen sein konnten. Der Halbe Mann behielt seine Gedanken wie immer für sich, und Investigator Klipp an seiner Seite schwieg diplomatisch.
»Zu Hunderten haben wir die Rebellen niedergemacht«, sagte Kassar gerade laut. »Vielleicht sogar zu Tausenden. Schwer zu sagen, ohne daß man alle Leichen nach oben schafft. Schön, wir haben auch ein paar gute Leute verloren, aber wir sind diejenigen, die Gefangene mit nach Hause gebracht haben. Dreihundertsiebenundzwanzig von ihnen. Ich habe beschlossen, sie alle am Schluß der Zeremonie exekutieren zu lassen. Ein gutes Ende der Schau, und es wird jedermann deutlich zeigen, wer hier auf Technos III das Sagen hat.«
»Ich habe Eure Gefangenen gesehen«, entgegnete Stephanie.
»Beinahe ausschließlich Frauen und Kinder und ein paar verwundete Männer. Das wird sicher einen großartigen Eindruck auf die Milliarden Zuschauer machen. Wollt Ihr nicht noch ein paar kleine Hunde und Katzen vor laufenden Kameras niedermetzeln, um den Eindruck zu vervollständigen? Ich meine, Kinder! Was ist nur in Euch gefahren, Kassar? Konnten Eure Leute nicht genug Krüppel und Zurückgebliebene finden?«
Kassar funkelte Stephanie an. »Ein Rebell ist ein Rebell! Die Exekutionen werden ein Zeichen unserer Autorität setzen und der Moral der Rebellen einen empfindlichen Schlag versetzen.«
»Ich kann nicht sagen, daß ich der gleichen Meinung bin«, meldete sich Daniel zu Wort. »Frauen und Kinder kaltblütig zu ermorden! Das kommt überhaupt nicht beim Publikum an, wißt Ihr?«
»Wir spielen hier nicht nach Euren dekadenten höfischen Regeln, Knabe«, giftete der Kardinal mit gefährlich rotem Gesicht. »Das hier ist Sache der Kirche. Versucht besser nicht, Euch in die Exekutionen einzumischen, oder ich sorge dafür, daß meine Truppen Euch aufgreifen.«
»So viel Tod fasziniert Euch wohl, Kardinal?« fragte Stephanie. »Ihr genießt den Gedanken an das viele Blutvergießen.«
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