Roger Zelazny - Die Burgen des Chaos
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Und du, Brand . . . Mit Bitterkeit erfüllt mich die Erinnerung an dich, wahnsinniger Bruder. Du hättest uns in deinem Ehrgeiz beinahe vernichtet. Fast wäre es dir gelungen, Amber von seinem hohen Thron auf Kolvir zu stürzen. Du hättest sämtliche Schatten vernichtet. Beinahe hättest du das Muster zerstört und das Universum nach deinem Bilde umgeformt. Du warst verrückt und böse, und du kamst der Verwirklichung deiner Ideen so nahe, daß ich selbst jetzt noch zittern möchte. Ich bin froh, daß es dich nicht mehr gibt, daß die Pfeile und der Abgrund dich verschlungen haben, daß du die Welt der Menschen mit deiner Gegenwart nicht mehr beschmutzt und nicht mehr die süße Luft Ambers mit deinem Atem verpestest. Ich wünschte, du wärest nie geboren worden oder wärest, da dies ja nicht möglich ist, früher gestorben. Genug! Es setzt mich herab, solchen Gedanken nachzuhängen. Sei tot und belaste mich nicht mehr!
Ich gebe euch aus wie ein Kartenspiel, meine Brüder und Schwestern. Es ist schmerzlich und ein wenig herablassend, in Verallgemeinerungen zu sprechen, doch ihr . . . ich . . . wir scheinen uns alle verändert zu haben, und ehe ich mich wieder in das Hin und Her einreihe, muß ich einen letzten Blick in die Runde werfen.
Caine, dich habe ich nie gemocht. Ich traue dir auch heute noch nicht. Du hast mich beleidigt und verraten und mir sogar eine beinahe tödliche Wunde beigebracht. Vergessen wir das. Deine Methoden gefallen mir nicht, obgleich ich diesmal an deiner Loyalität nichts aussetzen kann. Also Frieden. Möge die neue Herrschaft mit einem glatten Konto zwischen uns beginnen.
Llewella, du besitzt Charakterreserven, die von der eben überstandenen Situation nicht angezapft worden sind. Dafür bin ich dankbar. Es ist zuweilen sehr angenehm, aus einem Konflikt herauszukommen, ohne auf die Probe gestellt worden zu sein.
Bleys, für mich bist du nach wie vor eine in Licht gehüllte Gestalt – mutig, überschäumend, voreilig. Für die erste Gabe meinen Respekt, für die zweite mein Lächeln. Und die letzte Eigenart scheint sich neuerdings ein wenig abgeschliffen zu haben. Gut. Halte dich künftig von Verschwörungen fern. Sie stehen dir nicht.
Fiona, du hast dich am meisten verändert. Ich muß an die Stelle des alten Gefühls ein neues stellen, Prinzessin, da wir zum erstenmal Freunde geworden sind. Nimm meine Zuneigung an, Zauberin. Ich bin dir einiges schuldig.
Gérard, bedächtiger, treuer Bruder, wir beide haben uns wohl am wenigsten verändert. Du hast fest dagestanden wie ein Felsen und bist dem treu geblieben, an was du geglaubt hast. Möge es geschehen, daß du dich künftig nicht so leicht täuschen läßt. Möge ich nie wieder mit dir aneinandergeraten. Fahre in deinen Schiffen über die Meere und atme die klare Salzluft.
Julian, Julian, Julian . . . Kann es sein, daß ich dich nie richtig gekannt habe? Nein. Ardens grüner Zauber muß deine alte Eitelkeit während meiner letzten langen Abwesenheit gemäßigt haben, einen gerechteren Stolz zurücklassend und etwas, das ich Fairneß nennen möchte – etwas, das nicht gleich Großmut ist, doch immerhin eine Ergänzung deiner Charakterzüge, die ich nicht herabwürdigen will.
Und Benedict, die Götter wissen, daß du weiser wirst, während die Zeit der Entropie entgegenbrennt und sich verzehrt, doch übersiehst du in deinem Wissen um die Menschen noch immer einzelne Exemplare der Spezies. Vielleicht sehe ich dich einmal lächeln, nachdem diese Schlacht nun geschlagen ist. Komm zur Ruhe, Krieger!
Flora . . . die Freundlichkeit, so heißt es, beginnt zu Hause . . . Du scheinst mir nicht schlimmer zu sein als vor langer Zeit, da ich dich kennenlernte. Es ist nichts anderes als ein sentimentaler Traum, dich und die anderen so abzuhaken, wie ich es tue, die Bilanzen zu erstellen und abzuschließen, mit dem Auge auf positive Posten gerichtet. Wir sind keine Feinde mehr, wir alle nicht, und das müßte genügen.
Und der schwarz und silbern gekleidete Mann mit der Silberrose? Er möchte gern glauben, daß er seine Lektion des Vertrauens gelernt hat, daß er seinen Blick in einem klaren Quell gereinigt hat, daß er ein paar Ideale hat aufpolieren und sich bewahren können. Wie auch immer. Mag sein, daß er nach wie vor nur ein kaltschnäuziger Störenfried ist, hauptsächlich geübt in der unwichtigen Kunst des Überlebens, so blind, wie er es in den Verliesen war. Ach was! Laß es dabei bewenden, laß es ruhen! Ich bin wohl nie mit ihm zufrieden.
Carmen, voulez-vous venir avec moi? Dann ein Lebewohl auch dir, Prinzessin des Chaos. Es hätte hübsch sein können.
Noch einmal dreht sich der Himmel, und wer vermag zu sagen, auf welche Taten sein Buntglas-Licht herabscheint? Die Patience ist ausgelegt und gespielt. Wo zuvor neun von uns gewesen waren, gibt es nur noch sieben und einen König. Doch sind Merlin und Martin bei uns, neue Spieler des sich fortsetzenden Spiels.
Meine Kräfte kehren zurück, während ich in die Asche starre und den Weg überdenke, den ich zurückgelegt habe. Der vor mir liegende Pfad interessiert mich, von der Hölle zum Hallelujah. Ich habe meine Augen wieder, meine Erinnerungen und meine Familie. Und Corwin wird stets Corwin sein, selbst am Tage des Jüngsten Gerichts.
Merlin beginnt sich zu bewegen, und das ist gut. Es ist Zeit aufzubrechen. Es gibt zu tun.
Nachdem Random das Unwetter bezwungen hatte, kam er noch einmal zu mir, um mit mir gemeinsam durch seinen Trumpf an Gérard heranzutreten, gestärkt durch das Juwel. Sie sind wieder kalt, die Karten, und die Schatten sind genau das, was sie früher waren. Amber hat Bestand. Jahre sind vergangen, seit wir es verließen, und weitere mögen ins Land gehen, ehe ich dorthin zurückkehre. Die anderen sind vielleicht durch ihre Trümpfe schon wieder zurückgekehrt, wie Random es getan hat, um seine Aufgaben in Angriff zu nehmen. Ich aber muß jetzt die Höfe des Chaos besuchen, die Trutzburgen und Zitadellen am Abgrund, denn ich habe versprochen, ich würde es tun, außerdem braucht man mich dort vielleicht.
Wir machen unsere Sachen fertig, Merlin und ich, und bald wird er seine durchscheinende Straße herbeirufen.
Wenn an jenem Ort alles erledigt ist und wenn Merlin sein Muster durchschritten hat und losgezogen ist, um seine Welten zu erobern, muß ich eine Reise machen. Ich muß jenen Ort aufsuchen, an dem ich den Ast des alten Ygg einpflanzte. Ich muß den Baum besuchen, zu dem er herangewachsen ist. Ich muß nachschauen, was aus dem Muster geworden ist, das ich unter dem Gurren der Tauben der Champs-Élysées schuf. Wenn dieses Muster mich in ein anderes Universum führt, wovon ich inzwischen überzeugt bin, dann muß ich dorthin gehen, muß ich sehen, was ich habe erstehen lassen, wie meine Schöpfung geworden ist.
Die Straße schwebt vor uns, den fernen Burgen entgegensteigend. Die Zeit ist gekommen. Wir steigen in die Sättel und reiten los.
Wir bewegen uns über die Schwärze auf einer Straße, die mir sehr brüchig vorkommt. Feindliche Zitadelle, eroberte Nation, Falle, Heimat meiner Urväter . . . Wir werden sehen. Von Zinnen und Balkonen flackert es schwach herüber. Vielleicht kommen wir sogar noch zu einer Beerdigung zurecht. Ich richte mich auf und lockere die Klinge in der Scheide. Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir am Ziel.
Lebe wohl und hallo, wie immer!
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