»Gut«, sagte Hci. Dann wendete er seine Kaiila, hielt sie dann aber noch einmal an. »Mahpiyasapa ist zurückgekehrt«, sagte er. »Er und Kahintokapa von den Gelben Kaiilareitern leiten unsere Abwehr. Sorgen macht uns nur die mögliche Rückkehr der Kinyanpi, der Fliegenden.«
»Darf ich etwas sagen?« fragte ich.
»Ja«, sagte Hci.
»Gegen die Fliegenden kann man sich zur Wehr setzen«, führte ich aus. »Watonka und seine Begleiter trugen gelbe Tücher oder Schärpen, um von den Kinyanpi erkannt zu werden. Deine Krieger könnten sich dieses Tricks bedienen. Dann wissen die Kinyanpi nicht mehr, auf wen sie schießen sollen, besonders im Kampfgetümmel. Außerdem solltest du dir überlegen, Bogenschützen in die Anflugbereiche zu entsenden; damit lassen sich die eigenen Reiter schützen. Geschärfte Pflöcke können Tarnangriffe verhindern. Seile, die man zwischen Zelten spannt, behindern Tiefflug-Attacken und versuchte Landungen. Tücher und andere Tarnflächen, selbst wenn man sie nur hier und dort spannt, bilden Verstecke und tarnen, was sich darunter befindet, besonders aus großen Höhen; andere solche Konstruktionen lenken Bogenschützen aus der Luft ab, die kein sicheres Ziel mehr finden.«
»Hast du solche Maßnahmen als wirkungsvoll erlebt?« fragte Hci.
»Ja«, antwortete ich.
»Ich spreche mit Mahpiyasapa«, sagte Hci.
»Grunt ist mein Freund«, fuhr ich fort. »Ist er mit Mahpiyasapa ins Lager zurückgekehrt?«
»Ja, er ist bei uns.«
»Gut.«
»Hci«, sagte Cuwignaka.
»Ja?« fragte Hci.
»Was ist mit Watonka?« erkundigte sich Cuwignaka. »Kämpft er auf Seiten der Gelbmesser?«
»Ich hatte die Absicht, ihn zu töten«, sagte Hci. »Deswegen ritt ich ins Lager der Isanna. Ich fand ihn dort. Er war bereits tot, ebenso wie etliche andere. Ich glaube, sie wurden von den Gelbmessern umgebracht, die man ins Lager gelassen hatte. Sie waren nicht an Pfeilschüssen gestorben, sondern an Messerwunden. Außerdem waren die Gelbmesser verschwunden. Vermutlich geschah es, als der Angriff der Kinyanpi begann. Da brauchte man ihn nicht mehr.«
»Und Bloketu?« fragte Cuwignaka.
»Die Verräterin?«
»Ja, Bloketu, die Verräterin!«
»Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist«, sagte Hci.
»Du hast sie nicht unter den Toten gefunden?«
»Nein.«
»Dann müssen die Gelbmesser sie mitgenommen haben.«
»Mag sein«, sagte Hci.
Ich glaube ziemlich sicher zu wissen, was aus der hübschen verratenen Verräterin geworden war. Ich erinnerte mich an das aufgerollte dünne Seil, das ihre Zofe Iwoso an der Hüfte getragen hatte. Wegen ihrer Teilnahme an dem Überfall war Iwoso bei den Gelbmessern jetzt sicher eine wichtige Frau – eine hochstehende Dame, der natürlich eine Zofe zustand.
»Da du nur eine Frau und Sklavin bist«, sagte Hci, »würde ich dir raten zu fliehen, zumal du jetzt eine Kaiila besitzt.«
»Vielen Dank für deinen fürsorglichen Rat«, sagte Cuwignaka. Und wirklich – ich konnte mir vorstellen, daß Hci auf seine Art höflich und rücksichtsvoll gegen uns sein wollte. In seiner Vorstellung war Cuwignaka eben vorwiegend eine Frau – während ich für ihn natürlicherweise ein Versklavter war. Cuwignaka verstand seine Bemerkung also richtig als hilfreichen Rat für uns beide. Wir schienen hier einen neuen Hci vor uns zu haben, der weitaus weniger eitel und arrogant war als der alte.
»Wenn du dich andererseits in die Gegend des Ratszelts begeben möchtest, um dich dort zu den Frauen und Kindern zu kauern, kannst du das gern tun«, fuhr der junge Krieger fort. »Im Augenblick ist der Weg zum Ratszelt noch frei.«
»Vielen Dank«, sagte Cuwignaka.
»Aber bald wird es dort zu Kämpfen kommen.«
»Verstanden«, sagte Cuwignaka.
Hci wendete seine Kaiila und ritt davon.
»Hast du vorhin die Bewegung seines Schildes bemerkt?« fragte Cuwignaka.
»Ja«, antwortete ich, »und ich habe so etwas nie gesehen. Es ist unheimlich.«
»Ich habe Angst«, sagte Cuwignaka.
Ein kalter Schauder lief mir über den Rücken. Aber ich nahm mich zusammen. Der Himmel war strahlend hell. Flauschige weiße Wolken bewegten sich über uns. Es war ein guter Tag für das Kämpfen.
»Reiten wir zum Ratszelt oder fliehen wir?« fragte ich.
»Diese Frage werden wir entscheiden, wie es sich für einen Angehörigen meines Volkes geziemt«, antwortete Cuwignaka. »Siehst du den einsamen Flieger am Himmel?«
»Ja«, sagte ich.
»Sollte er nach Norden oder Westen fliegen«, sagte er, »reiten wir zum Ratszelt.«
»Und wenn er sich nach Süden oder Osten wendet?«
»Dann reiten wir zum Ratszelt«, sagte Cuwignaka.
»Der Vogel fliegt nach Norden«, bemerkte ich.
»Dann ist die Sache ja entschieden. Zum Ratszelt!«
»Ich hoffe, daß es dazu kommen würde«, sagte ich.
»Ich auch«, sagte Cuwignaka.
»Ein sehr schlauer Flieger.«
Wir rückten unsere Waffen zurecht.
»Reiten wir«, sagte ich.
»Was ist mit denen?« fragte Cuwignaka und deutete mit seiner Lanze auf die drei Sklavinnen, die von den Gelbmessern bewacht worden waren.
»Wir lassen sie hier zurück«, sagte ich zu Cuwignaka. »Es sind ja nur Sklavinnen.«
»Das bin ich auch, Herr«, warf Wasnapohdi ein und schaute zu mir auf.
»Du darfst uns begleiten«, sagte ich.
»Danke, Herr.«
»Gut gemacht!« rief ich Cuwignaka zu.
Beim Aufprall von Schild und Lanze hatte seine Kaiila den Halt verloren, war herumgefahren und hatte sich auf die Hinterhand niedergesetzt. Cuwignaka geriet nicht aus dem Gleichgewicht, sondern konnte sich halten. Während sich sein Tier wieder aufrappelte, hatte er einen vorbeigaloppierenden Gelbmesser unterhalb des Schildes getroffen. Der Schwung des Angreifers hatte Cuwignaka zur Seite herumgezogen, doch wieder ließ er sich nicht vom Kaiilarücken drücken. Aus der gleichen Bewegung heraus war der Gelbmesser wieder von der Lanzenspitze geglitten und gleich darauf in den Sand gestürzt.
Ich schaute mich um.
Rechts von mir kämpften Hci und Cuwignaka beinahe Seite an Seite.
Ich schlug eine heranzuckende Gelbmesser-Lanze zur Seite, deren Spitze eine Furche durch meinen Lederschild zog. Zwischen den Kaiila waren auch Männer zu Fuß in Zweikämpfe verwickelt, Gelbmesser und Kaiila. Mein Angreifer zog seine Kaiila im gleichen Moment herum, wie ich mein Tier in die neue Richtung brachte. Lanzen prallten gegen Schilde, und wieder waren wir auseinander. Schrille Schreie gellten durch die Luft. Die roten Wilden sind es nicht gewöhnt, ihre Kämpfe in würdigem Schweigen zu absolvieren. Ihr Geschrei hat natürlich auch einen Zweck. Es soll das Aggressionsgefühl steigern und Emotionen ablassen. Auch hilft der Lärm vielleicht dabei, den Gegner einzuschüchtern und zu behindern, indem er nämlich die eigene Seite schrecklicher und unbesiegbarer erscheinen läßt, als sie wirklich ist. Ein solcher Kriegslaut, wird er überraschend ausgestoßen, kann einen Gegner schon vorübergehend erstarren lassen, was dann zu einem kurzen Angriffsvorteil führt. Ähnliche Erscheinungen gibt es auch in der Tierwelt, beispielsweise bei Larls, die ihre Opfer auf diese Weise erschrecken.
»Vorsicht!« rief ich.
Eine Kaiila drehte sich und empfing den Canhpi-Schlag eines Gelbmessers auf dem Schild.
Ich riß mein Bein hoch, das blutüberströmt war. Mit dem Speerschaft hieb ich nach rechts. Ein zu Fuß kämpfender Gelbmesser torkelte rückwärts, wurde von den Vorderhufen einer anderen Gelbmesser-Kaiila getroffen und ging zu Boden.
Plötzlich saß meine Lanze zwischen meinem Tier und dem eines anderen Kriegers fest, ein Kaiila-Kämpfer. Es dauerte einen Augenblick, ehe ich sie wieder freibekam.
Ich sah, wie Cuwignaka einen gegen Hci geführten Angriff abwehrte, indem er seinen Schild hob und praktisch gewaltsam zwischen Hci und den Angreifer ritt. Hci war unterdessen damit beschäftigt, einen Angreifer zu seiner Rechten fortzustoßen.
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