„Das wird sich finden!“ Und schon wird es gebracht.
Trurl nimmt sich einen Stuhl und diktiert einer mechanisierten Sekretärin: „Betreffs der Mietsache Faszikel der Kammer WZRTSP 7 Schrägstrich 2, Schrägstrich KK, Schrägstrich 405 wird hiermit festgestellt, daß die Weigerung des Beklagten, der Kündigung Folge zu leisten, eine eindeutige Verletzung des Paragraphen 199 darstellt sowie den Tatbestand einer besonders verwerflichen Ordnungswidrigkeit erfüllt, die das Erlöschen sämtlicher Leistungen hic et nunc sowie deren Desummation im Sinne der Verordnung 67
DWFK
389 nach sich zieht. Gegen diesen Beschluß kann der Beklagte innerhalb von 24 Stunden im außerordentlichen Verfahren Berufung beim Vorsitzenden der Kammer einlegen.“
Trurl setzte einen Stempel darunter, versiegelte das Schreiben, ließ es ins Hauptbuch sowie in die Registratur eintragen und sagte: „Jetzt soll es der Postbote zustellen.“
Der Postbote nimmt das Schreiben und macht sich auf den Weg; sie warten und warten, und schließlich ist er zurück.
„Hast du es abgegeben?“ fragt Trurl.
„Jawohl. „
„Und wo ist der Rückschein?“
„Hier, in dieser Spalte ist die Unterschrift, und hier ist auch der Brief, in dem Berufung eingelegt wird.“
Trurl nimmt den Brief, ohne ihn zu lesen, und schreibt quer über den Umschlag: „Zurück an Absender! Kann nicht berücksichtigt werden! Formblätter ungültig!“ Darunter setzt er eine völlig unleserliche Unterschrift.
„Und jetzt“, sagte er, „ans Werk!“
Er setzt sich und schreibt eifrig, während die Stahlagmiten zuschauen, nichts verstehen und neugierig fragen, was er da eigentlich mache, und was dabei herauskommen solle.
„Amtsgeschäfte“, sagt Trurl, „und da sie einmal angefangen haben, werden sie auch gut ausgehen.“
Der Briefträger läuft den ganzen Tag wie ein Besessener hin und her; Trurl stellt richtig, erklärt für nichtig, brütet über Schriftstücken, sucht fieberhaft Gesetzeslücken, die mechanisierte Sekretärin liest die Kartei Kasten für Kasten und hämmert in die Tasten; so entsteht nach und nach ein komplettes Büro mit Eingangsstempeln, Aktenordnern, Heftklammern, Ablagen, Ärmelschonern aus steifem Leinen, Schnellheftern, Aschenbechern, Teelöffeln, Schildern „Zutritt verboten“, Tintenfässern und Federmessern; es gibt immer mehr zu schreiben, das Personal muß länger bleiben, schließberall sieht man Akten mit Kaffeeflecken an allen Ecken, qualmende Aschenbecher und überquellende Papierkörbe. Die Stahlagmiten werden unruhig, denn sie verstehen nichts mehr, während Trurl virtuos mit gebührenpflichtigen Einschreiben und Nachnahmen hantiert oder seine stärkste Waffe — den Zahlungsbefehl — einsetzt. Er verschickt Unmengen von Mahnungen, Aufforderungen und Verfügungen und richtet auch spezielle Konten ein, auf denen zwar nur Nullen stehen, doch das, sagt er, sei nur vorübergehend. Nach einiger Zeit sieht das Ding da gar nicht mehr so schrecklich und furchteinflößend aus, besonders wenn man es im Profil betrachtet. Kein Zweifel, es ist kleiner geworden! Aber ja, es ist längst nicht mehr so groß wie früher! Und die Stahlagmiten fragen Trurl, wie es weitergehen soll.
„Nicht stören, Amtsgeschäfte!“ gibt er zurück. Er heftet, stempelt, prüft Belege, leitet Schritte in die Wege, streicht pauschal, erklärt für legal, wühlt in alten Dokumenten, nur herein mit dem Petenten, halt, mein Herr, ich bitte sehr, jetzt ist kein Publikumsverkehr, auf Trurls Weste Speisereste, der Kaffee ist schal, kommen Sie ein andermal, überall $pinnweben, in der Schublade ein paar alte Nylons der mechanisierten Sekretärin, Trurl schiebt alles auf die lange Bank, bestellt dreizehn Stühle und einen Schrank, ein Beamter wird bestochen, ein anderer muß Kaffee kochen, Übeltäter kommen hinter Schloß und Riegel, das letzte Schreiben hat sieben Siegel.
Und die mechanisierte Sekretärin tippt: „Unter Bezugnahme auf das Versäumnis des Beklagten, seine obengenannten Ansprüche (Akt.z. 3AZR 574
81) fristgerecht zu erneuern bzw. neu zu begründen, ergeht gemäß Z.bef. 3SS 757
81 sowie gestützt auf das Urteil der 2. Kosm. Verw. K. durch die dritte Kammer O.K.V.K. der Beschluß zur unverzügl. Evakuation und Räumung ob. gen. Terr. durch d. Bekl. Eine Berufung vonseiten des Beklagten gegen dieses Urteil ist unzulässig.“
Trurl schickt den Briefträger los, erhält wenig später eine Quittung und steckt sie in die Tasche. Dann steht er auf und wirft nacheinander die Schreibtische, Stühle, Stempel, ja sogar das Siegel, die Aktenordner und den Kaffee hinaus in den Kosmos. Nur die mechanisierte Sekretärin darf bleiben. „Um Himmels willen, was tust du da?“ rufen die Stahlagmiten empört, die sich schon so an all diese Dinge gewöhnt haben.
„Wir wollen doch nicht übertreiben, meine Lieben!“ sagt er. „Schaut euch lieber das Ungeheuer an!“
Und tatsächlich, sie schauen und ringen nach Luft vor Erstaunen, es ist nicht mehr da, es ist weg, als sei es niemals dort gewesen. Und wohin ist es gegangen, hat es sich etwa in Luft aufgelöst? Zur schändlichen Flucht hat es sich gewandt und ist so winzig klein geworden, daß man es mit der Lupe suchen muß. Sie stellen die ganze Gegend auf den Kopf, sie suchen Spuren und finden doch nur einen feuchten Fleck, irgendetwas muß dort getröpfelt haben, doch wann und wie, das können sie nicht sagen, und damit hat die Sache ein Ende.
„Alles lief so, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt Trurl zu ihnen. „Im Grunde, meine Lieben, war die Sache recht einfach, als das Ungeheuer das erste Schreiben entgegen— nahm und eine Quittung ausstellte, da hatte es bereits verloren. Ich habe mich einer speziellen Maschine bedient, einer Maschine, die mit einem großen „B“ beginnt, und mit ihr ist noch niemand fertiggeworden, solange der Kosmos Kosmos ist. „
„In Ordnung, doch weshalb mußtest du die Akten hinauswerfen und den Kaffee dazu?“
„Damit nicht auch ihr von dieser Maschine gefressen werdet!“ gibt Trurl zurück. Er nimmt die mechanisierte Stenotypistin mit sich, fliegt fort und nickt ihnen zum Abschied freundlich zu — und sein Lächeln ist strahlend wie die Sterne.
Die fünfte Reise oder Die Possen des Königs Balerion
Nicht durch Grausamkeit machte Balerion, Herrscher der Kymbronen, seinen Untertanen das Leben schwer, sondern durch seine Vorliebe für munteren Zeitvertreib. Und es waren wiederum nicht wilde Gelage oder nächtliche Orgien, die dem König am Herzen lagen, sondern Spiele der unschuldigsten Art: Sackhüpfen, Hinke-Pinke oder Murmelspiel von Mitternacht bis in den frühen Morgen, ferner Bockspringen und Messerwerfen, mehr als alles andere aber liebte er das Versteckspiel. Wann immer eine wichtige Entscheidung getroffen, ein Dekret von staatspolitischer Bedeutung unterzeichnet, interstellare Gesandte empfangen oder dem Feldmarschall eine Audienz gewährt werden mußte, pflegte sich der König zu verstecken und erteilte allen Höflingen unter Androhung grausamster Strafen den Befehl, nach ihm zu suchen. Bei solchem Anlaß rannte der gesamte Thronrat kreuz und quer durch den Palast, watete durch den Schloßgraben, schaute unter die Zugbrücke, durchkämmte sämtliche Türme und Zinnen, klopfte die Wände ab und stellte den Thron auf den Kopf; oftmals dauerten diese Suchaktionen sehr, sehr lange, denn der Monarch dachte sich immer neue Verstecke aus. Einmal konnte ein schrecklich wichtiger Krieg nur deshalb nicht erklärt werden, weil der König, geschmückt mit Glasflitter und Kristallgehängen, drei Tage unter der Decke des Prunk-Saals hing und von jedermann für einen Kronleuchter gehalten wurde, während er sich beim Anblick der verzweifelt hin und her rennenden Höflinge ins Fäustchen lachte. Wer den Monarchen fand, erhielt sogleich den Ehrentitel eines Königlichen Entdeckers — es gab bereits siebenhundertsechsunddreißig Würdenträger dieser Art. Wer aber die besondere Gunst des Königs gewinnen wollte, der mußte ihm die Zeit mit einem neuen Spiel vertreiben, das Balerion noch nicht kannte. Und das war alles andere als einfach, denn der Monarch war äußerst versiert auf diesem Gebiet; er kannte all die alten Spiele, wie Gerade-oder-ungerade, er kannte aber auch die neuesten, wie Elektronenkreiseln, ja von Zeit zu Zeit sagte er, alles sei nur ein Spiel, sowohl sein königliches Regiment als auch die ganze weite Welt.
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