»Ach was«, sagte der Imperator verächtlich. »Wir werden von diesem Sturm kaum etwas mitbekommen, solange wir uns hier aufhalten. Diese Fremenbrut wird es sowieso nicht wagen, anzugreifen, solange ich mich mit fünf Legionen Sardaukar hier aufhalte.«
»Natürlich nicht, Majestät«, beeilte sich der Baron zu versichern, »aber gutgemeinte Vorsichtsmaßnahmen kann man schlecht tadeln.«
»Aha«, sagte der Herrscher. »Tadeln. Dann soll ich also vermeiden, darüber zu sprechen, wieviel Zeit und Geld mich dieser ganze Arrakis-Unsinn bereits gekostet hat? Oder wie wenig die MAFEA in letzter Zeit aus diesem Planeten herausgepreßt hat? Und auch nicht von den Veranstaltungen bei Hof, die ich verschieben — oder gar absagen mußte, bloß weil dieser Unsinn meine Zeit auffrißt?«
Der Baron senkte erneut den Blick. Die Wut des Kaisers flößte ihm Furcht ein. Seine Position war im Moment mehr als unsicher, das sah er ein. Er konnte nur auf die Große Konvention und die Dictum Familia vertrauen.
Hat er vor, mich umbringen zu lassen? fragte er sich. Das kann er nicht tun! Jedenfalls nicht, solange die Flotte der anderen Häuser um Arrakis kreist und darauf wartet, aus diesem angeblichen Unsinn Gewinn zu ziehen.
»Haben Sie Geiseln genommen?« fragte der Imperator.
»Das ist zwecklos, Majestät«, erwiderte der Baron. »Sobald wir jemanden gefangennehmen, halten diese Fremen sofort eine Trauerfeier ab. Gefangene sind für sie bereits gestorben.«
»Tatsächlich?« fragte der Imperator.
Der Baron wartete, schaute nach rechts und links, musterte die metallenen Wände des Selamliks, die einen solchen Reichtum repräsentierten, daß sogar er davon eingeschüchtert wurde. Er hat alles mitgebracht, dachte er, vom Pagen bis zur Konkubine. Unter seinen Leuten sind Diener und Friseure, Schneider und deren Anhang und Frauen. Die ganzen höfischen Parasiten und Speichellecker. Alle sind sie hier, intrigieren und schmarotzen, weil sie darauf warten, daß er dieser Affäre ein Ende bereitet, damit sie anschließend darüber auf ihren idiotischen Partys schwätzen können.
»Möglicherweise haben Sie nie die richtigen Geiseln genommen«, sagte der Imperator plötzlich.
Er weiß etwas, vermutete der Baron. Die Angst saß plötzlich wie ein Stein in seinem Magen, und er konnte den Gedanken an etwas zu essen kaum noch unterdrücken. Ja, das Gefühl erinnerte ihn an den Hunger, der ständig in ihm brannte. Er hätte alles für eine Mahlzeit gegeben, aber zur Zeit befand sich niemand in der Nähe, der seinen Anweisungen gefolgt wäre.
»Haben Sie irgendeine Vermutung, wer dieser Muad'dib sein könnte?« fragte der Imperator.
»Bestimmt ein Angehöriger der Umma«, erwiderte der Baron. »Ein fremenitischer Fanatiker, ein religiöser Abenteurer. Man hat regelmäßig mit solchen Spinnern zu tun, wenn man sich am Rande der Zivilisation aufhält. Aber das brauche ich Eurer Majestät nicht zu erklären.«
Der Imperator tauschte einen Blick mit der Wahrsagerin und sah den Baron dann finster an. »Und sonst wissen Sie wirklich nichts über diesen Muad'dib?«
»Es ist ein Verrückter«, versicherte der Baron. »Alle diese Nomaden sind nicht ganz normal.«
»Ein Verrückter?«
»Die Fremen rufen seinen Namen, wenn sie sich in eine Schlacht stürzen. Sogar ihre Frauen … sie werfen uns ihre Babys entgegen und rennen in unsere Messer, bloß um eine Bresche in unsere Reihen zu schlagen, damit ihre Männer um so besser nachsetzen können. Sie haben überhaupt keinen — Selbsterhaltungstrieb.«
»Das ist ja wirklich schrecklich«, erwiderte der Imperator zynisch. »Sagen Sie mal, mein lieber Baron, haben Sie je den Versuch unternommen, die südlichen Polarregionen von Arrakis zu erforschen?«
Die Tatsache, daß der Imperator so plötzlich das Thema wechselte, verwirrte den Baron zutiefst. Verlegen stotterte er: »Äh, nun, Majestät … Sie müssen wissen, daß die gesamte Südregion unbewohnbar ist … und daß es dort von Würmern nur so wimmelt. Man hat dort keinerlei … äh … Schutz vor den Stürmen und … es gibt dort auch kein Gewürz.«
»Sie haben also noch nichts davon gehört, daß es dort unten grüne Zonen geben soll?«
»Es hat schon immer solche Berichte gegeben, Majestät. Vor langer Zeit hat man Vorstöße in diese Gebiete unternommen. Man hat ein paar Grünpflanzen gesehen, aber die vielen Thopter, die man bei diesen Erkundungsreisen verloren hat, haben uns zu der Ansicht gelangen lassen, daß derartige Unternehmungen zu kostspielig sind, um sie fortzusetzen. Es ist einfach so, daß die Südregion von Arrakis zu unwirtlich ist, um dort Menschen anzusiedeln.«
»Soso«, meinte der Imperator. Er schnippte mit den Fingern, und links von seinem Thron öffnete sich eine Tür. Zwei Sardaukar, die ein etwa vier Jahre altes Mädchen zwischen sich führten, traten ein. Das Kind trug eine schwarze Aba, hatte die Kapuze seiner Robe zurückgeschlagen. Seine Augen besaßen die typische volle Bläue der Fremen und starrten die Anwesenden aus einem runden, weichen Gesicht an. Dem Baron fiel sofort auf, daß das Mädchen keinerlei Angst verspürte — und dies erzeugte in ihm ein seltsames Gefühl, für das er keine Worte fand.
Selbst die alte Wahrsagerin zuckte zurück, als das Mädchen an ihr vorbeigeführt wurde. Sofort machte sie das abwehrende Zeichen gegen den bösen Blick. Es war offensichtlich, daß die alte Hexe ebenfalls Angst hatte.
Der Imperator räusperte sich, aber bevor er etwas sagen konnte, öffnete das kleine Mädchen den Mund und sagte in einem klaren, wenn auch einem kindhaften Lispeln ähnlichen Tonfall: »Das ist er also.« Sie ging bis an den Rand des Throns heran, musterte den Baron und meinte: »Er ist wirklich nicht mehr als ein fetter alter Mann, der seine Massen nur mit Hilfe von Suspensoren in Bewegung bringen kann.«
Der Baron war über diese Feststellung aus dem Mund eines Kindes derart beeindruckt, daß er sich nicht in der Lage fühlte, zu antworten. Sprachlos starrte er sie an, während die Wut in ihm aufstieg. Ist es eine Zwergin? fragte er sich.
»Mein lieber Baron«, sagte der Imperator, »ich mochte Sie mit der Schwester des Muad'dib bekannt machen.«
»Der Schwes…« Der Baron verstummte und starrte seinen Herrscher an. »Ich verstehe nicht.«
»Ich gehöre ebenfalls zu jenen Menschen, die anständig getroffene Vorsichtsmaßnahmen zu schätzen wissen«, eröffnete ihm der Imperator. »Mir wurde berichtet, daß Ihre angeblich unbewohnten Südregionen eine ganze Menge Anzeichen menschlicher Besiedlung zeigen.«
»Aber … das ist unmöglich!« protestierte der Baron heftig. »Die Würmer … es ist doch klar, daß dort …«
»Die Fremen scheinen da anderer Meinung zu sein«, sagte der Imperator.
Das kleine Mädchen hatte sich auf den Rand des Podiums gesetzt, auf dem der kaiserliche Thron stand und ließ die Beine herunterbaumeln. Offenbar war sie von ihrer Umgebung nicht im geringsten beeindruckt.
Der Baron starrte verwirrt auf die baumelnden Beine. Das Kind trug Sandalen.
»Unglücklicherweise«, fuhr der Imperator unbeeindruckt fort, »habe ich nur fünf Truppentransporter ausgeschickt, um einige Gefangene zu machen. Zurückgekehrt ist nur ein einziger Transporter. Und mit ihm drei Gefangene. Können Sie sich vorstellen, Baron, daß meine Sardaukar von einer Gruppe von Frauen, Kindern und Greisen überwältigt wurden? Dieses Kind hier kommandierte eine Truppe!«
»Da sehen Sie es«, keuchte der Baron entsetzt. »Jetzt wissen Sie es selbst, wie diese Leute sind!«
»Ich habe mich freiwillig in Gefangenschaft begeben«, sagte das Kind plötzlich. »Ich wußte nicht, wie ich vor meinen Bruder treten und ihm sagen sollte, daß sein Sohn nicht mehr lebt.«
»Nur eine Handvoll meiner Männer konnte entkommen«, sagte der Imperator. » Entkommen! Sagt Ihnen das etwas?«
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