»Ich habe, was diese Außenweltgeschäfte angeht, keinerlei Erfahrung«, gab Stilgar zu. »Ich habe zwar von ihnen gehört, aber es scheint mir unwahrscheinlich, daß …«
»Um sich auszurechnen, was sie tun, braucht man keine Erfahrung«, warf Gurney ein.
»Sie ziehen jetzt eine neue Flagge an dem großen Schiff auf«, meldete der Posten. »Sie ist gelb, mit schwarzen und roten Kreisen in der Mitte.«
»Das ist ja etwas völlig Neues«, gab Paul zu. »Die Flagge der MAFEA-Gesellschaft.«
»Es ist die gleiche wie auf allen anderen Schiffen«, sagte der Posten.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Stilgar.
»Das ist in der Tat ungewöhnlich«, gab auch Gurney zu. »Hätte der Imperator das Banner der Atreides hissen lassen, hätte er sich auch danach richten müssen. Aber es sind zu viele Beobachter in der Gegend. Er hätte auch die Harkonnen-Flagge aufziehen lassen können. Aber nein — er nimmt die der MAFEA. Und er sagt den Leuten dort oben damit …«, Gurney zeigte auf den Himmel, »… wo der Profit zu machen ist. Er deutet damit an, daß es ihm egal ist, ob sich hier ein Atreides befindet oder nicht.«
»Wie lange dauert es noch, bis der Sturm den Schildwall erreicht?« fragte Paul.
Stilgar wandte sich ab, stellte dem Fedaykin an den Geräten eine Frage und kehrte zurück. »Es dauert nicht mehr lange, Muad'dib. Er nähert sich schneller, als wir zuerst angenommen haben. Er wird schreckliche Ausmaße haben. Vielleicht größere, als wir uns wünschten.«
»Es ist mein Sturm«, sagte Paul und sah die Spannung auf den Gesichtern der ihn umgebenden Kämpfer. »Und selbst, wenn er die ganze Welt zum Erzittern bringt, kann er nicht so stark sein, wie ich ihn mir wünsche. Wird er den Schildwall mit voller Kraft treffen?«
»Er wird nahe genug herankommen, um einen Unterschied nicht merkbar werden zu lassen«, erwiderte Stilgar.
Aus dem Loch, das in das Becken hinausführte, kroch ein Kurier und sagte: »Die Patrouillen der Sardaukar und Harkonnens ziehen sich zurück, Muad'dib.«
»Sie rechnen vermutlich damit, daß der Sturm die Sicht für uns erheblich verschlechtern wird«, vermutete Paul. »Ihr müßt, sobald der Sturm ihren Schild zerstört hat, sofort jeden einzelnen Schiffsbug treffen.« Er schob das Zeltdach beiseite und schaute zum Himmel hinauf, wo die ersten Anzeichen des Sturms bereits deutlich zu erkennen waren. Schließlich verschloß er das Dach wieder und meinte: »Fange jetzt damit an, unsere Leute hinunter zu schicken, Stil.«
»Wirst du nicht mit uns gehen?« fragte Stilgar.
»Ich werde mit den Fedaykin noch ein wenig warten«, gab Paul zurück.
Stilgar zuckte die Achseln und begab sich in die Felsenöffnung hinein, deren Dunkelheit ihn augenblicklich verschluckte.
»Den Zünder, der den Schildwall in die Luft sprengt, überlasse ich dir, Gurney«, sagte Paul. »Ich weiß, daß er bei dir in guten Händen ist.«
»In Ordnung«, sagte Halleck.
Paul winkte einem seiner Unterführer und sagte: »Otheym, sorge dafür, daß unsere Leute sich aus den gefährlichen Gebieten zurückziehen, bevor der Sturm sie erreicht.«
Der Mann verbeugte sich und folgte Stilgar.
Gurney, der sich in der Felsspalte gegen die Wand lehnte, sagte zu dem Beobachtungsposten: »Halte deinen Blick hauptsächlich nach Süden gerichtet. Die Felswand dort wird bis zu ihrer Sprengung völlig unverteidigt sein.«
»Verseht einen Cielago mit einem Zeitsignal«, ordnete Paul an.
»Einige Fahrzeuge bewegen sich auf den südlichen Wall zu«, meldete der Beobachter. »Sie setzen Projektilwaffen ein, möglicherweise testen sie sie. Unsere Leute tragen Körperschilde, wie befohlen. Die Fahrzeuge stoppen jetzt.«
In der plötzlichen Stille konnte Paul jetzt den sich nähernden Sturm hören. Sand drang durch undichte Stellen in der Zeltdecke ein. Ein unerwartet starker Windstoß riß mit einem Ruck die ganze Überdachung weg.
Paul gab seinen Fedaykin mit einer Handbewegung den Befehl, Deckung zu suchen, und lief zu den Leuten, die immer noch an den Kommunikationsgeräten saßen. Gurney war sofort neben ihm.
Einer der Kommunikanten sagte: »Einen solchen Sturm habe ich noch nie erlebt, Muad'dib!«
Paul warf einen schnellen Blick auf den sich verdunkelnden Himmel. »Gurney, sorg' dafür, daß die Beobachter vom Südwall zurückgezogen werden.«
Er mußte seinen Befehl mit größter Lautstärke wiederholen, damit man ihn im Tosen der Naturgewalten überhaupt noch verstand.
Gurney gehorchte und verschwand.
Paul vermummte sein Gesicht und befestigte die Kapuze des Destillanzuges.
Gurney kehrte zurück.
Paul berührte seine Schulter und gab ihm zu verstehen, daß er dafür sorgen sollte, den Zünder ebenfalls, genauso wie die Kommunikanten, in dem Tunnel unterzubringen, durch den Stilgar und Otheym verschwunden waren. Gurney tat wie ihm geheißen. Am Eingang verharrte er, behielt die Hand am Drücker und sah Paul fragend an.
»Es kommt nichts mehr durch«, sagte einer der Kommunikanten. »Die Luft ist statisch zu sehr aufgeladen.«
Paul nickte und sah auf die Standarduhr. Dann hob er die Hand. Gurney verstand. Der Zeiger begann sich langsam in Bewegung zu setzen.
»Jetzt!« schrie Paul.
Gurney drückte den Zündknopf.
Es war, als benötigte die Detonation eine ganze Sekunde, ehe sie den Boden unter ihnen zum Vibrieren brachte. In das Aufheulen des Sturms hinein entlud sich ein grollender Donner.
Der Beobachtungsposten stand plötzlich neben Paul und hielt das Fernglas in der Hand. »Der Schildwall ist zusammengebrochen, Muad'dib!« schrie er aufgeregt. »Jetzt hat der Sturm sie erreicht! Und unsere Kanoniere haben ihnen eine volle Breitseite gegeben!«
Paul stellte sich die Sturmwellen vor, wie sie den Sand vor sich her trieben, der jeden Schild zum Zusammenbrechen brachte.
»Der Sturm!« schrie jemand. »Wir müssen in Deckung gehen, Muad'dib!«
Paul kam erst wieder zu klaren Gedanken, als die feinen Sandkörner seine Wangen gleich heißen Nadelstichen trafen. Wir haben erst angefangen, dachte er, legte einen Arm um die Schultern des Kommunikanten und rief: »Laßt die Ausrüstung hier liegen. Wir haben genügend Reserven im Tunnel!« Dann fühlte er sich wie in einer Woge hinweggetragen, war von Fedaykin umdrängt, die ihn abschirmten und beschützten. Sie zwängten sich durch die Tunnelöffnung, erreichten stillere Bezirke und kamen in eine größere Kammer, in der Leuchtgloben schienen und von der aus ein weiterer Gang abzweigte.
Hier saß auch ein weiterer Kommunikant an den Geräten.
»Nicht viel zu machen«, sagte der Mann.
Eine Sandwolke überschüttete sie.
»Versiegelt den Tunneleingang, schnell!« rief Paul. Die darauffolgende Windstille zeige ihm, daß man seiner Anweisung augenblicklich Folge leistete. »Ist der Weg nach unten noch offen?« fragte er.
Einer der Fedaykin machte sich sofort auf den Weg, um nachzusehen. Zurückgekehrt sagte er: »Die Explosion hat einige Stellen zum Einsturz gebracht, aber die Techniker meinen, man könne ihn durchaus noch als offen bezeichnen. Sie sind im Moment dabei, den Weg mit Laserstrahlen freizumachen.«
»Sage ihnen, sie sollen gefälligst ihre Hände dazu benutzen«, rief Paul zurück. »Es gibt hier einige aktivierte Schilde!«
»Sie passen schon auf«, sagte der Fedaykin und machte sich erneut auf den Weg.
Jetzt tauchten auch die Kommunikanten von draußen auf, die ihre Ausrüstung zwischen sich trugen.
»Ich habe diesen Männern gesagt, daß sie die Ausrüstung draußen lassen sollen!« sagte Paul heftig.
»Fremen sind nicht dazu zu bewegen, Ausrüstungsgegenstände liegenzulassen, Muad'dib«, erwiderte einer der Männer.
»Menschenleben sind jetzt wichtiger als Ausrüstungsgegenstände«, sagte Paul. »Wir werden bald über mehr Ausrüstung verfügen, als wir überhaupt je einsetzen können.«
Читать дальше