»Hält Leib und Seele zusammen. Sagen Sie, Spinne, ist es wahr, daß Sie schon in ein paar Filmen mitgewirkt haben?«
»Ich habe die Musik für einen Supermist namens ›Rocker-Festival‹ geschrieben, aber ich hoffe, daß die Leute das bald vergessen. Weshalb die Frage? Sie interessieren sich doch nicht für den armen alten Spiderman?«
»Könnte sein, Spinneke, könnte sein. Würden Sie die Musik für einen Film schreiben und die mit Ihrer eigenen Gruppe aufnehmen?«
»Schon möglich, Opa. Aber das kostet Zeit, und wir haben Verpflichtungen.«
»Keine Angst wegen der Zeit, ich arrangiere alles so, daß sie keine einzige Show versäumen. Ich dachte, Sie hätten den richtigen Sound für meinen Film — eine aufregende Wikingergeschichte. Sie haben schon von den Leuten gehört?«
»Ja doch. Haarige Buhbuhmänner, die andere Leute mit ihren Hackebeilen zurechtschnitzen.«
»So ungefähr. Primitive, starke Musik. Sie besitzen eine Art Blechhorn, und das brachte mich auf Sie. Volle Besetzung und ein wilder Rhythmus.«
»So richtig cool.«
»Glauben Sie, daß Sie das schaffen?«
»Keine Frage.«
»Gut. Hier ist der Vorschuß.« Barney blätterte fünf Zwanziger auf den Tisch. Spidermans Finger krabbelten über das schwarze Tuch und deckten die Scheine zu. »Holen Sie Ihre Leute, dann fahren wir gleich zum Studio. In einer Stunde sind Sie wieder zurück.« Was sie in dieser einen Stunde alles erledigen würden, verriet Barney nicht.
»Ist nicht drin. Doody und ich machen bis elf Klamauk. Da kommen die anderen. Wir spielen von elf bis drei durch. Vorher geht nichts, Opa.«
Der Cocktail floß Barney glatt durch die Kehle, und ein Blick auf die Uhr überzeugte ihn, daß es keinen Sinn hatte, umzukehren und um drei nochmals herzukommen. Schließlich mußte er den Film erst am Montagvormittag abliefern. Spiderman glitt in den Hintergrund des Klubs, und um zehn telefonierte Barney mit dem Professor und bat ihn, um drei Uhr nochmals zu kommen. Dann ging er zurück an den Tisch und entspannte sich, so gut man sich bei einer schmetternden Tuba, einer Posaune und einem verstärkten Schlagzeug entspannen konnte.
Um zwei Uhr zwang er sich zu einem Aufenthalt an der frischen Luft. Er war sogar noch nüchtern genug, um für drei Uhr zwei Taxis zum Klub zu bestellen. Alles funktionierte.
Es war kurz vor vier, als sie am Lagerhaus vorfuhren, und Professor Hewett ging wütend auf und ab. »Sehr pünktlich«, fauchte er nach einem Blick auf die Uhr.
»Geht doch, Professorchen«, sagte Barney und klopfte ihm auf die Schulter. Dann drehte er sich um und half den Musikern, die große Trommel aus dem Taxi zu zerren. Im Gänsemarsch gingen sie auf das Lagerhaus zu, und Doody spielte auf seiner Posaune »Colonel Bogey«.
»Was soll das Floß?« fragte Spiderman. Er hatte seine Augen halb geschlossen.
»Beförderungsmittel. Geht ruhig an Bord. In ein paar Minuten sind wir wieder da, das verspreche ich euch.« Barney lächelte hinterhältig.
»Reicht schon«, sagte Spiderman und zog Doody die Posaune aus den zitternden Lippen. Doody spielte mindestens fünf Sekunden weiter, bis er merkte, daß er kein Instrument mehr hatte. »Der ist high«, erklärte Spiderman. »Marihuana.«
Hewett zog die Nase kraus, als die Musiker mit ihren Beerdigungskostümen die Plattform bestiegen. Dann ging er in den Kontrollraum und startete das Vremeatron.
»Ist das der Warteraum?« fragte Doody und folgte ihm in die enge Kammer.
»Raus da, Idiot!« fauchte der Professor, und Doody murmelte etwas vor sich hin und versuchte der Aufforderung nachzukommen. Aber als er sich umdrehte, rutschte der Zug aus der Posaune und glitt über eine Reihe von frei daliegenden elektronischen Röhren. Zwei davon sprühten Funken.
»Iauu!« sagte Doody und ließ das Instrument fallen. Es blieb auf den Innereien der Röhren liegen. Ein Kurzschluß folgte dem anderen. Die Lichter der Steuerzentrale gingen aus.
* * *
Barney war in weniger als einer Sekunde vollkommen nüchtern. Er zog den Musiker aus dem Kontrollraum und trieb ihn zusammen mit seinen Kollegen aufs andere Ende der Plattform.
»Was ist, Professor?« fragte er leise, als er zurückkam, aber er erhielt keine Antwort. Er fragte nicht mehr, sondern sah nur zu, wie Hewett die Inspektionsluken aufriß und die verbrannten Röhren zur Tür hinausschleuderte.
* * *
Er schickte die Musiker weg, als feststand, daß die Reparatur zumindest ein paar Stunden dauern würde.
* * *
Am Sonntagmorgen um neun gab Professor Hewett zu, daß die Reparatur wahrscheinlich den ganzen Tag dauern würde, ungeachtet der Zeit, die man brauchte, um am Sonntag Ersatzteile in Los Angeles aufzutreiben. Barney erwiderte mit hohler Stimme, daß sie ja noch genug Zeit hätten.
* * *
Spät in der Nacht zum Montag schlief Barney zum erstenmal ein, aber er wachte nach ein paar Minuten erschrocken auf und konnte nicht wieder schlafen.
* * *
Am Montagmorgen um fünf Uhr kündigte der Professor an, daß die Drähte neu eingezogen seien und er jetzt eine Stunde schlafen werde. Danach würde er versuchen, die fehlenden Röhren zu ergattern.
* * *
Um neun Uhr vormittags rief Barney an und entdeckte, daß die Bankvertreter auf ihn warteten. Er gurgelte etwas und legte auf.
* * *
Um halb zehn klingelte das Telefon, und als er den Hörer abnahm, sagte das Mädchen von der Vermittlung, daß das ganze Studio nach ihm abgesucht werde und L. M. sie persönlich gefragt habe, ob sie wisse, wo Mister Hendrickson sei. Barney legte ebenfalls auf.
* * *
Um halb elf wußte er, daß es hoffnungslos war. Hewett war noch nicht zurückgekehrt, und er hatte auch nicht angerufen. Und selbst wenn er jetzt kam, war es schon zu spät. Der Film konnte nicht mehr rechtzeitig fertig werden.
Es war alles vorbei. Er hatte es versucht, und er hatte es nicht geschafft. Als er zu L. M.s Büro hinüberging, kam es ihm wie die letzte Meile vor.
Er zögerte vor L. M.s Tür, erwog Selbstmord als zweite Lösung, merkte, daß er nicht den Mut dazu hatte, und stieß die Tür auf.
»Geh lieber nicht hinein«, sagte eine Stimme, und eine Hand zog Barneys Hand von der Tür weg, worauf sich diese automatisch schloß.
»Was bilden Sie sich eigentlich ein?« fauchte er und wandte sich dem anderen Mann zu.
»Ich möchte dich nur vor einem Fehler bewahren, du Esel«, sagte der andere, als Barney mit offenem Mund und großen Augen zurückwich.
»Nicht schlecht der Ausdruck«, sagte der Mann. »Vielleicht hättest du Schauspieler und nicht Regisseur werden sollen.«
»Sie — Sie sind — ich …«, sagte Barney schwach und betrachtete sein Gegenüber. Der andere Barney trug seine Sonntagshose und seine lederne Pilotenjacke, und er hatte eine Filmkassette unter dem Arm.
»Gute Beobachtungsgabe«, sagte der andere Barney mit einem boshaften Lächeln. »Halte mal!« Er streckte Barney die Kassette entgegen und holte seine Brieftasche heraus.
»Was …?« begann Barney. »Was …?« Auf der Filmkassette, die zuoberst lag, stand: Unter Wikingerflagge, Teil 1.
Der andere Barney holte ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Brieftasche und reichte es Barney — der zum erstenmal sah, daß sein Gegenüber einen blutigen Verband an der rechten Hand hatte.
»Was ist denn mit meiner — äh — deiner Hand los?« fragte Barney mit einem entsetzten Blick auf die Bandage. Er merkte gar nicht, daß der andere ihm die Filme abgenommen hatte.
»Gib das dem Professor«, sagte sein Doppelgänger, »und geht endlich zurück, damit der Film fertig wird, ja?« Er riß die Tür zu L. M.s Büro auf, als ein Bote mit einem ganzen Handkarren voll Filmspulen kam. Der Mann sah die beiden Männer an, zuckte mit den Schultern und ging hinein. Der andere Barney folgte ihm und machte die Tür hinter sich zu.
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