Barney trat zur Seite, als die Zeitplattform flimmerte und ein paar Zentimeter von ihrer ursprünglichen Position entfernt wieder auftauchte. Dallas kletterte herunter und strich sich über den dunklen Stoppelbart.
»Der Professor sagt, daß wir insgesamt zehn Stunden unterwegs waren«, erklärte er. »Das bedeutet zwei Überstunden …«
»Unwichtig! Was hast du herausgebracht?«
»Sie haben einen Zaun errichtet — wie bei diesen Forts in den Indianerkriegen. Anfang März war noch alles ruhig, aber am einundzwanzigsten entdeckten die Wikinger ein paar dieser Fellboote.«
»Schön. Wir brechen auf. Sag dem Professor, daß er die ganze Truppe zum zweiundzwanzigsten März befördern soll. Sind alle hier?«
»Betty hat die Rechnungen überprüft, und die stimmen. Ich und Tex haben die Wohnwagen nachgezählt. Es sind alle vorhanden.«
»Wie ist das Märzwetter?«
»Sonnig, aber immer noch kühl.«
»Also gut, sag den Leuten, daß sie sich warm anziehen sollen. Ich möchte nicht, daß sich die Hälfte mit Schnupfen ins Bett legt.«
Barney ging zu seinem Wohnwagen und zog einen Mantel und Handschuhe an. Als er zurückkam, waren die ersten Wagen bereits in der Vergangenheit. Dann wurde er zurückbefördert. Es war ein echt nordischer Frühling. Der wässerige Sonnenschein konnte nichts gegen die Kälte ausrichten, und an der Nordseite des Palisadenzauns lag noch Schnee. Die Szenerie erinnerte an einen Westernfilm. Barney winkte dem Fahrer des Lastwagens, der eben von der Plattform abgeliefert worden war.
»Bringen Sie mich zum Dorf, ja?«
»Nächste Haltestelle Fort Apache«, grinste der Fahrer.
Einige der Nordmänner kamen den Hang hinauf, um die Filmgesellschaft zu begrüßen. Der Lastwagen fuhr an ihnen vorbei und hielt an einer schmalen Öffnung. Man hatte lediglich einen Pfosten zur Seite geschoben und damit einen Eingang geschaffen. Ottar quetschte sich durch, als sie ankamen.
»Hier müssen wir ein Tor anbringen«, erklärte Barney. »Ein großes Doppeltor mit einem Innenriegel.«
»Nicht gut, zu groß, zu leicht zu erobern. So ist es richtig.«
»Du hast eben noch keine Western gesehen …«
Barney schwieg, als Slithey durch die Öffnung kam. Sie trug ein ziemlich schmuddeliges Kleid und hatte ein Karibufell über den Schultern. Sie war ohne Make-up und hatte ein Baby in einem Tragegurt an der Hüfte.
»Was machst du denn hier?« fragte er gallig. Er fand, daß er an diesem Tag schon genug Überraschungen erlebt hatte.
»Ich war eine Zeitlang hier«, erwiderte sie und steckte dem Kleinen den Finger in den Mund, worauf er laut zu schmatzen begann.
»Sieh mal, wir sind doch eben erst angekommen. Was ist mit dem Bankert?«
»Es ist so komisch«, sagte sie und kicherte, um es zu beweisen. »Nachdem wir uns letzten Sommer fertigmachten, wurde mir das Warten im Wohnwagen zu langweilig, und ich unternahm einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft. Du verstehst?«
»Ich verstehe nicht, und ich habe das Gefühl, daß ich gar nicht verstehen will. Du willst doch nicht etwa sagen, daß du die ganze Zeit hier warst, während wir anderen zurück in die Gegenwart gebracht wurden?«
»Genau das ist geschehen. Ich war so überrascht. Ich machte diesen Spaziergang, und da traf ich Ottar, und eines führte zum andern, du verstehst …«
»Diesmal verstehe ich.«
»Und bevor ich es merkte, waren alle fort. Ich kann dir sagen, daß ich mächtig Angst hatte. Ich heulte wochenlang, und dann kam noch dazu, daß ich meine Pillen nicht bei mir hatte.«
»Dann gehört dir der Fratz?«
»Ja, ist er nicht süß? Wir haben noch keinen Namen für ihn, aber ich nenne ihn Snorey wie den Zwerg in Schneewittchen, denn wenn er schläft, schnarcht er immer.«
»Es gibt gar keinen Zwerg namens Snorey«, sagte Barney und dachte schnell nach. »Sieh mal, Slithey, wir können nicht in die Vergangenheit zurückgehen und alles ungeschehen machen, nicht jetzt, wo das Kind da ist. Und außerdem hättest du den Wohnwagen nicht verlassen sollen.«
»Oh, ich gebe dir ja nicht die Schuld«, erwiderte sie. »Nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, war es nicht mehr so schlimm, und Ottar sagte mir immer wieder, ihr würdet im Frühling zurückkommen. Er hatte recht. Nur eines — ich könnte ein anständiges Essen gebrauchen. Was diese Leute verschlingen — pfui Teufel! Ich habe den Winter über hauptsächlich von Whisky und Kräckern gelebt.«
»Wir geben heute abend eine große Party für dich, Ottar und das Baby. Steak mit Wein, du wirst zufrieden sein.«
Snorey begann zu weinen, und Slithey hob ihn hoch und öffnete ihr Kleid.
»Ich muß mit Charley Chang reden«, sagte Barney. »Er soll den Kleinen irgendwie mit ins Drehbuch bringen. Dieser Film wird eine Überraschung.«
Das erinnerte ihn wieder an verschiedene schmerzhafte Dinge, und er sah seine rechte Hand an und fragte sich, wann und wo es passieren würde.
Der Pfeil mit der Steinspitze hatte die Flanke des Motorbootes durchbohrt und war steckengeblieben.
»Ich ließ ihn stecken, damit kein Wasser durch das Locheindringen konnte«, sagteTex.»Es schwirrtennoch ein paar ganz in der Nähe vorbei, aber keiner traf.«
»Ihr habt sie vielleicht überrascht«, meinte Barney. »Oder das Geräusch des Motors hat sie erschreckt.«
»Wir benutzten nur die Ruder.«
»Es muß irgendein Grund vorhanden sein. Die Dorsets sind ein friedfertiges Volk. Ihr habt ja selbst gesehen, wie sie sich verhielten, als sie herkamen.«
»Vielleicht paßte es ihnen nicht, daß ihre Verwandten umgebracht wurden, als sie das erste Mal hier waren«, mischte sich Dallas ein. »Wir haben wirklich nicht nach Kummer gesucht, sie griffen uns von sich aus an. Wenn der Motor nicht sofort angesprungen wäre, hätten sie uns wahrscheinlich in den Kochtopf gesteckt. Tex und ich sprachen auf dem Heimweg darüber, und wir finden, daß wir dafür eine Einsatzprämie verdienen.«
»Schreibt es auf, ich werde dafür sorgen, daß ihr sie bekommt — aber plagt mich jetzt nicht damit.« Barney zerrte an dem Speer, aber er blieb im Holz stecken. »Mir gehen ein paar wichtigere Dinge im Kopf herum. Der Film ist so ziemlich fertig, bis auf den absolut notwendigen Indianerkampf. Wir müssen bald drehen, und das ist unmöglich, wenn wir keine Indianer haben. Da draußen auf dem Eis halten sich Tausende auf, und ich schicke euch hin, um ein paar zu engagieren. Aber was bekomme ich? Ausreden.«
Die beiden Männer ließen sich von der Rede nicht beeindrucken, und Dallas deutete kühl auf den Speer. Ein blechernes Wimmern zerriß die Luft.
»Müssen sie das hier machen?« fauchte Barney.
»Wenn mich nicht alles täuscht, war das Ihr Befehl«, sagte Tex. »Der einzige Ort, an dem sie niemand mit ihrem Spielen belästigten, war der Strand.«
Die schwarzgekleidete Prozession bewegte sich am Ufer entlang, voran der Schlagzeuger. Sie trugen Faltstühle, und ihre Instrumente hatten sie in eine exotische Kollektion von Schals, Tierhäuten und Karibu-Umhängen gehüllt.
»Zieht das Boot ans Ufer, damit wir verschwinden können«, sagte Barney.
»Ganz meiner Meinung«, knurrte Dallas. »Diese Proben sind der reinste Mord.«
Spiderman wankte über den Sand auf sie zu und drückte die Tuba an die Brust. Seine rote Nase stach scharf gegen die bleichen Wangen ab.
»Wir brauchen einen Probesaal«, bat er. »Die frische Luft bringt uns noch um. Einige meiner Typen waren seit Jahren nicht mehr im Freien.«
»Es wird ihre Lungen säubern.«
»Sie mögen sie lieber schmutzig.«
»Ich werde sehen, was sich tun läßt …«
»Feind in Sicht!« rief Tex. »Seht euch den Kampfverband an!«
Es war ein erstaunlicher Anblick. Hinter den Inseln am Eingang der Bucht kam ein Boot nach dem anderen zum Vorschein, bis es nur so von Indianern wimmelte. Als sie näherkamen, konnte man über jedem Boot ein Flimmern erkennen, und ein tiefes Summen erfüllte die Luft.
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