Billy widerstand.
Er fürchtete sich vor dem, was die Rüstung wünschen könnte.
Nun, er wusste, was sie wollte. Sie wollte Bewegung. Licht, Wärme. Sie wollte zum Leben erweckt werden. Sie wollte das Wesen sein, das Billy war, wenn er sie trug, ein mächtiger Albtraum-Billy, bereit, gerufen und entfesselt zu werden.
Er träumte, dass er ein Hund war, der im fahlen Lichtschein des Erntemondes Kaninchen in einem Weizenfeld jagte. Er träumte davon, die Wirbelsäule des Kaninchens mit seinen scharfen Zähnen zu zerbrechen, und von dem Schwall warmen Kaninchenbluts auf seiner Schnauze.
Er träumte von der Rüstung. Die Rüstung war nun in all seinen Träumen vorhanden. Ihr Funkeln war wie ein Aufblitzen am Rand seines Gesichtskreises. Er konnte es nicht ertragen, seinen Blick direkt darauf zu richten. Genauso wie die Sonne könnte es ihn blenden — und wie die Sonne war es ständig da.
In einigen Nächten träumte er von Ohio und schwitzte und fröstelte.
Im Wesentlichen waren Billys Kindheitserinnerungen voller Sonnenschein. Er war in einer ländlichen Stadt namens Oasis aufgewachsen. Sie war eine jener Ackerbaukollektive, die an den Bewässerungskanälen entstanden waren, die das Wasser aus den Großen Seen nach Süden transportierten. In einem Anflug von Optimismus während der trockenen Fünfzigerjahre gegründet und von einem Konsortium von Lebensmittelgroßhändlern in Detroit verwaltet, hatte die Stadt einiges von ihrem Bürgersinn in den schwierigen Jahrzehnten danach verloren. Aber wenn man dort aufwuchs, dann bemerkte man es nicht. Für Billy war es nur irgendein Ort.
Er hatte wenige Erinnerungen an diese Zeit. Er entsann sich des Himmels, einer dunstig blauen Unendlichkeit, die so groß und grenzenlos erschien wie die Zeit selbst. Er erinnerte sich an das Wunder des Wassers, Wasser, das aus Sprinklerköpfen hochsprühte, die in den sich durch die Felder windenden Erdgräben steckten — Wasser, das auf Tausende von Morgen frischer grüner Blätter herabregnete. Die Stadt baute Weizen und Kohl und Grünkohl und Alfalfagras und einen ganzen Flickenteppich anderer Pflanzen an. Zweimal hatte Billy auf den großen Kultivierungsmaschinen mitfahren dürfen. Es hatte ihn mit Stolz und Freude erfüllt, neben seinem Vater im Krähennest zu sitzen, Herrscher über all das Grün und den stauberfüllten blauen Himmel. Er erinnerte sich an einen heißen Sommer, als ein Arbeitsbataillon vom AgService erschien, um Vorrichtungen aufzustellen, die sie »UV-Schirme« nannten — riesige Flächen einer fast unsichtbaren Folie, die an Pfählen befestigt und mit schweren Stahlkabeln verankert wurden. Ein paar Tage lang war es kühler auf den Feldern, und die Klinik meldete einen Rückgang an Sonnenstichen. Aber dann geschah, was Billys Vater vorausgesagt hatte: Ein heißer Wind blies von Westen, und die UV-Folie wurde aus ihren Halterungen gerissen. Sie ballte sich zusammen und blieb zwischen den Pflanzen hängen wie ein Zellophanknäuel, das von einem Riesen gedankenlos weggeworfen worden war. Weite Flächen Winterweizen wurden umgeknickt und verdarben. Als er die beschädigten Felder betrachtete, hatte Nathan Billy erschreckt, indem er auf die Knie sank.
Billy hatte Nathan als einen großen Mann in Erinnerung, imposant, bärtig, großzügig, häufig still und zutiefst unglücklich. Sein Vater verfolgte ständig die Nachrichten auf dem großen Bildschirm im Bürgerzentrum. Und Billy vermutete, dass Nathan es war, der diese anderen Nachrichten empfing, Datenschübe im Mikrowellenbereich, die nicht von den amtlichen Informationsdiensten weitergegeben wurden. Vorwiegend Nachrichten über die Aktivitäten von Rekrutierungsbataillonen im Mittelwesten.
Alle zwei oder drei Jahre kamen die Rekrutierungstrupps nach Oasis. Nathan sagte, sie seien wie die Heuschrecken in der Bibel, eine Plage. Sie übernachteten in den Arbeiterbaracken, blieben ein paar Tage, ließen vielleicht einige der leichter zu beeindruckenden Mädchen mit einem Baby im Bauch zurück. Und wenn sie in ihren großen Hovertrucks davonfuhren, nahmen sie ein paar Wehrpflichtige mit — Jungen, die kaum alt genug waren, um sich zu rasieren.
Nathan und der Stadtrat erhielten gewöhnlich eine Warnung, wenn die Bataillone kamen, und hatten Zeit genug, um die Geburtslisten der Stadt zu frisieren — um gewisse Dokumente verschwinden zu lassen oder hinzuzufügen. Diejenigen, die am ehesten als Rekruten taugten, wurden in einem Vorratskeller unter dem Maschinenschuppen versteckt, und die Frauen brachten ihnen heimlich etwas zu essen. Die Bataillone beklagten sich über die magere Ausbeute und überprüften manchmal die städtischen Computer auf vorgenommene Manipulationen… aber wenn man sie ausreichend betrunken machte, sagte Nathan, dann machten sie sich bald wieder aus dem Staub.
Doch wenn sie ohne Vorwarnung erschienen — wenn sie die unerlaubt betriebenen Relaisstationen auf ihrem Weg nach Westen zerstört hatten —, dann holten sie sich, was sie wollten.
Billy erinnerte sich an den Sommer, als die Nachrichten aus der Sturmzone sehr schlecht waren, ungeheure Verluste in der Karibik, die Besatzungstruppen fast zerschlagen. In diesem Sommer tauchte die Infanterie ohne Vorwarnung auf. Eine Phalanx schwarzer Luftkissenfahrzeuge erschien und wirbelte eine Staubwolke auf, die den Sonnenuntergang bis hinunter nach Sandusky grau färbte. Billy erinnerte sich an das Gesicht seines Vaters, als er auf einen Erdwall kletterte und die grauschwarze Kolonne von Westen herankommen sah: Entsetzen, so greifbar wie eine schwere Last auf den Schultern.
Er wandte sich zu Billy um und sagte: »Lauf zum Maschinenschuppen. Schnell!«
Es war das erste Mal, dass Billy alt genug war, um sich mit den anderen Jungen zu verstecken. Es hätte richtig aufregend sein können — aber diesmal lagen die Dinge etwas anders. Diesmal hatte er die Angst seines Vaters gesehen.
Der Keller war heiß und roch nach alter Baumwollsaat und nach Jute. Er kauerte dort mit einem Dutzend anderer Jungen. »Ich komme dich holen«, hatte Nathan versprochen, »wenn die Infanterie abgezogen ist«, und die Worte hatten ihn ein wenig beruhigt. Aber es war nicht Nathan, der kam.
Er sah Nathan nie wieder.
Es war ein Soldat, der erschien.
Ein Infanterist. Billy erwachte blinzelnd und verwirrt in den zeitlosen Tiefen der Kellernacht, aufgeschreckt durch den Klang von Schritten. Der Infanterist stand in der Tür und schaute lächelnd auf sie herab. Sein Name, so sagte er, sei Krakow. Er trug seine Rüstung — eine Kommandobrustplatte, die goldfarben leuchtete. Billy blickte voller Ehrfurcht zu ihm hoch, als Krakow seine Brust berührte. »Das ist meine Rüstung«, sagte er. »Das ist der Teil, den man sehen kann. Einiges davon ist in meinem Innern. Meine Rüstung weiß, wer ich bin, und im Augenblick läuft sie nicht mit voller Energie. Aber wenn ich sie einschalten würde, könnte ich euch alle töten, ehe ihr auch nur Zeit fandet zu blinzeln. Und es würde mir Spaß machen.«
Billy zweifelte nicht daran, dass dies der Wahrheit entsprach. Krakow strich mit seinen Fingern über die spiegelhelle Oberfläche der Brustplatte, und Billy fragte sich, wie er die Rüstung wohl einschaltete — er hoffte, dass Krakow es nicht aus Versehen tat.
»Meine Rüstung ist mein bester Freund.« Krakows Stimme klang sanft, vertrauenerweckend. »Die Rüstung eines Infanteristen ist immer sein bester Freund. Deine Rüstung wird auch dein bester Freund sein.«
Billy wusste, was das bedeutete. Es bedeutete, dass er sein Zuhause verlassen würde.
Zusammengekauert im schützenden Bauch seiner Wohnung, aß Billy Thunfisch aus der Dose, verfolgte das Fernsehprogramm und war nächtelang wach, fröstelte und lauschte dem Schneeregen, der gegen das Fenster prasselte. Seine Temperatur stieg. Seine Gelenke schmerzten, sein Körper fühlte sich an, als sei ihm die Haut abgezogen worden. Billy erduldete es, bis es unerträglich wurde. Er wunderte sich, wie deutlich dieser Moment wahrzunehmen war. Es war wie der Schritt eines zweiten Zeigers auf der Scheibe einer Uhr, ein einziger Gedanke. Nicht mehr.
Читать дальше