Or konnte sich nicht länger beherrschen und brüllte ins Mikrofon:
»Schnappt sie allesamt, Jungs, an Ort und Stelle sehen wir weiter! Wenn ihr die Sache gut durchzieht, gibt’s eine Beförderung und einen Reisescheck ins Vergnügungszentrum!«
Nel machte sich hastig an den Schaltknöpfen der Elmenfalle zu schaffen, stellte den Impuls auf Maximum. Die Apparatur war so stark und die Entfernung so gering, daß die Fremden hineinspazieren würden wie die Püppchen.

Din hatte das Amphibienfahrzeug nämlich noch näher herangefahren, und die Erdenmenschen verspürten jetzt, wie eine unwiderstehliche Kraft sie zum Rand des Elmings zog. In ihrem Innern vernahmen sie so etwas wie einen Befehl, unverzüglich dem Fahrzeug entgegenzugehen, aber auch eine Art Hilferuf. Sie hatten einfach nicht die Kraft, sich dem zu widersetzen.
Kurz darauf kamen zwei Männer aus dem Elming, die ihnen glichen. Sie liefen zielstrebig auf das Signal zu und gaben durch ihr Gebaren zu erkennen, daß Eile geboten war, sonst sei es zu spät. Die beiden waren Vik und Al, und auf ihr Beispiel hin setzte sich auch die Gruppe in Bewegung. Als erster rannte der Löwe Grau los, dessen Willenskraft im Laufe seines Aufenthalts im Elming offenbar geschwächt worden war.
Ihm folgten die Jungen von der Atlantis, denn sie wollten sich nicht von ihrem Freund trennen, wollten ihm beistehen, falls er in Not geriet.
Schließlich machten sich auch Viktor Stepanowitsch und der alte Kusmitsch auf den Weg. Der Geologe, weil er immer zur Stelle war, wenn Hilfe gebraucht wurde, und der Jäger, weil er seinen Gefährten niemals im Stich ließ.
Als letzter marschierte mit deutlichem Zögern der Mann in Seemannskleidung los, den die Massaren noch nicht kannten.
Nur der Krake blieb, wo er war. Mal erhob er sich auf all seinen Tentakeln zu voller Größe, mal fiel er wieder in sich zusammen, lag flach auf dem Boden. Da er selber über hypnotische Fähigkeiten verfügte, schleuderte Prim den Massaren seine ganze Willenskraft entgegen und widersetzte sich so dem telepathischen Signal, das auch ihn einfangen wollte.

DER KRISTALLSKAPHANDER
Ol begab sich auf kürzestem Wege zum Leiter des Synchronautikzentrums, der ihn bereits erwartete. Or war zufrieden mit dem Verlauf der Operation »E« und sagte aufgeräumt:
»Hör zu, Ol, du kommst mir vor wie unser geheimnisvoller Höhlenlöwe. Du hast, wie mir scheint, eine ebensogute Witterung. Tauchst immer gerade dann auf, wenn du gebraucht wirst!«
Ol war keineswegs um eine Antwort verlegen:
»Ich denke, man kann eher Sie mit diesem Löwen vergleichen. Ihre Untergebenen parieren beim Klang Ihrer Stimme einmalig, und wenn trotzdem jemand aus der Reihe tanzt, schnappen Sie auch nicht schlecht zu. Aber weil Sie vom Höhlenlöwen sprechen, ist er denn schon eingefangen?«
»Noch nicht, aber es ist eine Sache von Minuten!« rief der Chef. »Die Katze ist so gut wie im Käfig. Und nicht nur sie, wir greifen uns die ganze Gruppe: die zwei Jungen aus Atlantis, die sich seit Urzeiten bei uns aufhalten, und drei Doppelgänger von der Erde.«
Ol stutzte. Wieso drei? dachte er. Kostja muß doch entkommen sein, sonst wäre Viola nicht wieder hier.
»Ach ja«, fuhr der Chef zufrieden fort, »außerdem gibt es noch einen Kraken, aber der wird uns nicht gefährlich, falls es ihm gelingt, zur Erde zurückzukehren. Er lebt im Meer und kann meinetwegen den Fischen erzählen, was er will. Die sind bekanntlich stumm.«
»Was haben Sie denn mit den anderen vor?« fragte Ol. »Mit den Atlantern, zum Beispiel?«
»Mit denen ist leider nicht viel anzufangen«, der Chef zuckte die Achseln. »Andererseits, was sollen sie endlos im Elming herumlungern und auf schönes Wetter warten. Ein Zurück gibt es für sie ohnehin nicht mehr. Wir werden ihnen ihren Körper wiedergeben, wie den übrigen Gefangenen auch. Vielleicht schicken wir sie sogar zur Arbeit auf einen unserer Stützpunkte.«
»Sollen die anderen Erdenbewohner etwa ebenfalls dorthin?« fragte Ol.
»Nicht sofort!« erwiderte Or herrisch. »Sie müssen ja nicht nur die menschliche Gestalt zurückerhalten, sondern auch in Irener verwandelt werden. Schließlich brauchen wir zuverlässige Vertreter auf der Erde. Aber damit lassen wir uns Zeit. Erst mal sehen, was das für Leute sind.«
»Aber während Sie das herausfinden, wird man die drei auf der Erde vielleicht vermissen«, wandte Ol ein.
»Genau darum geht es«, sagte Or erfreut. »Für diesen Zweck brauchen wir nämlich die Kristallskaphander! Wie du weißt, sind das Gleitanzüge, um in die Zukunft und in die Vergangenheit zu gelangen. Mit ihrer Hilfe ist es uns möglich, die in Irener verwandelten Menschen zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf die Erde zu bringen – ein Jahr früher, ein Jahr später, ganz wie wir es brauchen. In diesem Fall sollten sie gleich nach ihrem Verschwinden zurückkehren, so daß ihre Abwesenheit nicht auffällt. Du, Ol, bist aber so ziemlich der einzige, der mit solch einem Skaphander klarkommt. Du kennst dich in der Geschichte genauso gut aus wie in der Technik, findest dich in jeder Epoche zurecht. Wärst du bereit, den Auftrag zu übernehmen?«
Ol wurde nachdenklich. Der Kristallskaphander, der nichts anderes darstellte als eine Zeitmaschine, war die neueste Erfindung der Massaren. Bestimmt war er schwierig zu bedienen und der Flug mit ihm nicht immer berechenbar. Auch kam es darauf an, in wessen Hände er geriet, denn wie jede wissenschaftliche Entdeckung konnte er einem guten oder einem bösen Zweck dienen.
Wie dem auch sei, dachte Ol schließlich, ich übernehme die Sache, später sehen wir dann weiter. Und so sagte er entschlossen:
»Ich bin einverstanden!«
»Wunderbar«, entgegnete der Chef, »dann wollen wir keine Zeit verlieren. Du kannst dich sofort mit dem Skaphander vertraut machen.«
»In Ordnung, aber ich habe noch eine Bitte.«
»Und die wäre?«
»Ich möchte, daß Viola zur Irena zurückkommt.«
»Gut, ich werde es veranlassen«, erwiderte der Chef, der nichts vom Aufenthalt des Mädchens im Elmenland wußte, und ließ sich sofort mit dem Erdenstützpunkt verbinden. Er gab Anweisung, die Tochter des Synchronauten Ol umgehend zur Irena zurückzuschicken.
Etwas später bat Ol um die Erlaubnis, seine Frau anzurufen. Als Vi den Hörer abhob, fragte er ruhig:
»Ist Viola schon zu Hause?«
Es vergingen ein paar Augenblicke, ehe Viola zum Telefon kam, dann aber schallte ihr fröhliches Lachen über die Lautsprecheranlage durch das Zentrum, und sie fragte, als wäre sie soeben eingetroffen:
»Hallo, Papa, bist du es? Ja, ich komme gerade zur Tür herein. Was gibt’s?«
»Nichts Besonderes, ich wollte bloß deine Stimme hören. Fein, daß du da bist. Schau dich nur überall im Haus um, du kannst auch in den Garten spielen gehn.«
Viola verstand genau, was Ol meinte. Der Chef aber staunte nicht schlecht. Daß sein Befehl so prompt ausgeführt würde, hätte er nie und nimmer erwartet. Diese Kerle können durchaus schnell arbeiten, wenn sie nur wollen, dachte er.
Inzwischen hatte Ol sich in die technischen Einzelheiten des Kristallskaphanders vertieft. Dieser Anzug war in der Tat ein Wunder an Perfektion und bestand, wie schon sein Name sagte, aus einem Gewebe feinster Kristallfäden.
»Wirst du mit dem Skaphander zurechtkommen?« erkundigte sich der Chef.
»Na klar, aber ich drehe erst mal ein paar Proberunden«, warf Ol lässig hin, so als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan, als zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin und her zu pendeln.
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