New York und Washington stehen. Die Leute sollen sich darum raufen, auf diese Liste zu kommen.«
Während Lara jetzt in der Gästeliste blätterte, sagte sie anerkennend: »Gute Arbeit, Jerry! Wie viele Absagen sind gekommen?«
»Ein paar Dutzend«, antwortete Townsend. »Nicht schlecht bei über sechshundert Einladungen.«
»Durchaus nicht schlecht«, stimmte Lara zu.
Keller rief sie vormittags an. »Gute Nachrichten!« sagte er. »Die Schweizer Bankiers kommen nach New York und wollen morgen mit dir über das neue Projekt verhandeln.«
»Großartig«, sagte Lara. »Um neun Uhr in meinem Büro.«
Beim Abendessen erklärte Philip ihr: »Lara, ich bin morgen im Tonstudio. Du hast noch nie erlebt, wie solche Aufnahmen gemacht werden, stimmt's?«
»Nein.«
»Hättest du Lust, mitzukommen und zuzusehen?«
Lara zögerte, weil sie an die Besprechung mit den Schweizern dachte. »Natürlich«, sagte sie.
Morgens telefonierte sie mit Keller. »Fangt schon mal ohne mich an. Ich komme, sobald ich kann.«
Das Tonstudio auf der West Side in der vierunddreißigsten Straße war ein mit elektronischen Geräten vollgestopftes ehemaliges Lagerhaus. Fast siebzig Musiker saßen vor dem großen Glaskasten, in dem die Toningenieure arbeiteten. Lara hatte den Eindruck, als gehe die Aufnahme nur sehr stockend voran. Einige Stellen wurden mehrmals wiederholt. In einer Pause rief sie Keller an.
»Wo bleibst du so lange?« fragte er. »Ich halte sie hin, aber sie wollen mit dir reden.«
»Ich komme in ein, zwei Stunden«, antwortete sie. »Laß dir was einfallen, um sie zu beschäftigen.«
Zwei Stunden später war die Aufzeichnung noch immer nicht beendet.
Lara telefonierte erneut mit Keller.
»Tut mir leid, Howard, aber ich kann jetzt nicht weg. Sie sollen morgen wiederkommen.«
»Was ist denn so wichtig?« fragte Keller. »Mein Mann«, sagte Lara und hängte ein.
Auf der Heimfahrt aus dem Tonstudio kündigte Lara an: »Nächste Woche fliegen wir nach Reno.«
»Wozu das?«
»Die Eröffnung meines Hotels mit Spielkasino. Wir fliegen am Mittwoch hin.«
»Verdammter Mist!« sagte Philip enttäuscht.
»Was hast du?«
»Tut mir leid, Liebling, aber ich kann nicht mitkommen.«
Sie starrte ihn an. »Was soll das heißen?«
»Ich dachte wirklich, ich hätte es dir erzählt. Am Montag beginnt meine neue Tournee.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Ellerbee hat eine sechswöchige Konzertreise für mich zusammengestellt. Sie fängt in Australien an und ...«
»Australien?«
»Richtig. Von dort aus geht's nach Japan und Hongkong.«
»Philip, das kannst du nicht tun! Ich meine . wozu? Du brauchst nicht mehr zu reisen. Ich möchte mit dir Zusammen-sein.«
»Willst du nicht einfach mitkommen, Lara? Das wäre herrlich!«
»Du weißt, daß ich das nicht kann. Nicht gerade jetzt. Im Augenblick werde ich hier gebraucht«, erwiderte sie bedrückt. »Ich will nicht, daß du mich verläßt.«
»Das will ich auch nicht. Aber ich habe dich vor unserer Hochzeit ausdrücklich gewarnt, mein Schatz, daß das mein Beruf, mein Leben ist.«
»Ja, ich weiß«, sagte Lara, »aber das ist früher gewesen. Jetzt ist alles anders. Alles hat sich geändert.«
»Nichts hat sich geändert«, widersprach Philip lächelnd, »außer daß ich verrückt nach dir bin und schreckliche Sehnsucht nach dir haben werde, wenn ich fort bin.«
Was hätte Lara darauf antworten können?
Philip war auf Tournee, und Lara fühlte sich einsam wie noch nie in ihrem Leben. Manchmal dachte sie mitten in einer Besprechung an ihn und fühlte ihr Herz dahinschmelzen.
Sie wollte, daß er seine Karriere fortsetzte, aber sie brauchte ihn in ihrer Nähe. Sie dachte an die herrlichen Tage mit ihm, stellte sich vor, wie es war, in seinen Armen zu liegen, und erinnerte sich an seine sanfte Zärtlichkeit. Sie hatte nie geahnt, daß sie einen Menschen so lieben konnte. Philip rief jeden Tag an, aber das machte die Einsamkeit irgendwie nur noch schlimmer.
»Wo bist du, mein Liebling?«
»Noch immer in Tokio.«
»Bist du mit deinem Erfolg zufrieden?«
»Ja, sehr. Du fehlst mir schrecklich.«
»Du mir auch.« Lara konnte ihm nicht sagen, wie sehr er ihr fehlte.
»Morgen fliege ich nach Hongkong, und danach .«
»Ich wollte, du kämst nach Hause.« Lara bereute sofort, das
gesagt zu haben.
»Du weißt, daß ich das nicht kann.«
»Natürlich nicht«, sagte sie nach kurzer Pause.
Sie redeten fast eine halbe Stunde miteinander, aber als Lara auflegte, fühlte sie sich einsamer als zuvor. Die Zeitunterschiede waren ärgerlich. Manchmal war ihr Dienstag sein Mittwoch, und er rief mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden an.
»Wie geht es Philip?« fragte Howard.
»Gut. Warum tut er das, Howard?«
»Warum tut er was?«
»Warum macht er eine Konzertreise? Das hätte er nicht nötig! Ich meine, er ist doch nicht auf das Geld angewiesen.«
»Langsam! Philip ist bestimmt nicht wegen des Geldes unterwegs. Das ist einfach sein Beruf, Lara.«
Genau das hatte Philip auch gesagt. Ihr Kopf verstand es, aber ihr Herz wehrte sich dagegen.
»Lara«, sagte Keller mahnend, »du hast den Mann nur geheiratet - du besitzt ihn nicht.«
»Ich will ihn nicht besitzen. Ich hatte bloß gehofft, ich wäre ihm wichtiger als seine ...« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. »Schon gut. Ich weiß, daß das ein törichter Gedanke ist.«
Lara rief William Ellerbee an.
»Hätten Sie vielleicht Zeit, heute mittag mit mir essen zu gehen?« fragte sie ihn.
»Ich kann mir die Zeit nehmen«, antwortete Ellerbee. »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein, nein. Ich wollte bloß mal mit Ihnen reden.«
Sie trafen sich im Le Cirque.
»Haben Sie in letzter Zeit mit Philip gesprochen?« erkundigte Ellerbee sich.
»Wir telefonieren jeden Tag miteinander.«
»Seine Tournee ist sehr erfolgreich.«
»Ja.«
»Ehrlich gesagt«, fuhr Ellerbee fort, »ich hätte nie geglaubt, daß Philip jemals heiraten würde. Er hat eigentlich immer nur für seine Kunst gelebt.«
»Ja, ich weiß ...« Lara zögerte, bevor sie fragte: »Finden Sie nicht, daß er zuviel auf Reisen ist?«
»Wie meinen Sie das?«
»Philip hat jetzt ein Zuhause. Er braucht nicht mehr die ganze Welt zu bereisen.« Sie sah Ellerbees mißbilligenden Gesichtsausdruck. »Oh, das heißt keineswegs, daß er in Zukunft in New York herumsitzen soll. Aber ich bin sicher, daß Sie für ihn Termine in Boston, Chicago oder Los Angeles arrangieren könnten. Sie wissen schon . einfach nicht so weit von zu Hause entfernt.«
»Haben Sie darüber mit Philip gesprochen?« erkundigte Ellerbee sich zurückhaltend.
»Nein, ich wollte erst mit Ihnen reden. Daswäre möglich, nicht wahr? Ich meine, Philip braucht das Geld nicht - jetzt nicht mehr.«
»Mrs. Adler. Philip bekommt für jeden Konzertabend fünf-unddreißigtausend Dollar. Letztes Jahr ist er vierzig Wochen auf Tournee gewesen.«
»Das verstehe ich, aber .«
»Haben Sie eine Ahnung, wie wenige Pianisten den Sprung in die Weltspitze schaffen - und wie schwer sie sich diesen Platz erkämpfen müssen? Mittelmäßige Pianisten gibt es zu Tausenden, aber die Superstars können Sie an zwei Händen abzählen. Ihr Mann ist einer von ihnen. Ich weiß, daß Sie nicht viel vom Musikleben verstehen, Mrs. Adler, aber glauben Sie mir: Der Konkurrenzkampf ist mörderisch! Philip hat lange gebraucht, um ein Pianist von Weltklasse zu werden. Und Sie muten mir jetzt zu, ihn um die Früchte seiner Arbeit zu bringen?«
»Nein, das tue ich nicht. Ich schlage nur vor, ihm .«
»Was Sie vorschlagen, würde seine Karriere ruinieren. Das wollen Sie nicht wirklich, oder?«
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