Howard Keller kam in Laras Büro. »Kannst du mich eine Woche lang entbehren?«
»Ungefähr so gut wie meinen rechten Arm. Was hast du vor, Howard?«
»Mein Arzt hat mir geraten, Urlaub zu machen, Lara. Um es ganz ehrlich zu sagen: Ich habe in letzter Zeit Probleme mit meinem Gedächtnis.«
Sie starrte ihn besorgt an. »Ernsthafte Probleme?«
»Nein, eigentlich nicht. Aber sie sind lästig. Ich fliege ein paar Tage nach Hawaii, denke ich.«
»Nimm den Jet.«
»Nein, nein, den brauchst du selbst. Ich fliege ganz normal mit Linie.«
»Dann zahlst du wenigstens alles mit der Firmenkreditkarte.«
»Danke. Ich melde mich jeden Tag und .«
»Das tust du nicht, Howard! Du sollst überhaupt nicht an die Arbeit, sondern nur an dich denken. Ich will, daß du wieder ganz gesund wirst.«
Hoffentlich fehlt ihm nichts Ernstliches, dachte Lara besorgt. Er ist unersetzlich. Howard muß wieder gesund werden!
Als Marian Bell sagte: »Mr. Adler ruft aus Taipeh an«, nahm Lara hastig den Hörer ab.
»Philip ...?«
»Hallo, mein Liebling. Hier streikt das Personal der Telefongesellschaft. Ich habe stundenlang gebraucht, um dich zu erreichen. Wie geht's dir?«
Ich fühle mich einsam, dachte sie. »Nicht schlecht. Wie läuft deine Tournee?«
»Gut wie immer. Du fehlst mir, Darling.«
Im Hintergrund waren Stimmen und Musik zu hören.
»Wo bist du jetzt?« fragte Lara.
»Oh, hier findet gerade eine kleine Party für mich statt. Du weißt ja, wie das ist.«
Sie hörte das Lachen einer Frau. »Natürlich. Ich weiß, wie das ist.«
»Ich komme am Mittwoch heim.«
»Philip?«
»Ja?«
»Nichts, mein Liebster. Ich freue mich auf dich.«
»Und ich mich auf dich. Also dann bis Mittwoch!«
Sie legte den Hörer auf. Was würde er nach der Party tun? Wer war diese Frau? Ihre Eifersucht war plötzlich so stark, daß sie ihr fast den Atem nahm. Dabei war sie ihr Leben lang nie eifersüchtig gewesen.
Alles ist so perfekt, dachte Lara. Ich will es nicht verlieren. Ich darf es nicht verlieren.
An diesem Abend konnte sie nicht einschlafen. Sie lag im Bett, dachte an Philip und fragte sich, was er gerade tat.
Howard Keller aalte sich in Kona Beach auf Hawaii am Strand eines kleinen Luxushotels. Das Wetter war die ganze Woche über herrlich gewesen. Er war jeden Tag geschwommen, hatte in der Sonne gelegen, etwas Golf gespielt und zwei Massagen bekommen. Er war völlig entspannt und hatte sich nie im
Leben besser gefühlt. Dr. Bennett hat recht gehabt, dachte er. Überarbeitung. In Zukunft muß ich etwas kürzertreten. Tatsächlich hatten diese sporadisch auftretenden Gedächtnislücken ihn mehr erschreckt, als er sich eingestehen wollte. Schließlich wurde es Zeit, nach New York zurückzufliegen. Er nahm die Mitternachtsmaschine und war am frühen Nachmittag wieder in Manhattan. Dort fuhr Keller sofort ins Büro. Seine Sekretärin begrüßte ihn lächelnd. »Schön, daß Sie wieder da sind, Mr. Keller. Sie sehen richtig erholt aus.«
»Danke ...« Er stand da und wurde kreidebleich.
Er konnte sich nicht an ihren Namen erinnern.
Philip Adler kam am Mittwochvormittag zurück, und Lara ließ sich mit der Limousine zum Flughafen fahren, um ihn abzuholen. Als Philip durch den Zoll kam, mußte sie sofort wieder an ihren Ritter Lochinvar denken. Sie warf sich in seine Arme. »Du hast mir gefehlt«, sagte sie und drückte ihn an sich.
»Und du mir, mein Liebling.«
»Wie sehr?«
Er hielt Daumen und Zeigefinger ungefähr einen Zentimeter auseinander. »So sehr.«
»Du Biest!« sagte sie lachend. »Wo ist dein Gepäck?«
Eine Stunde später waren sie zu Hause. Marian Bell öffnete ihnen die Tür. »Willkommen daheim, Mr. Adler.«
»Danke, Marian.« Philip sah sich um. »Mir kommt's vor, als wäre ich ein Jahr fortgewesen.«
»Zwei Jahre«, sagte Lara. Sie wollte hinzufügen: »Laß mich nie wieder allein« - aber sie biß sich noch rechtzeitig auf die Unterlippe.
»Kann ich noch irgend etwas für Sie tun, Mrs. Adler?« erkundigte Marian sich.
»Nein, danke. Ich brauche Sie heute nicht mehr. Wir sehen uns morgen zur gewohnten Zeit. Ich gehe heute nicht mehr ins Büro.«
»Gut, dann bis morgen«, sagte Marian und ging.
»Nettes Mädchen«, meinte Philip.
»Ja, nicht wahr?« Lara schmiegte sich in seine Arme. »So, jetzt zeig' mir, wie sehr ich dir gefehlt habe!«
Lara fuhr drei Tage lang nicht mehr ins Büro. Sie wollte mit Philip zusammen sein, mit ihm reden, seine Nähe spüren und sich vergewissern, daß er wirklich existierte. Morgens frühstückten sie miteinander, und während Lara mit Marian arbeitete, saß Philip am Klavier und übte.
Beim Mittagessen am dritten Tag erzählte Lara Philip von der Eröffnung des Spielkasinos in Reno. »Ich wollte, du hättest dabei sein können, Liebster. Es war phantastisch!«
»Tut mir wirklich leid, daß ich das verpaßt habe.«
Er ist irgendwo unterwegs und spielt Klavier. »Aber heute in vier Wochen hast du wieder eine Chance. Der Oberbürgermeister überreicht mir die Stadtschlüssel.«
Philip schüttelte bedauernd den Kopf. »Schatz, da muß ich leider auch passen, fürchte ich.«
Lara erstarrte. »Was soll das heißen?«
»Ellerbee hat die nächste Tournee für mich zusammengestellt. In drei Wochen fliege ich nach Deutschland.«
»Das kannst du nicht!« protestierte Lara.
»Die Verträge sind bereits unterzeichnet. Daran ist nichts mehr zu ändern.«
»Du bist doch eben erst zurückgekommen! Wie kannst du sofort wieder verreisen?«
»Das ist eine wichtige Tournee, Darling.«
»Und unsere Ehe ist wohl unwichtig?«
»Lara ...«
»Dumußt nicht schon wieder verreisen«, stellte Lara aufgebracht fest. »Ich will einen Ehemann, keinen Teilzeit .«
Marian Bell kam mit einigen Briefen herein. »Oh, Entschuldigung! Ich wollte nicht stören. Hier sind die Briefe zur Unterschrift.«
»Danke, Marian«, sagte Lara kühl. »Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche.«
»Ja, Miss Cameron.«
Sie warteten, bis Marian gegangen war.
»Ich weiß, daß du Konzerte geben mußt«, sagte Lara, »aber doch nicht so oft! Du bist schließlich kein Handelsvertreter.« »Freut mich, daß du das merkst«, antwortete Philip gekränkt.
»Warum bleibst du nicht hier, um die Zeremonie mitzuerleben, und gehst dann auf Tournee?«
»Lara, ich weiß, daß dir diese Sache wichtig ist, aber du mußt verstehen, daßmir Konzertreisen nicht weniger wichtig sind. Ich bin sehr stolz auf dich und deine Erfolge, aber du sollst auch stolz auf mich sein können.«
»Das bin ich auch«, sagte Lara. »Entschuldige, Philip, ich möchte nur .« Sie gab sich alle Mühe, nicht zu weinen.
»Ich weiß, Liebling.« Er nahm sie in die Arme. »Wir finden schon eine Lösung. Wenn ich zurückkomme, machen wir ausgiebig Urlaub.«
Wie soll ich Urlaub machen? fragte Lara sich. Was würde inzwischen aus ihren Bauvorhaben?
»Wo konzertierst du diesmal, Philip?«
»In vier Ländern: Deutschland, Dänemark, Norwegen und England.«
Lara holte tief Luft. »Eine lange Reise, nicht wahr?«
»Ich wollte, du könntest mitkommen, Lara. Ohne dich ist es unterwegs verdammt langweilig.«
Sie dachte an die lachende Frau. »Wirklich?« Dann gab sie sich einen Ruck und brachte ein Lächeln zustande. »Ich mache dir einen Vorschlag: Willst du nicht den Jet nehmen? Das wäre viel bequemer für dich.«
»Weißt du bestimmt, daß du ihn nicht selbst ...?«
»Nein, nein, ich brauche ihn nicht. Ich komme auch so zurecht, bis du wieder da bist.«
»Du bist die tollste Frau der Welt!« sagte Philip bewundernd.
Lara fuhr ihm langsam mit einem Zeigefinger über die Wange. »Hoffentlich vergißt du das nie.«
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