Paul Martin kam allein, und Lara beeilte sich, ihn zu begrüßen. »Ich freue mich sehr, daß du kommen konntest, Paul.«
»Diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.« Er sah sich suchend um. »Ich möchte Philip kennenlernen.«
Lara begleitete ihn zu Philip hinüber, der sich mit einigen Gästen unterhielt. »Philip, das hier ist mein guter alter Freund Paul Martin.«
Philip streckte ihm die Hand hin. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Die beiden Männer schüttelten einander die Hand.
»Meinen Glückwunsch, Mr. Adler. Lara ist eine bemerkenswerte Frau.«
»Das sage ich ihm auch immer!« warf sie lächelnd ein.
»Das braucht mir niemand zu sagen«, wehrte Philip ab. »Ich weiß selbst, wieviel Glück ich gehabt habe.«
Paul musterte ihn prüfend. »Tatsächlich?«
Lara fühlte die plötzlich in der Luft liegende Spannung. »Wie war's mit einem Cocktail, Paul?«
»Nein, danke. Ich trinke keinen Alkohol. Hast du das vergessen?«
Lara biß sich auf die Unterlippe. »Entschuldigung. Komm, ich will dich ein paar Leuten vorstellen.« Sie hakte sich bei Paul ein, begleitete ihn durch den Raum und machte ihn mit den interessantesten Gästen bekannt.
Einer der Musiker sagte gerade: »Morgen abend gibt Leon Fleisher ein Konzert. Da muß man hin!« Er wandte sich an Paul Martin, der neben Howard Keller stand. »Haben Sie ihn schon spielen hören?«
»Nein.«
»Ein bemerkenswerter Pianist. Er spielt natürlich nur mit der linken Hand.«
Paul Martin zog die Augenbrauen hoch. »Warum denn das?«
»Fleishers rechte Hand ist seit ungefähr zehn Jahren fast gelähmt.«
»Aber wie kann er mit einer Hand ein Konzert geben?«
»Mindestens ein halbes Dutzend Komponisten haben Konzerte für die linke Hand geschrieben. Beispielsweise Demuth, Franz Schmidt, Korngold und Ravel. Das von Ravel gefällt mir besonders gut.«
Einige der Gäste baten Philip, etwas zu spielen.
»Gut, dann spiele ich für meine Frau.« Er setzte sich an den
Bechstein und begann, ein Thema aus einem Klavierkonzert von Rachmaninow zu spielen. Die Gäste hörten wie gebannt zu. Alle schienen von den Melodien, die das Penthouse erfüllten, wie hypnotisiert zu sein. Als Philip aufstand, bekam er lauten Beifall.
Eine Stunde später gingen die ersten. Als sie den letzten Gast verabschiedet hatten, meinte Philip aufatmend: »So, das wäre geschafft!«
»Du haßt große Parties, nicht wahr?« fragte Lara.
Philip schloß sie lächelnd in die Arme. »Hat man mir das angemerkt?«
»Wir geben nur alle zehn Jahre eine«, versprach Lara ihm. »Philip, hast du auch das Gefühl gehabt, unsere Gäste stammten von zwei verschiedenen Planeten?«
Seine Lippen berührten ihre Wange. »Was kümmert uns das? Wir haben unseren eigenen Planeten. Der gehört uns ganz allein ...«
Lara beschloß, in Zukunft vormittags zu Hause zu arbeiten.
»Ich möchte möglichst viel mit dir zusammen sein«, erklärte sie Philip.
Auf Laras Wunsch schickte Kathy ihr einige Sekretärinnen, die auf Stellungssuche waren, in ihr Penthouse. Als vierte oder fünfte Bewerberin kam Marian Bell herein. Sie war hübsch, blond, Mitte Zwanzig und von angenehm freundlichem Wesen.
»Nehmen Sie Platz«, forderte Lara sie auf.
»Danke.«
Lara überflog ihren Lebenslauf. »Sie haben das Wellesley College absolviert?«
»Ja.«
»Und Sie haben Ihr Studium bis zum Bachelor of Arts fortgeführt. Warum wollen Sie als Sekretärin arbeiten?«
»Ich glaube, daß ich bei Ihnen viel lernen könnte. Selbst wenn ich diesen Job nicht bekomme, bleibe ich ein großer Fan von Ihnen, Miss Cameron.«
»Tatsächlich? Weshalb?«
»Sie sind mein Vorbild. Sie haben viel erreicht - und alles aus eigener Kraft.«
Lara starrte die junge Frau forschend an. »Bei mir gibt es keinen Achtstundentag. Ich stehe recht früh auf. Wir würden hier in meiner Wohnung arbeiten. Sie müßten um sechs Uhr anfangen.«
»Das wäre kein Problem. Ich arbeite gern.«
Lara nickte lächelnd. Marian gefiel ihr. »Gut. Sie haben eine Woche Probezeit«, sagte sie.
Nach Ablauf dieser Woche wußte Lara, daß sie ein Juwel
gefunden hatte. Marian war tüchtig, intelligent und immer freundlich. Nach einiger Zeit bildete sich eine Routine heraus. Falls nichts Besonderes vorlag, arbeitete Lara morgens zu Hause. Erst nachmittags fuhr sie ins Büro.
Lara und Philip frühstückten jeden Morgen miteinander. Danach setzte Philip sich in T-Shirt und Jeans an den Bechstein und übte zwei bis drei Stunden lang, während Lara in ihr Arbeitszimmer ging und Marian diktierte. Gelegentlich spielte Philip zwischendurch alte schottische Weisen für Lara: »Annie Laurie«, »Comin' Through the Rye« oder »The Hills of Home«. Das rührte sie. Mittags aßen sie zusammen.
»Erzähl' mir von deinem Leben in Glace Bay«, forderte Philip sie auf.
»Das würde mindestens fünf Minuten dauern«, sagte sie lächelnd.
»Nein, es ist mein Ernst! Es interessiert mich wirklich.« Lara schilderte ihre Kindheit und Jugend, aber sie brachte es nicht über sich, ihren Vater mehr als nur flüchtig zu erwähnen. Als sie dann von Charles Cohn erzählte, sagte Philip: »Das war sehr anständig von ihm. Ich möchte ihn mal kennenlernen.« »Dazu hast du bestimmt Gelegenheit.«
Lara verschwieg auch ihre schlimmen Erfahrungen mit Sean MacAllister nicht. »Dieses Schwein!« rief Philip empört aus. »Ich könnte ihn umbringen!« Er drückte Lara an sich und sagte: »Niemand wird dir jemals wieder weh tun.«
In der ersten Zeit kam Lara oft ins Wohnzimmer, wenn Philip übte, und unterbrach ihn.
»Darling, wir sind übers Wochenende nach Long Island eingeladen. Möchtest du hinfahren?«
Oder: »Ich habe Karten für das neue Theaterstück von Neil Simon.«
Oder: »Howard Keller möchte am Samstagabend mit uns
essen gehen.«
Philip bemühte sich, Geduld zu haben, aber zuletzt sagte er doch: »Lara, bitte unterbrich mich nicht, wenn ich spiele. Das stört meine Konzentration.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Aber ich verstehe nicht, warum du jeden Tag üben mußt, als ob du morgen ein Konzert geben wolltest.«
»Ich übe täglich, damit ich jederzeit ein Konzert gebenkönnte. Macht ihr auf dem Bau irgendeinen Fehler, läßt er sich korrigieren. Ihr könnt die Pläne ändern, Zwischenwände einreißen, Leitungen neu verlegen und so weiter. Aber auf dem Konzertpodium bekommt man keine zweite Chance. Tritt man vor Publikum auf, muß jeder Ton sitzen.«
»Entschuldigung«, murmelte Lara. »Daran habe ich nicht gedacht.«
Philip schloß sie in die Arme. »Es gibt einen alten Witz, in dem ein Mann mit einem Geigenkasten in New York unterwegs ist. Da er sich verlaufen hat, hält er einen Unbekannten an und fragt ihn: >Wie komme ich in die Carnegie Hall?< >Üben<, antwortet der Unbekannte, >üben.<���«
Sie mußte lachen. »Zurück ans Klavier! Ich laß dich jetzt in Ruhe.«
Dann saß sie in ihrem Arbeitszimmer, hörte ihn im Hintergrund spielen und dachte:Ich habe wirklich Glück. Tausende von Frauen würden mich darum beneiden, hier sitzen und Philip Adler zuhören zu können.
Wenn er nur nicht soviel üben müßte!
Beide spielten leidenschaftlich gern Backgammon, und so saßen sie abends am Kamin und lieferten sich erbitterte Gefechte. Lara genoß diese Augenblicke, in denen sie Philip ganz für sich allein hatte.
Das Spielkasino in Reno stand kurz vor der Eröffnung. Sechs Monate zuvor hatte Lara mit Jerry Townsend die Einzelheiten der großen Eröffnungsparty besprochen.
»Ich will, daß noch in Timbuktu über unsere Eröffnung berichtet wird«, hatte sie gesagt. »Ich lasse eigens für diesen Abend den Chefkoch aus dem Pariser Maxim einfliegen. Und Sie engagieren von Frank Sinatra abwärts die besten Entertainer, die Sie kriegen können. Ich will, daß auf der Gästeliste die größten Namen aus Hollywood,
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