»Vielen Dank«, sagte Philip bescheiden.
Das Souper war ausgezeichnet, aber Philip und Lara fanden einander zu erregend, um wahrzunehmen, was sie aßen. Als der Ober fragte: »Wünschen die Herrschaften ein Dessert?«, antwortete Philip hastig: »Ja.« Aber er sah dabei Lara an.
Sein Instinkt sagte ihm, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung war. Sie war noch nie so lange auf Reisen gewesen, ohne ihm mitzuteilen, wo sie war. Wich sie ihm bewußt aus? Dafür konnte es nur eine Erklärung geben. Und das werde ich nicht zulassen, dachte Paul Martin.
Am nächsten Morgen sagte Philip: »Wir haben einen ganzen Tag und den Abend in Wien. Ich habe dir viel zu zeigen!«
Nach dem Frühstück begannen sie den Tag mit einem Spaziergang durch die Kärntnerstraße mit ihren eleganten Boutiquen, Juwelieren und Antiquitätengeschäften.
Philip nahm einen Fiaker, mit dem sie eine langsame Rundfahrt durch den ersten Bezirk machten. Dann besuchten sie Schloß Schönbrunn. Nachmittags kauften sie Karten für die Spanische Reitschule und bewunderten die Vorführungen der Lippizaner. Nachdem sie mit dem Riesenrad im Prater gefahren waren, kündigte Philip an: »So, jetzt wird gesündigt!«
»Ohhh!«
»Nein, nein«, wehrte Philip ab. »Ich habe an etwas anderes gedacht.«
Er führte Lara ins Demel, wo es den besten Kaffee und die unvergleichlich gute Sachertorte gab.
Lara war von der Wiener Mischung aus Altem und Neuem fasziniert: prachtvolle Barockpalais standen unmittelbar neben postmodernen Zweckbauten.
Philips Interesse galt den Komponisten. »Hast du gewußt, daß Franz Schubert hier als Chorknabe angefangen hat, Lara? Er hat im Knabenchor der Hofkapelle gesungen und ist natürlich rausgeflogen, als er in den Stimmbruch kam. Daraufhin beschloß er, Komponist zu werden.«
Nach dem Abendessen besuchten sie ein Heurigenlokal in Grinzing. Danach fragte Philip: »Hättest du Lust zu einer Rundfahrt auf der Donau?«
»Oh, das wäre schön!«
Es war eine Bilderbuchnacht mit Vollmond und lauer Sommerbrise. Über der im Mondschein silbern glänzenden Donau leuchteten die Sterne. Sie leuchten für uns, dachte Lara, weil wir so glücklich sind. In der Ferne sahen sie eine Sternschnuppe fallen.
»Schnell!« rief Philip. »Wünsch dir etwas!«
Lara schloß die Augen.
»Hast du dir etwas gewünscht?«
»Ja.«
»Was denn?«
Lara sah zu ihm auf. »Das darf ich nicht verraten«, sagte sie ernsthaft, »sonst geht es nicht in Erfüllung.« Ich werde dafür sorgen, daß es in Erfüllung geht, dachte sie dabei.
Philip lächelte sie an. »Herrlich, nicht wahr?«
»So schön könnte es immer sein, Philip.«
»Wie meinst du das?«
»Wir könnten heiraten.«
Nun war es heraus! Philip Adler hatte schon seit Tagen an nichts anderes mehr denken können. Er liebte Lara - aber er war sich zugleich bewußt, daß er keine feste Bindung eingehen durfte.
»Lara, das ist unmöglich!«
»Unmöglich? Warum?«
»Das habe ich dir schon erklärt, Liebling. Ich bin das ganze Jahr über auf Konzertreisen. Du könntest mich nicht ständig begleiten, oder?«
»Nein«, sagte Lara, »aber ...«
»Da hast du's! Es würde niemals klappen. Morgen in Paris zeige ich dir .«
»Ich komme nicht mit nach Paris.«
Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Wie bitte?«
Sie holte tief Luft. »Wir sehen uns nicht wieder, Philip.«
Das traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. »Aber warum nicht? Ich liebe dich, Lara! Ich .«
»Und ich liebe dich. Aber ich bin kein Groupie. Ich habe keine Lust, nur eine deiner zahlreichen Anbeterinnen zu sein, die dir nachstellen. Von denen kannst du Dutzende haben.«
»Lara, ich will nur dich. Aber du mußt einsehen, Liebling, daß unsere Ehe nie funktionieren würde. Wir haben beide einen
Beruf, der uns ausfüllt. Ich würde mir wünschen, ständig mit dir zusammen zu sein, aber das wäre unmöglich.«
»Schön, das war's dann also«, sagte Lara mit gepreßter Stimme. »Wir sehen uns nicht wieder, Philip.«
»Nicht so schnell! Bitte! Laß uns vernünftig miteinander reden, anstatt .«
»Nein, Philip. Ich liebe dich sehr, aber so kann es nicht weitergehen. Wir sehen uns nicht wieder.«
»Ich will dich aber wiedersehen«, beteuerte Philip. »Das kann nicht dein letztes Wort sein!«
»Es geht nicht anders. Ich will alles oder nichts.«
Bis das Schiff wieder anlegte und später auf der Rückfahrt ins Hotel sprachen sie kaum ein Wort miteinander. In der Hotelhalle schlug Philip vor: »Soll ich nicht noch mit hinaufkommen? Wir könnten über alles reden und .«
»Nein, mein Liebling. Wir haben nichts mehr zu besprechen.«
Er sah ihr nach, als sie in den Aufzug trat und verschwand.
Als Lara die Tür zu ihrer Suite aufschloß, klingelte das Telefon. Sie griff hastig nach dem Hörer. »Philip ...«
»Hier ist Howard. Ich habe schon den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen.«
Sie bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein, ich wollte mich bloß mal wieder melden. Hier ist ziemlich viel los. Wann kommst du voraussichtlich zurück?«
»Morgen«, antwortete Lara. »Ich bin morgen wieder in New York.« Sie legte langsam auf.
Lara saß da und starrte das Telefon an, als könnte sie es durch reine Willenskraft dazu bewegen, noch einmal zu klingeln. Zwei Stunden später war es noch immer stumm. Ich habe einen Fehler gemacht, sagte sie sich verzweifelt. Ich habe ihm ein Ultimatum gestellt und ihn dadurch verloren. Hätte ich bloß gewartet . Wäre ich nur mit ihm nach Paris gereist . Sie versuchte, sich ein Leben ohne Philip vorzustellen. Aber der Gedanke war zu schmerzhaft. Trotzdem könnte es nicht so weitergehen, überlegte sie. Ich möchte, daß wir zusammengehören. Morgen würde sie nach New York zurückfliegen.
Lara streckte sich auf dem Sofa aus - vollständig angezogen, das Telefon neben sich. Sie fühlte sich ausgelaugt. Sie wußte, daß sie auch für den Rest der Nacht kein Auge zutun würde.
Sie schlief ein.
In seiner Suite lief Philip wie ein gefangenes Raubtier auf und ab. Er war wütend auf Lara, wütend auf sich selbst. Die Vorstellung, sie nie wiederzusehen, sie nie wieder in den Armen halten zu können, war ihm unerträglich. Zum Teufel mit den Frauen! Seine Eltern hatten ihn gewarnt:Die Musik ist dein Leben. Wenn du der Beste sein willst, darf es keine Ablenkungen geben. Und bis er Lara begegnet war, hatte er sich daran gehalten. Aber jetzt war alles anders. Verdammt noch mal! Ihre Beziehung war wunderbar und verheißungsvoll. Warum hatte Lara alles zerstören müssen? Er liebte sie, aber er war sich darüber im klaren, daß er sie niemals heiraten konnte.
Das leise Klingeln des Telefons weckte Lara. Sie setzte sich schlaftrunken auf und sah auf ihre Uhr. Es war kurz vor fünf. Sie griff verschlafen nach dem Telefonhörer.
»Howard?«
Aber sie hörte Philips Stimme. »Würde es dir gefallen, in Paris zu heiraten?«
Die Hochzeit Lara Camerons mit Philip Adler machte weltweit Schlagzeilen. Als Howard Keller davon hörte, zog er los und betrank sich zum ersten Mal in seinem Leben. Er hatte sich unablässig eingeredet, Laras Verliebtheit in diesen Pianisten werde sich wieder legen. Lara und er waren ein Team. Sie gehörten zusammen. Niemand konnte sich zwischen sie drängen. Als er wieder nüchtern war, rief er Lara in Paris an.
»Wenn wahr ist, was die Zeitungen schreiben«, sagte er, »kannst du Philip bestellen, daß er der größte Glückspilz der Welt ist.«
»Es ist wahr!« versicherte Lara ihm fröhlich.
»Deine Stimme klingt glücklich.«
»Ich bin niemals glücklicher gewesen!«
»Ich ... das freut mich für dich, Lara. Wann kommst du zurück?«
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