Lara war plötzlich verlegen. »Wenn es Ihnen lieber ist, reise ich ab und .«
Er griff nach ihrer Hand. »Kommen Sie, wir steigen an der nächsten Anlegestelle aus.«
Als sie ins Hotel zurückkamen, lagen am Empfang mehrere Faxe von Howard Keller. Lara stopfte sie achtlos in ihre Handtasche. Im Augenblick erschien ihr das alles unwichtig.
»Dein Zimmer oder meines?« fragte Philip leichthin.
»Deines.«
Lara konnte ihre Ungeduld kaum noch bezähmen.
Sie hatte das Gefühl, ihr ganzes Leben lang auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Endlich hatte sie den Unbekannten gefunden, den sie liebte! Auch Philip konnte es kaum noch erwarten, bis die Tür seines Zimmers hinter ihnen ins Schloß fiel. Er nahm Lara in die Arme und küßte sie sanft und zärtlich, bevor sie begannen, einander auszuziehen.
Die Stille des Hotelzimmers wurde durch einen plötzlichen Donnerschlag durchbrochen. Der wolkenverhangene Nachthimmel öffnete seine Schleusen, und es begann zu regnen -erst nur leicht, sanft und sinnlich, bis das Tempo sich steigerte und der Regen zu einer wahren Sintflut wurde, die in stetigem, wilden Rhythmus herabprasselte, bis sie ihren Höhepunkt mit einem Finale aus Blitzen und Donnerschlägen erreichte. Dann war das Gewitter so plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte.
Lara und Philip hielten sich erschöpft in den Armen. Philip drückte Lara an sich. Er konnte ihren Herzschlag fühlen. Wäre sie Musik, dachte Philip, wäre sie ChopinsBarcarolle oder SchumannsPhantasie.
Er fühlte die sanften Kurven des Körpers, der sich an ihn schmiegte, und spürte eine neue Erregung.
»Philip ...« Ihre Stimme klang heiser.
»Ja?«
»Möchtest du, daß ich nach Mailand mitkomme?«
Er richtete sich auf den Ellbogen auf. »Ja, natürlich!«
»Gut«, murmelte Lara. Sie beugte sich über Philip, und ihr weiches Haar fiel über seinen schlanken, muskulösen Körper.
Es begann wieder zu regnen.
Als Lara endlich in ihre Suite zurückkam, rief sie Keller an. »Habe ich dich geweckt, Howard?«
»Nein.« Seine Stimme klang schlaftrunken. »Um vier Uhr bin ich immer schon wach. Was ist los dort drüben?«
Lara hätte es ihm am liebsten erzählt, aber statt dessen sagte sie nur: »Nichts. Ich fliege nach Mailand weiter.«
»Wie bitte? Dort haben wir keine Interessen.«
Doch, doch, wir haben welche! dachte Lara glücklich.
»Hast du meine Faxe gelesen?«
Die hatte sie ganz vergessen. »Noch nicht«, antwortete Lara schuldbewußt.
»Ich habe Gerüchte gehört, was das Kasino betrifft.«
»Wo gibt's Probleme?«
»Es scheint einige Beschwerden wegen des Ablaufs der Versteigerung gegeben zu haben.«
»Mach' dir deswegen keine Sorgen. Das bringt Paul Martin wieder in Ordnung.«
»Du bist der Boß.«
»Hör zu, Howard, ich möchte, daß du den Jet nach Mailand schickst. Die Piloten sollen dort auf mich warten. Ich möchte, daß sie auf dem Flughafen erreichbar sind.«
»Okay, aber .«
Um vier Uhr morgens war Paul Martin hellwach. Er hatte mehrmals auf Laras Anrufbeantworter in ihrem Penthouse gesprochen, aber sie hatte nicht zurückgerufen. Bisher hatte sie ihn stets informiert, wenn sie für ein paar Tage verreiste. Was hatte dieses plötzliche Schweigen zu bedeuten? Irgend etwas stimmte nicht. »Sei vorsichtig, Darling«, flüsterte er. »Sei ja vorsichtig!«
In Mailand quartierten Lara und Philip sich in der Antica Locanda Solferino ein, einem bezaubernden Hotel mit nur zwölf Zimmern, und verbrachten den Rest des Vormittags damit, sich leidenschaftlich zu lieben. Danach fuhren sie nach Cernobbia hinaus und aßen am Comersee in der Villa d'Este zu Mittag.
Das Konzert an diesem Abend war ein triumphaler Erfolg, und im Künstlersalon in der Scala drängten sich ausgesuchte Gäste, um Philip zu beglückwünschen.
Lara beobachtete aus dem Hintergrund, wie sie Philip umringten, ihm Komplimente machten, ihn um Autogramme baten, ihm kleine Geschenke überreichten. Es fiel ihr schwer, ihre Eifersucht zu beherrschen. Viele der Frauen waren jung und schön, und Lara hatte den Eindruck, daß ihm alle Avancen machten. Gerade sagte eine Amerikanerin in einem eleganten Fendi-Abendkleid lächelnd: »Falls Sie Lust haben, Mr. Adler, ich gebe morgen in meiner Villa ein intimes kleines Essen. Einsehr intimes Dinner.«
Lara hätte die Schlampe am liebsten erwürgt.
Philip lächelte höflich. »Äh ... vielen Dank, aber ich habe leider keine Zeit.«
Eine andere versuchte, ihm ihren Hotelschlüssel zuzustecken. Er schüttelte den Kopf.
Philip sah zu Lara hinüber und grinste. Die eleganten Damen umdrängten ihn weiter.
»Lei era magnifico, maestro!«
»Molto gentile da parte sua«, antwortete Philip.
»L'ho sentita suonare il anno scorso. Bravo!«
»Grazie«, antwortete Philip lächelnd.
Lara hatte das Gefühl, schon endlos lange gewartet zu haben. Zuletzt drängte Philip sich durch die Schar seiner Bewunderer und flüsterte Lara zu: »Komm, wir verschwinden!«
»Si!« antwortete sie lächelnd.
Zum Abendessen gingen sie ins Biffy, das Restaurant im Opernhaus. Als sie hereinkamen, erhoben sich die Gäste - die meisten von ihnen nach dem Konzert in Abendkleidung - und begannen zu applaudieren. Der Maitre d'hötel führte Philip und Lara zu einem Tisch in der Mitte des Restaurants. »Wir freuen uns, daß Sie uns die Ehre geben, Mr. Adler.«
Ein Ober servierte eine Flasche Champagner auf Kosten des Hauses, und die beiden stießen miteinander an.
»Auf uns«, sagte Philip liebevoll.
»Auf uns!«
Philip bestellte Osso buco und Penne all'arrabbiata, zwei der Spezialitäten des Hauses. Während sie aßen, unterhielten sie sich angeregt. Es war, als hätten sie sich schon immer gekannt.
Dabei wurden sie ständig von Leuten unterbrochen, die an ihren Tisch kamen, um Philip zu beglückwünschen oder um ein Autogramm zu bitten.
»So ist es immer, nicht wahr?« fragte Lara.
Philip zuckte mit den Schultern. »Das sind unvermeidliche Begleiterscheinungen. Auf je zwei Stunden auf dem Konzertpodium kommen unzählige weitere, in denen man Autogramme gibt, Bücher signiert oder Interviews gibt.«
Wie zur Illustration des Gesagten machte er eine Pause, um eine weitere Unterschrift zu leisten.
»Durch dich ist diese Tournee wundervoll geworden«, sagte Philip seufzend. »Aber das Schlimme ist, daß ich morgen nach Venedig muß. Du wirst mir sehr fehlen.«
»Ich bin noch nie in Venedig gewesen«, sagte Lara leise.
Lara Camerons Boeing 727 stand auf dem Flughafen Linate für sie bereit. Als sie dort ankamen, starrte Philip die riesige Maschine erstaunt an.
»Das istdein Flugzeug?«
»Ja. Es bringt uns nach Venedig.«
»Du verwöhnst mich, Lady!«
»Genau das habe ich vor«, sagte sie lächelnd.
Nach einem halbstündigen Flug landeten sie auf dem Flughafen Marco Polo in Venedig. Von dort fuhren sie mit einem Motorboot auf die Insel La Giudecca, auf der das Hotel Cipria-ni stand.
»Ich habe zwei Suiten für uns bestellt«, sagte Lara. »Das ist diskreter, finde ich.«
Auf der Bootsfahrt ins Hotel fragte Lara: »Wie lange bleiben wir übrigens hier?«
»Leider nur eine Nacht. Ich gebe ein Konzert im Teatro Fe-nice, und dann reisen wir nach Wien weiter.«
Das »wir« jagte Lara einen wohligen kleinen Schauder über den Rücken. Diese Frage hatten sie am Abend zuvor besprochen. »Ich möchte natürlich, daß du mich so lange wie möglich begleitest«, hatte Philip gesagt. »Aber weißt du bestimmt, daß ich dich nicht von wichtigeren Dingen abhalte?«
»Du bist mir wichtiger als alles andere.«
»Heute nachmittag kommst du wohl allein zurecht? Ich muß nämlich zur Probe.«
»Keine Angst, ich langweile mich bestimmt nicht«.
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