»Sie hat leider einen bösartigen Tumor. Ich empfehle eine sofortige Operation.«
»Ich möchte, daß Kathy von einem zweiten Arzt untersucht wird«, sagte Lara.
»Schön, wie Sie wollen, aber ich bin hier der Chefarzt und .«
»Ich möchte trotzdem eine zweite Untersuchung. Lassen Sie die Gewebeprobe bitte noch einmal analysieren. Und rufen Sie mich möglichst bald wieder an. Wo ist Kathy jetzt?« »Auf dem Rückweg ins Büro.« »Danke, Alan.«
Lara legte den Hörer auf. Sie drückte die Sprechtaste ihrer Gegensprechanlage. »Schicken Sie Kathy bitte herein, sobald sie zurückkommt.«
Lara Cameron studierte den Terminkalender auf ihrem Schreibtisch. Ihr blieben nicht einmal mehr dreißig Tage, um die Dorchester Apartments vor Baubeginn räumen zu lassen.
Sechs hartnäckige Mieter. Na schön, dachte Lara, wir werden ja sehen, wie lange ihr durchhaltet!
Kathy kam in Laras Büro. Sie war blaß und hatte rotgeweinte Augen.
»Ich habe gehört, was Dr. Peters festgestellt hat«, sagte Lara. »Das tut mir schrecklich leid, Kathy.« »Ich muß sterben!« heulte Kathy los.
Lara stand auf, umarmte sie und drückte sie tröstend an sich.
»Sie müssen überhaupt nichts. Im Kampf gegen den Krebs sind in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht worden. Sie werden operiert und wieder gesund.«
»Miss Cameron, ich kann mir keine teure Operation .«
»Die Kosten übernehme ich«, unterbrach Lara sie. »Dr. Peters veranlaßt eine Kontrolluntersuchung. Bestätigt sie seine Diagnose, sollten Sie sich schnell operieren lassen. Und jetzt fahren Sie nach Hause und ruhen sich nach all der Aufregung aus.«
Kathy hatte wieder Tränen in den Augen. »Ich . ich danke Ihnen!«
Als sie Laras Büro verließ, dachte sie: Niemand kennt diese Lady wirklich.
Am darauffolgenden Montag bekam Lara Cameron Besuch.
»Ein Mr. O'Brian von der Stadtverwaltung möchte Sie sprechen, Miss Cameron.«
»In welcher Sache?«
»Das hat er nicht gesagt.«
Lara drückte auf eine der Tasten ihrer Gegensprechanlage. »Kommst du bitte zu mir, Howard?« Zu ihrer Sekretärin sagte sie: »Schicken Sie Mr. O'Brian herein.«
Andy O'Brian war ein stämmiger, rotgesichtiger Ire. »Miss Cameron?«
Lara blieb an ihrem Schreibtisch sitzen. »Ja. Was kann ich für Sie tun, Mr. O'Brian?«
»Sie haben gegen mehrere städtische Verordnungen verstoßen, fürchte ich, Miss Cameron.«
»Tatsächlich? Worum geht's denn?«
»Ihnen gehören die Dorchester Apartments in der vierzehnten Straße?«
»Richtig.«
»Uns ist gemeldet worden, daß in den Wohnungen etwa hundert Obdachlose zusammengepfercht leben.«
»Oh,das meinen Sie.« Lara Cameron lächelte. »Nachdem die Stadt offenbar nicht in der Lage ist, die Obdachlosen unterzubringen, wollte ich privat etwas für sie tun, anstatt diese Wohnungen leerstehen zu lassen.«
Howard Keller kam herein.
»Das ist Mr. Keller ... Mr. O'Brian.«
Die beiden gaben sich die Hand.
Lara wandte sich an Keller. »Ich habe Mr. O'Brian gerade erklärt, wie wir der Stadt geholfen haben, ihren Aufgaben nachzukommen, indem wir Obdachlose von der Straße geholt haben.«
»Sie haben sie eingeladen, Miss Cameron?«
»Ganz recht.«
»Haben Sie eine städtische Genehmigung?«
»Eine Genehmigung wofür?«
»Jedes Obdachlosenheim muß von der Stadtverwaltung genehmigt sein und bestimmte Auflagen erfüllen, deren Einhaltung streng überwacht wird.«
»Tut mir leid, das habe ich nicht gewußt. Ich werde diese Genehmigung sofort einholen.«
»Ich bezweifle, daß Sie sie bekommen werden.«
»Wie meinen Sie das?«
»Bei uns sind Beschwerden der Mieter eingegangen. Angeblich versuchen Sie, die letzten Mietparteien zu vergraulen.«
»Unsinn!«
»Miss Cameron, die Stadt gibt Ihnen achtundvierzig Stunden Zeit, um diese Obdachlosen aus dem Haus zu schaffen. Und sie ordnet an, daß die Bretter, mit denen Sie die Fenster haben verschalen lassen, sofort entfernt werden müssen.«
Lara starrte ihn wütend an. »Ist das alles?«
»Nein, Ma'am. Der Mieter in der Dachwohnung sagt, daß Ihre Reklametafel ihm die Aussicht von der Terrasse versperrt. Die müssen Sie also auch abbauen lassen.«
»Und wenn ich's nicht tue?«
»Ich denke, daß Sie's tun werden. Sie ersparen sich hohe Kosten und unangenehme Publicity, wenn Sie uns nicht zwingen, Sie zu verklagen.« Andy O'Brian nickte den beiden zu. »Schönen Tag noch.«
Sie sahen ihm nach, als er das Büro verließ.
Keller wandte sich an Lara. »Wir müssen zusehen, wie wir die Leute dort wieder rauskriegen.«
»Nein.« Sie runzelte nachdenklich die Stirn.
»Was soll das heißen? Der Mann hat gesagt, daß .«
»Ich weiß, was der Mann gesagt hat. Ich will, daß du dort noch mehr Obdachlose unterbringst. Wir stopfen das ganze Gebäude mit ihnen voll. Außerdem rufst du Terry Hill an und erklärst ihm das Problem. Er soll einen Aufschub oder dergleichen erwirken. Diese sechs Mietparteien müssen bis Monatsende raus, sonst kostet uns jeder Monat drei Millionen Dollar!«
Die Gegensprechanlage summte. »Dr. Peters ist am Telefon.«
Lara nahm den Hörer ab. »Hallo, Alan.«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß die Operation beendet und gut verlaufen ist. Wir haben den Tumor restlos entfernt. Kathy wird wieder ganz gesund.«
»Wunderbar! Wann kann ich sie besuchen?«
»Sie können heute nachmittag vorbeikommen.«
»Das tue ich gern. Nochmals vielen Dank, Alan. Sie sorgen dafür, daß alle Rechnungen an mich gehen?«
»Wird gemacht.«
»Und Sie können Ihrem Verwaltungsrat sagen, daß das Krankenhaus eine Spende zu erwarten hat. Fünfzigtausend Dollar.«
Zu ihrer Sekretärin sagte Lara: »Lassen Sie Kathy Blumen schicken.« Sie sah auf ihren Terminkalender. »Ich fahre gegen sechzehn Uhr zu ihr.«
Terry Hill kam in ihr Büro. »Lara, gegen Sie ist Haftbefehl erlassen.«
»Wie bitte?«
»Sind Sie nicht aufgefordert worden, die Obdachlosen aus den Dorchester Apartments zu schaffen?«
»Ja, aber .«
»Damit kommen Sie nicht durch, Lara. Die Stadtverwaltung sitzt am längeren Hebel.«
»Will sie mich tatsächlich verhaften lassen?«
»Darauf können Sie Gift nehmen! Sie haben achtundvierzig
Stunden Zeit, diese Leute auf die Straße zu setzen.«
»Schön«, sagte Lara, »dann müssen sie eben doch wieder raus.« Sie wandte sich an Keller. »Sorg' dafür, daß sie das Gebäude verlassen, aber setz' sie nicht auf die Straße. Das wäre schäbig ... Auf der West Side, zwanzigste Straße, steht ein Dutzend Häuser leer, die wir in Eigentumswohnungen umbauen wollen. Dort kannst du sie vorläufig unterbringen. Ich will, daß sie in spätestens einer Stunde aus dem Haus sind!«
Sie sah zu Terry Hill hinüber. »Ich verschwinde, damit sie mir den Haftbefehl nicht eröffnen können. Bis es dazu kommt, hat sich der Fall erledigt.«
Dann summte die Gegensprechanlage. »Zwei Gentlemen von der Staatsanwaltschaft möchten Miss Cameron sprechen.«
Lara nickte Howard Keller zu. Er drückte auf die Sprechtaste und sagte: »Miss Cameron ist nicht da.«
Daraufhin entstand eine Pause. »Wann erwarten Sie sie zurück?«
Keller sah zu Lara hinüber, die den Kopf schüttelte, und antwortete: »Keine Ahnung, wann sie zurückkommt.« Er ließ die Sprechtaste los.
»Ich benütze den Hinterausgang«, sagte Lara.
Lara Cameron haßte Krankenhäuser, weil sie ihr das Bild ihres Vaters, der blaß und plötzlich gealtert in einem weißen Bett lag, ins Gedächtnis zurückriefen. Was tust du hier, verdammt noch mal? Daheim wartet Arbeit auf dich!
Sie betrat Kathys Zimmer, in dem ihre Blumen standen. Kathy war wach, aber sichtlich angegriffen.
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