Lara stieß einen Freudenschrei aus. Sie rief sofort Keller an.
»Wir haben's geschafft!«jubelte sie am Telefon. »DieTimes findet uns gut!«
Er setzte sich benommen auf. »Großartig. Was schreiben sie denn?«
Lara las ihm den ganzen Artikel vor. »Schön«, sagte Keller, »darf ich jetzt weiterschlafen?«
»Schlafen? Soll das ein Witz sein? Ich bin längst dabei, das nächste Projekt zu planen. Ich möchte, daß du heute wegen neuer Kredite .«
Das Cameron Plaza in New York war ein triumphaler Erfolg. Es war sofort ausgebucht, so daß neue Gäste sich auf eine Warteliste setzen lassen mußten.
»Das ist erst der Anfang«, erklärte Lara ihrem Vertrauten Howard Keller. »In dieser Stadt gibt es Zehntausende von Bauunternehmern - aber nur eine Handvoll großer Namen wie Tisch, Rudin, Rockefeller und Stern. Wir werden in ihrem Sandkasten spielen, ob es ihnen nun paßt oder nicht. Unsere Bauten werden die Skyline verändern. Wir erfinden die Zukunft!«
Lara begann, Anrufe von Banken zu erhalten, die ihr Kredite anboten. Zur Kontaktpflege lud sie wichtige Immobilienmakler zum Dinner und ins Theater ein. Bei ihren Arbeitsessen im Regency hörte sie von Objekten, die noch auf den Markt kommen sollten. Lara kaufte zwei weitere Grundstücke in bester Lage in Manhattan und gab die Planung für neue Bürogebäude in Auftrag.
Paul Martin rief sie im Büro an. »Hast du die letzte Ausgabe derBusiness Week gelesen?« fragte er. »Du bist ein ganz heißer Tip. Lara Cameron, die große Macherin!«
»Ich gebe mir Mühe.«
»Hast du Zeit, mit mir zu Abend zu essen?«
»Die Zeit nehme ich mir.«
Lara Cameron war in einer Besprechung mit den Partnern eines großen Architekturbüros. Sie begutachtete die Entwürfe, die sie mitgebracht hatten.
»Die werden Ihnen gefallen«, sagte der Chefarchitekt. »Wir haben die von Ihnen geforderte großzügige Eleganz konsequent verwirklicht. Lassen Sie mich Ihnen ein paar Detaillösungen zeigen, die ...«
»Danke, das ist nicht nötig«, sagte Lara. »Ich kann Baupläne lesen.« Sie sah auf. »Ich möchte, daß Sie diese Pläne einem Künstler geben.«
»Wie bitte?«
»Ich möchte große Farbzeichnungen des Gebäudes. Ich möchte Zeichnungen von der Eingangshalle, den Fluren und den Büros. Bankleute haben keine Phantasie. Ich will ihnenzeigen, wie das Gebäude aussehen wird.«
»Eine großartige Idee!«
Laras Sekretärin kam herein. »Entschuldigen Sie, daß ich so spät komme, aber .«
»Die Besprechung war für neun Uhr angesetzt, Kathy. Jetzt ist es neun Uhr fünfzehn.«
»Entschuldigen Sie, Miss Cameron, aber mein Wecker hat nicht geklingelt, und ich .«
»Darüber können wir später reden.« Sie wandte sich wieder an die Architekten. »Ich möchte ein paar Dinge geändert haben .«
Zwei Stunden später waren alle gewünschten Änderungen besprochen. Nachdem die Architekten gegangen waren, nickte Lara ihrer Sekretärin zu. »Bleiben Sie noch. Setzen Sie sich.«
Kathy nahm Platz.
»Gefällt Ihnen Ihr Job?«
»Ja, Miss Cameron.«
»Diese Woche sind Sie schon dreimal zu spät ins Büro gekommen. Ich hasse Unpünktlichkeit und habe nicht die Absicht, mich damit abzufinden.«
»Tut mir schrecklich leid, aber ich . ich fühle mich in letzter Zeit nicht besonders.«
»Wo liegt das Problem?«
»Ach, es ist weiter nichts.«
»Aber offensichtlich ernst genug, um Sie daran zu hindern, pünktlich ins Büro zu kommen. Los, raus mit der Sprache!«
»Ich schlafe in letzter Zeit sehr schlecht. Ich habe ehrlich gesagt Angst.«
»Angst wovor?« fragte Lara ungeduldig.
»Ich . ich habe einen Knoten in der Brust.«
»Oh.« Lara schwieg einen Augenblick. »Und was hat der Arzt gesagt?«
Kathy schluckte. »Ich bin bei keinem Arzt gewesen.«
»Bei keinem Arzt gewesen!« wiederholte Lara aufgebracht. »Sie können doch nicht einfach den Kopf in den Sand stecken! Natürlich müssen Sie zu einem Arzt.«
Sie griff nach dem Telefonhörer. »Verbinden Sie mich mit Dr. Peters.«
Lara legte auf. »Wahrscheinlich ist Ihr Knoten gutartig, aber trotzdem muß er untersucht werden.«
»Meine Mutter ist an Krebs gestorben«, murmelte Kathy bedrückt. »Ich will von keinem Arzt hören, daß ich auch Krebs habe.«
Das Telefon klingelte. Lara nahm den Hörer ab. »Hallo? ... Was ist er? ... Das ist mir egal. Sagen Sie ihm, daß ich ihn sofort sprechen will.«
Sie legte wieder auf.
Eine halbe Minute später klingelte das Telefon erneut. Sie nahm den Hörer ab. »Hallo, Alan ... Nein, mir geht's gut. Ich schicke Ihnen Kathy Turner, meine Sekretärin. Sie ist in einer halben Stunde drüben. Ich möchte, daß Sie sie noch heute morgen untersuchen und sich persönlich um ihren Fall kümmern ... Ja, ich weiß, daß Sie das sind ... Vielen Dank, Alan. Bis bald!«
Lara legte auf. »Kathy, Sie fahren sofort ins Sloan-Kettering-Hospital. Dort werden Sie von Dr. Peters erwartet.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Miss Cameron.«
»Sagen Sie, daß Sie morgen pünktlich kommen werden.«
Howard Keller kam in ihr Büro. »Wir haben ein Problem, Boss.«
»Ja?«
»Es geht um das Grundstück in der vierzehnten Straße. Wir haben den ganzen Block geräumt - bis auf dieses alte Apartmentgebäude, die Dorchester Apartments. Sechs der Mieter wollen nicht ausziehen, und die Stadt genehmigt uns keine Zwangsräumung.«
»Dann müssen wir ihnen mehr Geld bieten.«
»Um Geld geht es hier nicht. Diese Leute wohnen schon lange dort. Sie wollen nicht ausziehen. Sie leben dort sehr behaglich.«
»Dann müssen wir's ihnen unbehaglich machen.«
»Wie meinst du das?«
Lara stand auf. »Komm, wir sehen uns das Gebäude mal an.«
Unterwegs sahen sie Obdachlose, die in Mülltonnen wühlten und Passanten anbettelten.
»Für ein so reiches Land ist das eine Schande!« sagte Lara aufgebracht.
Die Dorchester Apartments waren ein fünfstöckiger Klinkerbau zwischen abbruchreifen Gebäuden, die alle bereits geräumt waren.
Lara stand auf der anderen Straßenseite und begutachtete den alten Bau kritisch. »Wie viele Apartments sind das dort drüben?«
»Sechzehn stehen schon leer, aber sechs Mietparteien wollen nicht ausziehen.«
»Wir könnten also über sechzehn Wohnungen verfügen?«
Keller warf ihr einen fragenden Blick zu. »Ja, das stimmt. Warum?«
»Ich möchte, daß in diese freien Apartments Leute einziehen.«
»Wir sollen sie vermieten? Was hätten wir davon, wenn sie doch bald wieder .«
»Wir vermieten sie nicht. Wir stellen sie Obdachlosen zur Verfügung. In dieser Stadt gibt es Zehntausende von Obdachlosen. Wir verschaffen wenigstens einigen von ihnen ein Dach über dem Kopf. Du sorgst dafür, daß möglichst viele reingepackt und anständig verpflegt werden.«
Keller runzelte die Stirn. »Was bringt mich auf die Idee, daß das keiner deiner besseren Einfälle ist?«
»Howard, so erweisen wir uns als Wohltäter. Wir tun etwas, wozu die Stadtverwaltung nicht imstande ist: Wir beherbergen die Obdachlosen.«
Lara begutachtete die Dorchester Apartments erneut. »Und ich will, daß die Fenster aller leerstehenden Wohnungen mit Brettern verschalt werden.«
»Wozu denn das?«
»Wir sorgen dafür, daß das Gebäude abbruchreif aussieht. Ist die Wohnung ganz oben - die mit der Dachterrasse - noch vermietet?«
»Ja.«
»Laß eine große Reklametafel anbringen, um dem Mieter die Aussicht zu versperren.«
»Aber .«
»An die Arbeit, Howard!«
Als Lara in ihr Büro zurückkam, hatte Dr. Peters angerufen. »Er möchte, daß Sie zurückrufen«, sagte Tricia. »Verbinden Sie mich mit ihm.« Der Arzt war sofort am Apparat.
»Lara, ich habe Ihre Assistentin untersucht. Wir haben eine Gewebeprobe entnommen.« »Ja?«
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