Nachmittags rief er an.
»Danke für die Blumen. Ich bin's nicht gewöhnt, daß schöne Frauen mir Blumen schicken.« Seine Stimme klang noch barscher als sonst.
»Wissen Sie, was Ihr Problem ist?« fragte Lara. »Sie sind niemals genug verwöhnt worden.« »Haben Sie denn vor, mich zu verwöhnen?« »Und wie!« Paul Martin lachte. »Das ist mein Ernst.« »Ja, ich weiß.«
»Wollen wir beim Lunch weiter darüber reden?« schlug Lara vor.
Paul Martin hatte es nicht geschafft, Lara aus seinen Gedanken zu verdrängen. Er wußte, daß es ganz leicht gewesen wäre, sich in sie zu verlieben. Und obwohl er sich darüber im klaren war, daß es besser gewesen wäre, sie nicht wiederzusehen, konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Laras Anziehungskraft war
stärker als seine Willenskraft.
Sie trafen sich zum Lunch im Club »21«.
»Wer etwas geheimzuhalten versucht«, stellte Paul Martin fest, »sollte es immer öffentlich tun. Dann kommt niemand auf die Idee, man täte etwas Verbotenes.«
»Versuchen wir denn, etwas geheimzuhalten?« erkundigte Lara sich halblaut.
Er traf seine Entscheidung. Sie ist klug und schön - aber das sind tausend andere Frauen auch, überlegte er. Es kann nicht schwierig sein, sie anschließend zu vergessen. Einmal gehst du mit ihr ins Bett, und damit ist der Fall erledigt.
Ein Irrtum, wie sich zeigen sollte.
In Laras Apartment war Paul unerklärlich nervös.
»Ich komme mir wie ein Schuljunge vor«, sagte er. »Ich bin außer Übung.«
»Liebe ist wie Radfahren«, murmelte Lara. »Das verlernt man nie. Komm, laß dich ausziehen.«
Sie zog ihm die Jacke aus, löste den Krawattenknoten und machte sich daran, sein Hemd aufzuknöpfen.
»Du weißt, daß daraus nichts Ernstes werden kann, Lara.«
»Ja, ich weiß.«
»Ich bin zweiundsechzig. Ich könnte dein Vater sein!«
Sie machte eine kurze Pause, weil sie sich an ihren Traum erinnerte. »Ja, ich weiß.« Sie zog ihn weiter aus. »Du hast einen schönen Körper.«
»Oh ... danke.« Das hatte ihm noch keine Frau gesagt.
Laras Hände glitten über seine Oberschenkel. »Du bist sehr stark, nicht wahr?«
Er richtete sich unwillkürlich etwas auf. »Im College habe ich Basketball gespielt und .«
Ihre Lippen lagen auf seinen, und dann waren sie im Bett, und er erlebte etwas, das er noch nie in seinem Leben an sich erfahren hatte. Er hatte das Gefühl, sein Körper stehe in Flam-men. Sie liebten sich, und er glaubte, auf einem Fluß dahinzu-treiben, der ihn schneller und schneller mitriß - in samtschwarzes Dunkel, das zu tausend Sternen explodierte. Und das Wunder war, daß sich das noch einmal und noch einmal wiederholte, bis er atemlos und erschöpft neben ihr lag.
»Unglaublich!« keuchte er.
Sein eheliches Liebesleben war stets ziemlich konventionell gewesen. Mit Lara wurde daraus ein unerhört sinnliches Erlebnis. Paul hatte schon mit vielen Frauen geschlafen, aber Lara war anders als alle anderen. Sie schenkte ihm etwas, das ihm noch keine Frau gegeben hatte: Bei ihr fühlte er sich jung.
Während Paul sich anzog, fragte Lara: »Sehen wir uns wieder?«
»Ja.« Gott steh' mir bei, dachte er. »Ja.«
Die achtziger Jahre waren eine Zeit des Wechsels. Ronald Reagan wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt, und die Wall Street erlebte den umsatzstärksten Tag ihrer Geschichte. Der Schah von Persien starb im Exil, und der ägyptische Präsident Anwar As Sadat wurde ermordet. Die amerikanische Staatsverschuldung überschritt eine Billion Dollar, und die US-Geiseln im Iran kamen frei. Sandra Day O'Connor wurde als erste Frau Richterin des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten.
Lara Cameron war zur rechten Zeit am rechten Ort. Die Immobilienbranche erlebte einen Boom. Geld war reichlich vorhanden, und die Banken waren bereit, selbst hochspekulative und mit sehr wenig Eigenkapital in Angriff genommene Projekte zu finanzieren.
Die amerikanischen Sparbanken erwiesen sich als ergiebige Kapitalquelle. Als Junk Bonds bekannte Schuldenverschreibungen mit hohem Ertrag und hohem Risiko, die das junge Finanzgenie Mike Milken populär gemacht hatte, waren Manna für die Immobilienbranche. Baudarlehen konnte jeder bekommen, der nur danach fragte.
»Auf meinem Grundstück in der neunundsechzigsten Straße baue ich statt eines Bürogebäudes ein Hotel«, entschied Lara.
»Weshalb?« fragte Howard Keller. »Für ein Bürogebäude wäre das die ideale Lage. Ein Hotel braucht Tag und Nacht eine Menge Personal, und die Gäste wechseln ständig. Ein Bürogebäude wird gleich für fünf oder zehn Jahre vermietet.«
»Ich weiß, aber mit einem Hotel ist einfach mehr anzufangen, Howard. Man kann wichtige Leute in Suiten unterbringen und ins eigene Restaurant einladen. Diese Idee gefällt mir -also wird es ein Hotel. Ich möchte, daß du Gesprächstermine mit den New Yorker Toparchitekten vereinbarst: Skidmore, Owings und Merrill, Peter Eisenman und Philip Johnson.«
Die Gespräche fanden in den folgenden zwei Wochen statt. Manche der Architekten traten etwas gönnerhaft auf. Sie hatten noch nie für einen weiblichen Auftraggeber gearbeitet.
Einer von ihnen sagte: »Am besten kopieren wir .«
»Nein«, unterbrach Lara ihn energisch. »Wir bauen ein Hotel, dasandere kopieren. Versuchen Sie's mal mit >Eleganz<, falls Sie ein Stichwort brauchen. Ich sehe ein von zwei Fontänen flankiertes Portal vor mir, das in eine Hotelhalle aus italienischem Marmor führt. Unmittelbar neben der Halle liegen großzügige Konferenzräume für .«
Nach jeder Besprechung waren die Teilnehmer beeindruckt.
Lara Cameron stellte ein neues Team zusammen. Sie entschied sich für den Anwalt Terry Hill, stellte Jim Belon als ihren persönlichen Assistenten ein, gewann Tom Chriton als Projektmanager und übertrug die Werbung der Agentur Tom Scott. Nachdem das Büro Higgins, Almont & Clark den Planungsauftrag erhalten hatte, konnte das Projekt anlaufen.
»Wir treffen uns einmal in der Woche«, erklärte Lara ihrem Team, »aber ich will von allen tägliche Berichte. Das Hotel soll
termingerecht und ohne Kostenüberschreitung entstehen. Ich habe Sie ausgewählt, weil Sie in Ihren jeweiligen Fachgebieten Spitze sind. Lassen Sie mich also nicht im Stich! Noch Fragen, Gentlemen?« Es dauerte gut zwei Stunden, alles zu beantworten. Später fragte Lara Keller: »Wie ist die Besprechung deiner Ansicht nach gelaufen?« »Prima, Boss.«
Das war das erste Mal, daß Howard sie so nannte. Es gefiel ihr.
Charles Cohn rief sie an. »Ich bin in New York. Können wir uns zum Lunch treffen?« »Und ob wir das können.« Sie saßen bei Sardi's.
»Sie sehen wundervoll aus«, sagte Cohn. »Erfolg steht Ihnen gut, Lara.«
»Es geht erst los!« versicherte sie. »Charles . hätten Sie nicht Lust, zu Cameron Enterprises zu kommen? Ich beteilige Sie an der Firma, und Sie .«
Er schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, aber das wäre nichts für mich. Sie sind auf dem Weg nach oben. Ich bin fast am Ende der Straße angelangt. Nächstes Jahr trete ich in den Ruhestand.«
»Auch dann müssen wir in Verbindung bleiben«, sagte Lara. »Ich möchte Sie nicht verlieren.«
Als Paul Martin wieder in Laras Apartment war, sagte sie lächelnd: »Ich habe eine Überraschung für dich, Darling.« Sie zeigte auf ein Dutzend Schachteln auf ihrem Bett. »He, ich habe doch gar nicht Geburtstag!« protestierte er. »Komm, mach' sie auf.«
Jede Schachtel enthielt ein Hemd von Bergdorf-Goodman und eine dazu passende Krawatte von Gucci.
»Hemden und Krawatten habe ich reichlich!« sagte er lachend.
»Aber nicht solche«, stellte Lara fest. »Darin fühlst du dich garantiert jünger. Und ich habe dir den Namen eines guten Schneiders besorgt.«
In der folgenden Woche schickte sie ihn zu einem Friseur.
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