Je näher der entscheidende Tag kam, desto nervöser wurde Lara. Sie ließ Tom Scott, den Direktor ihrer Werbeagentur, zu sich kommen.
»Haben Sie kleine Kinder, Mr. Scott?«
Er war sichtlich überrascht. »Nein. Warum?«
»Ich habe mir eben die neue Werbekampagne angesehen, die von einem geistig behinderten Kleinkind zu stammen scheint. Ich kann nicht glauben, daß erwachsene Männer sich hingesetzt und solchen Schwachsinn zu Papier gebracht haben sollen.«
Scott runzelte die Stirn. »Wenn Ihnen irgend etwas daran mißfällt .«
»Alles daran mißfällt mir«, sagte Lara. »Sie ist langweilig. Sie ist einfallslos. Sie wäre für jedes beliebige Hotel passend. Dies ist nichtirgendein Hotel, Mr. Scott, sondern das schönste und modernste Hotel New Yorks. Sie schildern es als kalten, gesichtslosen Prachtbau. Dabei ist es ein warmes, behagliches Zuhause in der Fremde.Das muß rüberkommen! Können Sie unseren zukünftigen Gästen das vermitteln?«
»Ich versichere Ihnen, daß wir das können. Wir arbeiten eine neue Kampagne aus, und in vierzehn Tagen .«
»Montag«, unterbrach Lara ihn. »Ich möchte die neue Kampagne bis Montag sehen.«
Die neu gestalteten Anzeigen erschienen in Zeitungen und Zeitschriften in ganz Amerika.
»Unsere Werbekampagne schlägt großartig ein«, berichtete Tom Scott. »Sie haben recht gehabt.«
»Ich will aber nicht recht haben«, stellte Lara fest. »Ich möchte, daßSie recht haben. Dafür bezahle ich Sie nämlich.«
Sie wandte sich an Jerry Townsend, ihren PR-Mann.
»Sind alle Einladungen verschickt?«
»Ja, Miss Cameron. Die Rücklaufquote ist erstaunlich hoch. Alle Welt kommt zur Eröffnung. Das wird 'ne tolle Party!«
»Hoffentlich«, warf Howard Keller ein. »Schließlich kostet sie uns ein Vermögen.«
»Hör auf, immer wie ein Bankier zu denken«, wies Lara ihn zurecht. »Allein die Publicity ist Hunderttausende wert. Mit Dutzenden von Prominenten sind wir .«
Keller hob abwehrend die Hand. »Schon gut, schon gut.«
Drei Wochen vor dem Eröffnungstermin schien alles gleichzeitig zu passieren. Die Tapeten waren inzwischen längst an den Wänden; jetzt wurden Teppichböden verlegt, Korridore gestrichen und Bilder aufgehängt. Mit einem Stab von fünf Mitarbeitern inspizierte Lara jeden einzelnen Raum.
In einer Suite gefielen ihr die Vorhänge nicht. »Sie passen nicht zu den Möbeln. Tauschen Sie sie gegen die aus der Suite nebenan aus.«
In einer anderen Suite probierte sie den Flügel. »Der ist verstimmt. Lassen Sie einen Klavierstimmer kommen.«
In einer weiteren Suite funktionierte der elektrische Kamin nicht. »Sorgen Sie dafür, daß er repariert wird.«
Ihre gestreßten Mitarbeiter hatten den Eindruck, Lara Came-ron versuche, alles selbst zu erledigen. Sie war in der Hotelküche, der Wäscherei und den Besenkammern. Sie war überall gleichzeitig, überprüfte alles, beanstandete vieles und gab ständig Anweisungen.
»Nehmen Sie's nicht so genau, Miss Cameron«, riet ihr der neue Hotel direktor. »Bei jeder Hotel er öffnung gibt's kleinere
Pannen.«
»Nicht in meinem Hotel«, sagte Lara. »Nicht in meinem Hotel!«
Am Eröffnungstag war Lara, die vor Nervosität nicht mehr schlafen konnte, schon um vier Uhr auf den Beinen. Sie hatte das Bedürfnis, mit Paul Martin zu reden, aber sie wußte, daß sie ihn jetzt unmöglich anrufen konnte. Also zog sie sich an und machte einen Spaziergang.
Alles klappt tadellos, sagte sie sich. Der Computer für die Reservierung wird instandgesetzt. Der dritte Herd links wird repariert. Das Schloß von der Suite sieben wird ausgetauscht. Für Zimmermädchen, die gestern gekündigt haben, findet sich auch Ersatz. Die Klimaanlage im Penthouse funktioniert wieder .
Ab achtzehn Uhr trafen die Gäste ein. Uniformierte Portiers an den Hoteleingängen kontrollierten die Einladungen. Lara Cameron hatte die Liste sorgfältig durchgesehen, eine Mischung aus Berühmtheiten, bekannten Sportlern und prominenten Geschäftsleuten, und die Namen aller bekannten Trittbrettfahrer und Möchtegern-Prominenten gestrichen.
Jetzt stand sie in der geräumigen Hotelhalle, um ihre Gäste zu begrüßen. »Ich bin Lara Cameron. Ich freue mich, daß Sie gekommen sind ... Sie können sich gern überall umsehen.«
Lara nahm Keller beiseite. »Warum kommt der Oberbürgermeister nicht?«
»Weißt du, er ist ein vielbeschäftigter Mann und .«
»Er hält mich nicht für wichtig genug, willst du sagen.«
»Eines Tages wird er seine Meinung ändern.«
Immerhin kreuzte einer der Assistenten des Oberbürgermeisters auf.
»Danke, daß Sie gekommen sind«, sagte Lara zur Begrüßung. »Das ist eine Ehre für mein Hotel.«
Lara hielt nervös nach Todd Grayson Ausschau, den sie als Architekturkritiker derNew York Times ebenfalls eingeladen hatte. Gefällt ihm das Hotel, überlegte sie sich, kann nichts mehr schiefgehen.
Paul Martin erschien mit seiner Frau. Lara, die Mrs. Martin noch nicht kannte, sah sich einer attraktiven, eleganten Dame gegenüber. Die Begegnung weckte in Lara unerwartete Schuldgefühle.
Paul trat auf sie zu. »Miss Cameron, ich bin Paul Martin. Und das ist meine Frau Nina. Danke für Ihre Einladung.«
Sie drückte seine Hand eine Sekunde länger als notwendig. »Ich freue mich, daß Sie kommen konnten. Fühlen Sie sich bitte ganz wie zu Hause.«
Er sah sich in der Hotelhalle um, die er schon dutzendmal besichtigt hatte. »Wunderbar!« rief er aus. »Damit werden Sie sehr erfolgreich sein.«
Mrs. Martin starrte Lara an. »Davon bin ich überzeugt.«
Und Lara fragte sich, ob sie von ihrem Verhältnis mit Paul wußte.
Die Gäste kamen jetzt in Scharen.
Eine Stunde später stand Lara noch immer in der Hotelhalle, als Keller auf sie zugehastet kam. »Um Himmels willen«, sagte er, »alle fragen sich schon, wo du bleibst! Die Gäste sind alle beim Dinner im Ballsaal. Was tust du hier draußen?«
»Todd Grayson ist noch nicht da. Ich warte auf ihn.«
»Du meinst den Architekturkritiker derTimes. Den habe ich schon vor einer Stunde gesehen.«
»Was?«
»Ja. Er hat eine der Führungen durchs Hotel mitgemacht.«
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Ich dachte, du hättest ihn längst begrüßt.«
»Was hat er gesagt?« fragte Lara gespannt. »Ist er beeindruckt gewesen?«
»Gesagt hat er eigentlich nichts. Ob er beeindruckt gewesen ist, weiß ich nicht.«
»Hat er nichtirgend etwas gesagt?«
»Nein.«
Lara runzelte die Stirn. »Hätte ihm mein Hotel gefallen, hätte er bestimmt irgend etwas gesagt. Das ist ein schlechtes Zeichen, Howard.«
Die Eröffnungsparty war ein Riesenerfolg. Die Gäste aßen und tranken und ließen ihre Gastgeberin hochleben. Beim Abschied wurde Lara mit Komplimenten überhäuft.
»Wirklich ein wundervolles Hotel, Miss Cameron .«
»In Zukunft wohne ich immer hier, wenn ich nach New York komme .«
»Eine großartige Idee, in jede Suite einen Flügel zu stellen .«
»Am besten gefallen mir die offenen Kamine .«
»Ich werde das neue Haus allen Freunden empfehlen .«
Nun, dachte Lara, selbst wenn dieNew York Times es nicht mag, wird es sensationell erfolgreich.
Paul Martin und seine Frau kamen an ihr vorbei.
»Damit ist Ihnen ein großer Wurf gelungen, Miss Cameron. Ganz New York wird davon schwärmen.«
»Sehr freundlich von Ihnen, Mr. Martin«, antwortete Lara. »Vielen Dank, daß Sie gekommen sind.«
»Gute Nacht, Miss Cameron«, sagte Nina Martin.
»Gute Nacht.«
Als die beiden zur Drehtür gingen, hörte Lara sie fragen: »Sie ist eine Schönheit, findest du nicht auch, Paul?«
Als am nächsten Donnerstag die Morgenausgabe derNew York Times ausgeliefert wurde, war Lara schon um Viertel nach vier am Zeitungskiosk an der Kreuzung zweiundvierzigste Straße und Broadway, um ein druckfrisches Exemplar zu kaufen. Sie schlug hastig den Lokalteil auf. Todd Graysons Artikel begann mit den Worten:Manhattan hat schon lange ein Hotel gebraucht, das Reisende nicht an die Tatsache erinnert, daß sie in einem Hotel wohnen. Die Suiten im Cameron Plaza sind großzügig geschnitten, elegant ausgestattet und mit Geschmack eingerichtet. Dank Lara Camerons Engagement besitzt New York endlich ...
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