»Na, wie geht's?« fragte Lara.
Kathy lächelte schwach. »Dr. Peters sagt, daß ich wieder ganz gesund werde.«
»Das will ich hoffen! Im Büro liegt eine Menge Arbeit für Sie. Ich brauche Sie dringend.«
»Ich ... ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.« »Sie brauchen sich nicht zu bedanken.«
Lara nahm den Hörer des Telefons auf Kathys Nachttisch ab und wählte die Nummer ihres Büros. Sie sprach mit Terry Hill.
»Sind sie noch da?«
»Sie sind noch da. Sie wollen bleiben, bis Sie zurückkommen.«
»Stellen Sie fest, wie weit Keller schon ist. Sobald das Gebäude geräumt ist, komme ich zurück.«
Lara legte auf.
»Rufen Sie mich an, falls Sie irgendwas brauchen«, sagte sie zu Kathy. »Ich schaue morgen wieder vorbei. Gute Besserung!«
Als nächstes fuhr Lara zum Architekturbüro Higgins, Almont & Clark. Dort wurde sie von Mr. Clark empfangen, der aufstand, als sie sein Büro betrat.
»Was für eine angenehme Überraschung! Was kann ich für Sie tun, Miss Cameron?«
»Haben Sie die Pläne für das Bauvorhaben in der vierzehnten Straße hier?«
»Ja, natürlich.« Clark trat an die Wand zwischen den Fenstern. »Bitte sehr!«
Der große Ansichtsplan zeigte einen von Apartmentgebäuden und Geschäften umgebenen eleganten Wohnturm.
»Ich möchte, daß Sie die Pläne ändern«, sagte Lara.
»Wie bitte?«
Lara zeigte auf die Stelle, wo die Dorchester Apartments standen. »Hier steht ein Gebäude, das nicht abgerissen werden darf. Ich möchte, daß Sie die Planung so abändern, daß unser Komplex um dieses Gebäude herum entsteht.«
»Sie wollen um eines der alten Gebäude herumbauen? Unmöglich! Das würde scheußlich aussehen und .«
»Tun Sie bitte, was ich sage. Schicken Sie mir die neuen Pläne bis morgen mittag ins Büro.«
Sie nickte Clark freundlich zu und ging.
Aus dem Auto telefonierte sie erneut mit Terry Hill. »Haben Sie schon von Howard gehört?«
»Ja. Die Obdachlosen sind alle umquartiert.«
»Schön. Rufen Sie den Staatsanwalt an. Erklären Sie ihm, daß ich die Obdachlosen schon vor zwei Tagen aufgefordert habe, die Dorchester Apartments zu räumen. Leider hat es dabei eine Übermittlungspanne gegeben, aber als ich heute davon erfahren habe, sind sie sofort ausquartiert worden. Im Augenblick bin ich auf der Rückfahrt ins Büro. Fragen Sie ihn, ob er mich noch immer verhaften lassen will.«
Zu ihrem Chauffeur sagte sie: »Wir fahren durch den Park. Lassen Sie sich Zeit.«
Als Lara eine halbe Stunde später ins Büro zurückkam, waren die Männer mit dem Haftbefehl fort.
Lara Cameron war in einer Besprechung mit Howard Keller und Terry Hill.
»Die Mieter bleiben leider stur«, berichtete Keller. »Ich habe sie einzeln aufgesucht und ihnen mehr Geld geboten. Sie wollen auf keinen Fall ausziehen. Dabei sollen die Abbrucharbeiten schon in fünf Tagen beginnen!«
»Ich habe Mr. Clark gebeten, das Projekt umzuplanen«, sagte Lara.
»Den neuen Plan kenne ich«, antwortete Keller. »Aber auch der hilft uns nicht weiter. Das alte Gebäude kann unmöglich mitten in dem neuen Komplex stehenbleiben. Wir müssen mit der Bank verhandeln, damit sie einer Verschiebung des Baubeginns zustimmt.«
»Nein«, widersprach Lara. »Ich will, daß er sogar vorverlegt wird.«
»Wie bitte?«
»Sieh zu, daß du den Abbruchunternehmer erreichst. Er soll morgen früh mit der Arbeit anfangen.«
»Morgen? Lara ...«
»Gleich morgen früh. Und nimm diesen Plan für den Vorarbeiter der Abrißkolonne mit.«
»Was soll das nützen?« fragte Keller.
»Wart's nur ab!«
Am frühen Morgen des nächsten Tages wurden die verbliebenen Bewohner der Dorchester Apartments durch ratternde Preßlufthämmer, dumpfe Schläge einer Abrißbirne und das Poltern einstürzender Mauern aus dem Schlaf gerissen. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihnen, daß mit dem Abriß der Nachbarhäuser begonnen worden war. Die Mieter waren zunächst sprachlos.
Mr. Hershey aus der Dachwohnung stürmte aus dem Haus und fragte sich zum Vorarbeiter der Abrißkolonne durch. »Was machen Sie da?« kreischte er aufgeregt. »Das dürfen Sie nicht!«
»Wer sagt das?«
»Die Stadt hat den Abriß verboten!« Er zeigte auf das Gebäude, in dem er wohnte. »Das Haus dort drüben darf nicht abgerissen werden.«
Der Vorarbeiter warf einen Blick auf den vor ihm liegenden Plan. »Stimmt«, bestätigte er. »Dieses Gebäude sollen wir stehenlassen.«
Hershey runzelte die Stirn. »Wie bitte? Moment, das will ich selbst sehen!« Nach einem Blick auf den Plan holte er erschrocken tief Luft. »Sie wollen den neuen Komplex um unser Gebäude herum bauen?«
»Richtig, Mister.«
»Aber das dürfen Sie nicht! Der Lärm, der Dreck, das ...«
»Das ist nicht mein Problem. Lassen Sie mich jetzt bitte durch, ich muß weiterarbeiten.«
Eine halbe Stunde später sagte Laras Sekretärin: »Auf Leitung
zwei möchte Sie ein Mr. Hershey sprechen, Miss Cameron.«
»Ich bin im Augenblick nicht da.«
Als Hershey nachmittags zum dritten Mal anrief, nahm Lara endlich den Hörer ab und sprach mit ihm.
»Ja, Mr. Hershey? Was kann ich für Sie tun?«
»Ich würde gern mal bei Ihnen vorbeikommen, Miss Came-ron.«
»Tut mir leid, aber ich bin sehr beschäftigt. Was Sie zu sagen haben, können Sie mir am Telefon sagen.«
Hershey räusperte sich. »Nun, ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß ich mit den übrigen Mietern gesprochen habe. Wir sind uns darüber einig, daß es vielleicht doch besser wäre, Ihr Angebot anzunehmen und auszuziehen.«
»Mein Angebot gilt nicht mehr, Mr. Hershey. Sie können alle bleiben, wo Sie sind.«
»Aber solange um uns herumgebaut wird, können wir keine Nacht mehr ruhig schlafen!«
»Wer hat Ihnen gesagt, daß wir um Sie herumbauen wollen?« fragte Lara scharf. »Woher haben Sie diese Information?«
»Der Vorarbeiter hat mir einen Plan gezeigt und ...«
»Das kostet ihn seinen Job«, sagte Lara aufgebracht. »Diese Information ist vertraulich gewesen.«
»Augenblick! Reden wir wie zwei vernünftige Menschen miteinander, okay? Für Ihr Projekt war's besser, wenn wir ausziehen würden - und für uns vermutlich auch. Ich will nicht mitten in einem Hochhauskomplex wohnen.«
»Ob Sie gehen oder bleiben, ist mir eigentlich egal, Mr. Hershey«, sagte Lara. »Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Güte. Wird das Gebäude bis zum kommenden Ersten geräumt, bin ich bereit, bei unserem ersten Angebot zu bleiben.«
Am anderen Ende entstand eine lange Pause.
»Gut«, sagte Hershey dann zögernd. »Ich rede mit den anderen, aber ich bin sicher, daß sie zustimmen werden. Nochmals vielen Dank, Miss Cameron.« »Es war mir ein Vergnügen, Mr. Hershey«, antwortete Lara.
Nach dem Monatsersten begannen die Bauarbeiten mit Nachdruck.
Laras Ruf wuchs ständig. Ihre Firma Cameron Enterprises baute ein Hochhaus in Brooklyn, ein Einkaufszentrum in Westchester, eine Ladenpassage in Washington, D.C., Sozialwohnungen in Dallas und eine Eigentumswohnanlage in Los Angeles. Banken, Sparkassen und private Investoren stellten ihr bereitwillig Kapital zur Verfügung. Lara Cameron hatte sich einen Namen gemacht.
Kathy Turner nahm ihre Arbeit wieder auf.
»Miss Cameron, da bin ich wieder.«
Lara musterte sie prüfend. »Na, wie fühlen Sie sich?«
Kathy lächelte verlegen. »Großartig!«
»Sind Sie richtig energiegeladen?«
Diese Frage überraschte Kathy. »Ja. Ich ...«
»Gut. Sie werden viel Energie brauchen. Ich mache Sie zu meiner persönlichen Assistentin. Natürlich inklusive Gehaltserhöhung.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ich ...«
»Sie haben sich's verdient.« Lara deutete auf das Schreiben in Kathys Hand. »Was ist das?«
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