Da steckt auf jeden Fall noch was dahinter.
»Ich hätte mir gedacht«, sagte Stern, »daß Sie Verbesserungen an existierenden Maschinen anbringen.«
Gordon zuckte die Achseln und schwieg.
Auf jeden Fall.
»Was tun denn diese Reparaturmechaniker da drin?« Stern ließ nicht locker. Er deutete zu den Männern, die auf Händen und Knien am
Sockel einer Maschine arbeiteten. »Ich meine bei der Maschine dort in der Ecke. Was genau reparieren die?«
»David«, setzte Gordon an. »Ich glaube wirklich -«
»Ist diese Technologie wirklich sicher!« fragte Stern.
Gordon seufzte. »Sehen Sie es sich selbst an.«
Auf dem großen Bildschirm war eine Reihe schneller Blitze auf dem
Boden des Transitraums zu sehen.
»Da kommt sie wieder«, sagte Gordon.
Die Blitze wurden heller. Dann war das Knattern wieder zu hören, zuerst leise, dann immer lauter. Und dann stand der Käfig wieder in voller Größe da, das Summen verstummte, weißer Dunst waberte über den Boden, und die Frau trat heraus und winkte den Zuschauern zu. Stern musterte sie. Sie schien völlig in Ordnung zu sein. Ihr Aussehen war genauso wie zuvor.
Gordon schaute ihn an. »Glauben Sie mir«, sagte er. »Es ist vollkommen sicher.« Er drehte sich zum Monitor. »Wie sieht's dort aus, Sue?«
»Ausgezeichnet«, antwortete sie. »Der Landeplatz liegt an der Nordseite des Flusses. Abgeschiedene Stelle, mitten im Wald. Und das Wetter ist ziemlich gut, für April.« Sie sah auf die Uhr. »Machen Sie IhrTeam fertig, Dr. Gordon. Ich brenne jetzt den Ersatzmarker. Und dann gehen wir zurück und holen den alten Knaben raus, bevor jemand ihm was tun kann.«
Bitte legen Sie sich auf die linke Seite.« Kate drehte sich auf dem Untersuchungstisch und sah mit leichtem Unbehagen zu, wie ein älterer Mann im weißen Labormantel etwas hob, das aussah wie eine Kleberpistole, und über ihr Ohr hielt. »Das fühlt sich jetzt etwas warm an.«
Warm? Sie spürte ein heftiges Brennen im Ohr. »Was ist das?« »Es ist ein organisches Polymer«, sagte der Mann. »Ungiftig und nicht allergen. Bleiben Sie acht Sekunden so. Gut, und jetzt machen Sie bitte Kaubewegungen. Wir wollen, daß es etwas lockerer sitzt. Sehr gut, kauen Sie weiter.«
Kurz darauf war er wieder bei ihr. Er bat sie, sich umzudrehen und injizierte ihr das Polymer ins andere Ohr. Gordon sah von einer Ecke des Zimmers aus zu. Er sagte: »Das ist zwar noch ein bißchen experimentell, aber bis jetzt hat es gut funktioniert. Das Polymer beginnt nach einer Woche, sich biologisch abzubauen.«
Etwas später ließ der Mann sie alle aufstehen und zog ihnen mit geschickten Fingern die Plastikimplantate aus den Ohren.
Kate sagte zu Gordon: »Mein Gehör ist sehr gut, ich brauche kein
Hörgerät.«
»Das ist kein Hörgerät«, sagte Gordon. Am anderen Ende des Zimmers bohrte der Mann Löcher in die Plastikohrstöpsel und baute Elektronik hinein. Er arbeitete überraschend schnell. Danach verschloß er die Löcher wieder mit Polymer.
»Es ist ein Sprachübersetzungscomputer und ein Funkmikrofon. Für den Fall, daß Sie verstehen müssen, was die Leute zu Ihnen sagen.« »Aber auch wenn ich verstehe, was sie sagen«, fragte Kate, »wie kann ich Ihnen antworten?«
Marek stieß sie an. »Mach dir keine Gedanken. Ich spreche Pro-venzalisch. Und Mittelfranzösisch.«
»Ach, dann ist es ja gut«, erwiderte sie sarkastisch. »Wirst du es mir in den nächsten fünfzehn Minuten beibringen?« Sie war nervös; gleich würde sie zerstört oder vaporisiert werden oder was immer die mit dieser Maschine machten, und die Worte sprudelten einfach aus ihr heraus.
Marek sah sie überrascht an. »Nein«, sagte er ernsthaft. »Aber wenn du bei mir bleibst, passe ich auf dich auf.« Etwas an seiner Ernsthaftigkeit beruhigte sie. Er war so ein grundanständiger Kerl. Wahrscheinlich wird er wirklich auf mich aufpassen, dachte sie und entspannte sich.
Kurz darauf wurden sie alle mit den fleischfarbenen Plastikohrstöpseln ausgestattet. »Sie sind jetzt ausgeschaltet«, sagte Gordon. »Um sie anzuschalten, brauchen Sie sich nur mit dem Finger ans Ohr zu tippen. Und wenn Sie jetzt bitte hierherkommen...«
Gordon gab jedem von ihnen einen kleinen Lederbeutel. »Wir arbeiten seit einiger Zeit an einer Erste-Hilfe-Ausrüstung. Da Sie die ersten sind, die diese Welt betreten, haben Sie vielleicht Verwendung dafür. Sie können den Beutel verdeckt tragen, unter der Kleidung.« Er öffnete einen Beutel und zog eine kleine Aluminiumdose hervor, etwa zehn Zentimeter hoch und gut zwei im Durchmesser. Sie sah aus wie eine kleine Rasierschaumdose. »Das ist die einzige Verteidigungswaffe, die wir Ihnen mitgeben können. Sie enthält zwölf Dosen Ethylendihydrid auf einem Proteinsubstrat. Wie es wirkt, können wir Ihnen an unserer Katze, H. G., demonstrieren. H. G., wo bist du?« Eine schwarze Katze sprang auf den Tisch. Gordon streichelte sie und sprühte ihr dann eine Ladung des Gases auf die Schnauze. Die Katze blinzelte, schniefte einmal und kippte dann zur Seite. »Bewußtlosigkeit innerhalb von sechs Sekunden«, sagte Gordon, »und es hinterläßt eine rückwirkende Amnesie. Aber vergessen Sie nicht, es wirkt nur kurz. Und Sie müssen dem Angreifer ins Gesicht sprühen, damit es wirkt.«
Die Katze zuckte bereits wieder und wachte auf, als Gordon noch einmal in den Beutel griff und drei rote Papiervvürfel herauszog, etwa so groß wie Zuckerwürfel und mit einer hellen Wachsschicht überzogen. Sie sahen aus wie Feuerwerkskörper. »Wenn Sie ein Feuer machen müssen«, sagte er, »damit schaffen Sie es. Ziehen Sie an der kleinen Schnur, und sie fangen Feuer. Sie sind beschriftet mit fünfzehn, dreißig, sechzig - das ist die Anzahl der Sekunden, bevor sie Feuer fangen. Gewachst, damit sie wasserdicht sind. Aber ich muß Sie warnen: Manchmal funktionieren sie nicht.« Chris Hughes fragte: »Warum nicht einfach ein Bic-Feuerzeug?« »Das paßt nicht in die Zeit. Sie können kein Plastik mitnehmen.« Gordon wandte sich wieder dem Beutel zu. »Dann haben wir ein paar einfache Medikamente, nichts Ausgefallenes. Gegen Entzündungen, gegen Durchfall, gegen Krämpfe, gegen Schmerzen. Sie wollen sich doch nicht in einer Burg übergeben«, sagte er. »Wir können Ihnen nämlich keine Reinigungstabletten fürs Wasser mitgeben.« Stern kam dies alles ein wenig unwirklich vor. Sich in einer Burg übergeben? »Hören Sie, äh -«
»Und schließlich ein Allzweck-Taschenwerkzeug, einschließlich
Messer und Dietrich.« Es sah aus wie ein Schweizer Offiziersmesser aus Stahl. Gordon steckte alles in den Beutel zurück. »Wahrscheinlich werden Sie nichts davon brauchen, aber wir geben es Ihnen für alle
Fälle mit. Und jetzt wollen wir Sie anziehen.«
Stern konnte sein unbehagliches Gefühl einfach nicht abschütteln. Eine freundliche, großmütterliche Frau war von ihrer Nähmaschine aufgestanden und gab ihnen nun ihre Kleidung: zuerst weiße Unterhosen aus Leinen - ein wenig wie Boxershorts, doch ohne Elastikbund -, dann einen Ledergürtel und schwarze wollene Leggings.
»Was ist das?« fragte Stern. »Sieht aus wie eine Strumpfhose.«
»Das sind Beinlinge, mein Lieber.«
Auch hier gab es keinen Elastikbund. »Und wie halten die?«
»Man klemmt sie sich unter den Gürtel, und zwar unter dem Wams.
Oder man befestigt sie an den Senkeln am Wams.«
»Senkel?« »Genau, mein Lieber. Am Wams.«
Stern sah zu den anderen hinüber. Sie legten seelenruhig die Kleidungsstücke, die man ihnen aushändigte, zu Stapeln zusammen. Sie schienen genau zu wissen, wozu die einzelnen Stücke dienten, und sie waren so gelassen wie in einem Kaufhaus. Stern dagegen ging es ganz anders, er fühlte Panik in sich aufsteigen. Jetzt erhielt er ein weißes Leinenhemd, das ihm bis zum Oberschenkel reichte, und einen größeren Kittel aus wattiertem Filz, der Wams genannt wurde. Und schließlich einen Dolch an einer Stahlkette. Er sah ihn zweifelnd an. »Jeder trägt einen. Sie brauchen ihn zum Essen, wenn schon für sonst nichts.« Abwesend legte er ihn oben auf den Rest und stöberte dann in dem Stapel, immer noch auf der Suche nach den »Senkeln«. Gordon sagte: »Diese Kleidungsstücke sollen statusneutral sein, weder teuer noch ärmlich. Wir wollen, daß Sie in etwa der Kleidung eines mäßig erfolgreichen Händlers, eines Pagen oder eines etwas heruntergekommenen Adligen entsprechen.« Stern erhielt nun Schuhe, die aussahen wie Lederslipper mit langer Spitze, nur daß sie mit einer Schnalle versehen waren. Wie die Schuhe eines Hofnarren, dachte er unglücklich.
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