Yanes suchte Newbolds Blick. »Fürs Protokoll, Lieutenant: Sie und Ihre Leute haben jetzt freie Hand für alle notwendig erscheinenden Maßnahmen - auch für die Bildung einer Sonderkommission. Sobald Sie wissen, was Sie brauchen und wie diese Kommission aussehen soll, stelle ich zusätzliche Leute aus dem Raubdezernat dafür ab. Was die Kosten betrifft, haben Sie meine Genehmigung, so viele Überstunden wie nötig anzuordnen.«
Yanes sah sich am Tisch um, dann fügte er hinzu: »Nachdem die logistische Seite geklärt ist, haben Sie alle einen klaren Auftrag: Finden Sie diesen Kerl! Ich will Ergebnisse sehen. Und halten Sie mich auf dem laufenden.«
»Wird gemacht, Sir. Wie alle gehört haben, bilden wir sofort eine Sonderkommission, die nur diese Fälle bearbeitet. Ihre Mitglieder werden von allen sonstigen Aufgaben entbunden. Ich habe Sergeant Ainslie bereits gebeten, die Leitung zu übernehmen.«
Alle sahen zu Ainslie hinüber, als Newbold ihm erklärte: »Sergeant, Sie arbeiten mit zwei Teams aus je sechs Beamten. Ich überlasse es Ihnen, einen weiteren Sergeant als Leiter des zweiten Teams zu benennen.«
»Sergeant Greene«, sagte Ainslie sofort. »Wenn er einverstanden ist.«
Pablo Greene machte eine großzügige Handbewegung. »Worauf du wetten kannst!«
Newbold nickte Greene zu. »Sie sind Sergeant Ainslie unterstellt. Ist das klar?«
»QSL. Sir.«
Ainslie fuhr fort: »Für mein Team möchte ich schon jetzt die Detectives Quinn, Bowe, Kralik und Garcia. Die verbleibenden Posten besetzen Pablo und ich im Lauf des Tages.« Er wandte sich an Major Yanes. »Wir stehen vor sehr umfangreichen Ermittlungen, Sir. Deshalb brauche ich mindestens zwei Detectives aus dem Raubdezernat, vielleicht sogar vier.«
Der Major nickte. »Sagen Sie Lieutenant Newbold, wen Sie brauchen, dann bekommen Sie die Leute.«
Curzon Knowles warf ein: »Sollte das nicht genügen, kann ich einige unserer Ermittler abstellen. Wir möchten jedenfalls beteiligt bleiben.«
»Das sollen Sie auch, Counselor«, sagte Ainslie.
»Die Sonderkommission arbeitet selbstverständlich eng mit Fort Lauderdale und Clearwater zusammen«, stellte der Lieutenant abschließend fest. »Ich möchte, daß die dortigen Kollegen auf dem laufenden gehalten werden.« Er wandte sich an Assistant Chief Serrano. »Chief, möchten Sie noch etwas hinzufügen?«
Serrano, ein ehemaliger Kriminalbeamter, der im Miami Police Department eine glänzende Karriere gemacht hatte, sprach mit ruhiger, klarer Stimme: »Ich will nur sagen, daß das gesamte Police Department in dieser Sache hinter Ihnen steht. Sobald diese Serienmorde in die Öffentlichkeit dringen, wird die Medienberichterstattung sich überschlagen und viel öffentlichen und politischen Druck ausüben. Wir werden versuchen, Sie davor in Schutz zu nehmen, damit Sie weiterhin alles tun können, was notwendig ist, um diesen Verrückten zu fassen. Trotzdem ist Eile geboten. Und vergessen Sie dabei nie das Denken. Ich wünsche uns allen viel Erfolg!«
5
Gleich nach der Besprechung versammelte die neue Sonderkommission sich um Ainslie. Auch Staatsanwalt Knowles blieb noch da. Vor zwanzig Jahren war Curzon Knowles selbst Polizeibeamter gewesen - der jüngste Sergeant der New Yorker Polizei. Später war er als Lieutenant ausgeschieden, um in Florida Jura zu studieren. Knowles fühlte sich in Gesellschaft von Kriminalbeamten wohl und war bei ihnen stets willkommen. Jetzt fragte er Ainslie: »Da wir zusammenarbeiten werden, Sergeant, darf ich wohl erfahren, was Ihr erster Schritt sein wird?«
»Ein kurzer, Counselor - zum Computer. Sie können gern mitkommen.« Ainslie sah sich um. »Wo ist Ruby?«
»Wo immer Sie sie brauchen«, antwortete Detective Bowe aus einer Gruppe heraus.
»Ich brauche Ihre flinken Finger.« Ainslie zeigte auf den Computer, an dem sie vorhin gesessen hatte. »Wir wollen ein paar Informationen einholen.«
Ruby setzte sich an den Computer, schaltete das Gerät ein und tippte LOGON.
Auf dem Bildschirm erschien: BENUTZERNUMMER EINGEBEN. Ruby fragte Ainslie: »Ihre oder meine?«
Er diktierte ihr: »Achtvierdreineun.«
Nun erschien die Aufforderung: PASSWORT EINGEBEN.
Ainslie streckte die rechte Hand aus und tippte mit einem Finger CUPCAKE - ein Kosename, mit dem er Karen manchmal ansprach. Das Paßwort erschien nicht auf dem Bildschirm, aber dafür stand dort jetzt CIC, die Abkürzung für Criminal Investigation Center.
Während die anderen Kriminalbeamten und Knowles stumm zusahen, sagte Ruby: »Schön, jetzt sind wir im Wunderland.
Domine, quo vadis?«
»Was zum Teufel heißt das?« murmelte jemand.
»>Herr, wohin gehst du?<���« übersetzte Bernard Quinn.
»Latein hab' ich schon im Kindergarten gehabt«, behauptete Ruby. »Wir Gettokinder sind schlauer, als viele denken.«
»Das können Sie gleich beweisen«, sagte Ainslie. »Suchen Sie >Vorstrafen<. Danach die Kategorie >Auffälligkeiten<.«
Ruby tippte einige Befehle ein, bis der Dateiname AUFFÄLLIGKEITEN auf dem Bildschirm erschien. »Da gibt's jede Menge Unterdateien«, kündigte sie an. »Irgendwelche Ideen?«
»Suchen Sie >Religion< oder >religiös<.«
Ihre Finger flogen über die Tasten. »Hey, da gibt's eine, die >Religiöse Fanatiker< heißt.«
Ainslie zog die Augenbrauen hoch. »Schön, die müßte passen.«
Falls jemand eine ellenlange Namenliste erwartet hatte, war das Ergebnis enttäuschend. Nur sieben Namen erschienen - jeder mit einer Kurzbiographie und Angaben zu Verfahren und Verurteilungen. Ainslie und Ruby lasen die Eintragungen; die anderen sahen ihnen dabei über die Schultern.
»Virgil könnt ihr streichen, weil er sitzt«, sagte Quinn. »Ich hab' ihn selbst hinter Gitter gebracht.« Die Eintragung zeigte, daß Francis Virgil erst knapp drei Jahre einer achtjährigen Haftstrafe verbüßt hatte. Auch zwei weitere Männer befanden sich derzeit in Haft, so daß nur vier übrigblieben.
»Orneus können wir auch streichen«, stellte Ainslie fest. »Hier steht, daß er tot ist.« Wie die Kriminalbeamten wußten, wurden Vorstrafen erst zwei Jahre nach dem Tod des Betreffenden gelöscht.
»Hector Longo ebenfalls«, schlug Ruby vor. Die Eintragung zeigte, daß Longo zweiundachtzig, fast blind und halbseitig gelähmt war.
»Erstaunlich, was Behinderte heutzutage alles fertigbringen«, meinte Ainslie. »Okay, löschen.«
Damit waren zwei potentielle Täter übriggeblieben, aber die Suche hatte viel weniger Namen zutage gefördert als erhofft.
»Wie wär's mit dem Stichwort >Arbeitsweise