Der Brief und das Aufsehen, das er erregte, machten Margot Lloyd- Mason wütend. Noch einmal ließ sie Leslie Chippingham zu sich rufen.
Mit der aufgeschlagenen Times vor sich schimpfte sie los: »Diese überbezahlten, eingebildeten Typen gehören doch zum Management. Die sollten Entscheidungen des Managements mittragen und sie nicht mit ihrer öffentlichen Nörgelei unterminieren.«
»Ich glaube nicht, daß sie sich als Teil des Managements verstehen«, gab der Nachrichtenchef vorsichtig zu bedenken. »Sie sind zuallererst Journalisten und machen sich Sorgen um ihre Kollegen. Und ich kann es Ihnen ruhig sagen, Margot, ich mir auch.«
Seine Chefin strafte ihn mit einem wütenden Blick. »Ich hob' schon genug Probleme, auch ohne euch, und ich will von diesem Unsinn nichts mehr hören. Sie nehmen sich die Leute vor, die diesen Brief unterzeichnet haben, und machen ihnen klar, daß ich solch ein illoyales Verhalten nicht mehr dulden werde. Sie können sie auch darauf hinweisen, daß diese Art von doppeltem Spiel bei Vertragsverlängerungen in Betracht gezogen wird. Da fällt mir ein - einige der Gehälter, die wir den Leuten zahlen, sind ja wirklich astronomisch, vor allem das für diesen arroganten Kerl Crawford Sloane.«
Leslie Chippingham gab eine etwas entschärfte Version von Margots Tirade an seine Leute weiter und gab dabei zu bedenken, daß er derjenige sei, der die Nachrichtenabteilung zusammenhalten müsse, was aber nun immer schwieriger werde.
Zum Eklat kam es schließlich einige Wochen später, als ein CBA-internes Memo mit neuen Vorschlägen von Mrs. Margot Lloyd-Mason die Gemüter erhitzte. Sie hatte die Absicht, einen politischen Aktionsfonds einzurichten, mit dem eine Lobby für die CBA in Washington finanziert werden konnte. Die Führungsetage des Senders sollte »freiwillig« zu diesem Fonds beitragen, was hieß, daß das Geld von ihren Gehältern abgezogen würde. Natürlich war auch die Leitung der Nachrichtenabteilung davon betroffen. Die Ankündigung wies darauf hin, daß dieses Arrangement einem ähnlichen in der Muttergesellschaft entspreche.
An dem Tag, als dieses Memo eintraf, wurde Chippingham am Hufeisen von einem Redakteur gestellt: »Les, du wirst uns doch diese Sauerei mit dem Fond vom Leib halten, oder?«
Crawford Sloane, der etwas abseits stand, mischte sich ein. »Natürlich wird er das. Les würde nie einer Sache zustimmen, bei der die Nachrichtenabteilung um politische Gefälligkeiten bitten müßte, anstatt über sie zu berichten. Da können wir uns auf ihn verlassen.«
Der Nachrichtenchef war sich nicht sicher, inwieweit der Moderator das ironisch gemeint hatte. Doch wußte er, daß er ein weiteres schwieriges Problem vor sich hatte; und Schuld daran war Margots Ignoranz, was journalistische Integrität betraf - oder war es einfach Gleichgültigkeit? Sollte er mit ihr über diesen Fonds streiten? Er glaubte nicht, daß es viel Sinn haben würde, da es ganz offensichtlich Margots einziges Ziel war, ihren Herren bei Globanic zu gefallen und ihre eigene Karriere zu fördern.
Schließlich löste er das Problem, indem er die ganze Geschichte und den Inhalt des internen Memorandums an die Washington Post durchsickern ließ. Er hatte dort einen Kontaktmann, den er schon öfters benutzt hatte und bei dem er sich darauf verlassen konnte, daß er seine Quelle nicht preisgab. Die Folge war ein auch von anderen Zeitungen aufgegriffener Artikel in der Post, der die Vorstellung, ein Nachrichtenmedium würde politisches Lobbyistentum betreiben, der Lächerlichkeit preisgab. Innerhalb weniger Tage wurde der Plan offiziell fallengelassen, angeblich auf persönlichen Befehl des Globanic-Vorsitzenden Theodore Elliott.
Und wieder mußte Chippingham vor seiner Chefin erscheinen.
Sie fragte ihn barsch, ohne jede Begrüßung: »Wer in der Nachrichtenabteilung hat das Memo an die Post gegeben?«
»Ich habe keine Ahnung«, log er.
»Blödsinn. Auch wenn Sie es nicht genau wissen, einen Verdacht haben Sie sicher!«
Chippingham hielt es für besser zu schweigen, und er stellte mit Erleichterung fest, daß Margot gar nicht auf die Idee kam, er selbst könne der Übeltäter sein.
Sie brach das sekundenlange Schweigen. »Seitdem ich hier bin, waren Sie nur unkooperativ.«
»Es tut mir leid, daß Sie das so sehen, weil es meiner Meinung nach nicht stimmt. Ich habe nur versucht, ehrlich zu sein.«
Ohne auf seinen Widerspruch einzugehen, fuhr Margot fort: »Wegen Ihrer widerspenstigen Haltung habe ich Erkundigungen über Sie einholen lassen und einiges erfahren. Unter anderem auch, daß Ihnen Ihr Job im Augenblick sehr wichtig ist, weil Sie es sich finanziell nicht leisten können, ihn zu verlieren.«
»Mein Job war mir schon immer wichtig. Und was die finanzielle Seite angeht, trifft das nicht auf die meisten Leute zu?« Chippingham fragte sich mit Unbehagen, was noch kommen würde.
Mit einem dünnen, überheblichen Lächeln sagte Margot: »Ich zumindest stecke nicht mitten in einem vertrackten Scheidungsprozeß. Aber Sie. Ihre Frau will eine großzügige finanzielle Entschädigung plus einen Großteil Ihres gemeinsamen Besitzes, und wenn sie das nicht bekommt, wird sie vor Gericht Beweise vorlegen für eine ganze Reihe von Ehebrüchen, die zu verheimlichen Sie sich nicht die Mühe gemacht haben. Außerdem haben Sie Schulden, darunter einen großes Bankdarlehen, und deshalb brauchen Sie dringend ein regelmäßiges Einkommen, sonst stehen Sie vor dem Bankrott.«
Chippingham hob entrüstet die Stimme. »Das ist eine Beleidigung. Und ein Eingriff in meine Intimsphäre.«
»Das mag ja sein«, erwiderte Margot gelassen. »Aber es stimmt.«
Trotz seines Protests war er entsetzt über das Ausmaß ihres Wissens. Er war in einer verzweifelten finanziellen Zwangslage, nicht zuletzt deshalb, weil er mit Geld nicht umgehen konnte und im Lauf der Jahre nicht nur sein beträchtliches Gehalt verschleudert, sondern auch noch hohe Schulden gemacht hatte. Er hatte auch nie den Reizen anderer Frauen widerstehen können, eine Schwäche, die Stasia, seine Frau seit zwanzig Jahren, offensichtlich akzeptiert hatte - bis vor drei Monaten. Ohne Vorwarnung war Stasias aufgestaute Wut explodiert, und sie hatte sich, mit dem angesammelten Belastungsmaterial in der Hinterhand, in einer wilden Scheidungsklage Luft gemacht. Trotzdem hatte er sich törichterweise auf eine neue Affäre eingelassen, diesmal mit Rita Abrams, einer Kollegin von CBA. Er hatte es eigentlich gar nicht beabsichtigt, aber es war trotzdem passiert. Dann aber fand er Gefallen daran und wollte weitermachen. Doch der Gedanke, seinen Job zu verlieren, jagte ihm Angst ein.
»Jetzt hören Sie mir gut zu«, sagte Margot. »Es ist nicht schwer, einen Nachrichtenchef zu ersetzen, und wenn ich muß, werde ich es auch tun. Bevor Sie überhaupt wissen, was los ist, sitzen Sie schon auf der Straße und ein anderer auf Ihrem Stuhl. Es gibt genügend Bewerber für Ihren Posten, innerhalb und außerhalb unseres Senders. Ist das klar?«
»Ja, es ist klar«, erwiderte Chippingham resigniert.
»Aber wenn Sie mit mir an einem Strang ziehen, können Sie bleiben. Ich bestimme, was in der Nachrichtenabteilung läuft. Und noch eins: Wenn ich etwas will, das Ihnen nicht gefällt, dann kommen Sie mir nicht mit Ihrem Gewäsch über Ethik und journalistische Keuschheit. Ihre Unschuld haben Sie verloren -falls Sie sie je hatten -, als Sie diesen Fortsetzungsbericht über Theo Elliotts Steuern nicht brachten.« Margot zeigte ihm wieder ihr dünnes Lächeln. »Oh ja, ich kenne die Geschichte. Das heißt, Sie haben sich bereits korrumpieren lassen, und die nächsten paar Male machen da keinen Unterschied mehr. Das ist alles. Sie können gehen.«
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