Er telefonierte mit Mary.
»Hallo, Eddie! Ich freue mich, von dir zu hören. Denk mal an, gestern ist etwas absolut Seltsames passiert!«
»Was denn?«
»Stell dir vor, ein Militärpilot kommt hier an und übergibt mir einen Briefumschlag mit dem Geld, das du mir schicken wolltest. Wieso ein Militärpilot, sag mal?«
Gute Frage. Was sollte er darauf antworten?
»Ach, das ist eine lange Geschichte, weißt du«, sagte er. »Aber es ist einfach zu erklären.«
Er überlegte fieberhaft.
»Ja?«
»Weißt du, das war kein Militärpilot. Es war einer von unseren Schauspielern hier.«
»Er sah mir aber sehr echt aus.«
»Weil er eben ein guter Schauspieler ist. Weißt du, das war so. Er war mit uns in diesem Stück, das wir in Amador spielten, und nachdem diese Tournee zu Ende war, kehrte er nach New York heim, und da bat ich ihn eben, dir das Geld persönlich zu überbringen. Ich meine, das war doch sehr nett von ihm, findest du nicht auch?«
»Ja, sicher, schon.«
»Du bekommst übrigens noch mehr«, sagte Eddie. »Ich bekomme noch einen Vorschuß.«
Mary war freudig erregt. »Da mußt du ja großartig spielen, wenn das so ist!«
»Ja, das tue ich«, sagte Eddie mit Überzeugung.
»Darling«, sagte Mary, »aber du wirst doch bestimmt hier sein, wenn das Baby kommt, ja?« »Aber selbstverständlich doch«, versicherte er ihr. »Nichts auf der Welt kann mich davon abhalten. In ein paar Tagen schon, Darling, bin ich auf dem Weg zu dir.«
Vorausgesetzt, dachte er, sie machen nicht noch zuvor Hackfleisch aus mir.
An diesem Abend um acht betrat Capitan Torres wieder Eddies Schlafzimmer.
»Kommen Sie«, sagte er. »Wir gehen gemeinsam zu einem Dinner.«
»Ach, ich bin nicht hungrig«, sagte Eddie, »ich würde lieber
»Ist mir ziemlich egal, ob Sie hungrig sind oder nicht. Jedenfalls müssen Sie da erscheinen. Sie müssen gesehen werden.«
»Na gut.«
Sie begaben sich in den riesigen Speisesaal des Palastes und nahmen ihre Plätze an der langen Tafel ein. Es saßen etwa ein Dutzend Leute da, lauter sehr bedeutende Persönlichkeiten aus Regierung und Wirtschaft. Es gab eine köstliche Suppe und danach wundervolles Huhn mit Reis sowie eine große Auswahl der köstlichsten Nachspeisen, aber Eddie hatte Angst, irgend etwas zu essen.
»Sie essen ja gar nicht«, sagte Capitan Torres.
Eddie griff sich an den Leib. »Ich habe einen schlechten Magen heute.«
Dabei machte ihn der wundervolle Geruch der Speisen fast wahnsinnig. Lange halte ich das nicht mehr durch, dachte er.
Das Dinner schien sich endlos hinzuziehen. Endlich, um elf Uhr, hatten alle fertiggegessen.
Eddie stand sofort auf. »Nun, ich denke, ich gehe schlafen«, verkündete er. »Gute Nacht, allerseits.«
Alle standen auf. »Gute Nacht, Colonel Bolivar!«
Eddie kehrte in seine Suite zurück. Er sah auf die Uhr und überlegte, wann Johnson das Stück wohl erhalten würde.
Hoffentlich, hoffentlich gefällt es ihm, dachte er immer nur. Wenn es einschlägt, bringt es mir ein Vermögen, und Mary und ich müssen uns nie mehr Geldsorgen machen.
Aber was ihn an der ganzen Sache am meisten erregte, war die Tatsache, daß er darin die Hauptrolle spielen würde. Da werde ich der größte Star am Broadway, dachte er. Und das Verrückte daran ist, daß ich mich dann praktisch selbst spiele, ohne daß es jemand weiß.
Er dachte an die Produzenten und Regisseure, die ihn in all den Jahren abgelehnt hatten. Die sollten nun mal sehen, wie sie dann angekrochen kamen und bettelten, daß er die Hauptrollen in ihren Stücken und Filmen und Fernsehserien spielte.
Er wurde müde, wollte sich aber nicht in das Bett legen, in dem die Geliebte des Colonel Bolivar ums Leben gekommen war. Er legte sich lieber auf eine kleine Couch, die dastand, zog sich eine Decke über den Kopf und schlief schließlich ein. Es war bereits drei Uhr morgens.
Capitan Torres war wieder im Krankenhaus zu Besuch bei Colonel Bolivar. Der Colonel sah schon sehr viel kräftiger aus als beim letzten Mal.
»Ich bin fast soweit, daß ich in den Palast zurückkehren kann«, sagte Colonel Bolivar und rieb sich die Hände. »Ich kann es gar nicht mehr erwarten.«
Capitan Torres holte tief Luft. »Ich habe leider eine traurige Nachricht für Sie, Colonel.«
»Was? Noch mehr schlechte Nachrichten? Was haben Sie jetzt schon wieder angestellt?«
»Ich gar nichts. Aber dieser Schauspieler. Er hat Ihre Geliebte umgebracht!«
Der Diktator wurde mit einem Schlag blaß. »Was hat er? Sie umgebracht ...?«
»Ja, Colonel. Leider. Mit einer Kobra.«
Der Colonel sank in die Kissen zurück. »Das darf doch nicht wahr sein. Das kann doch nicht sein. Warum sollte er das denn tun, um alles in der Welt?«
»Ich habe keine Ahnung, Colonel. Sie waren zusammen im Bett.«
Der Colonel sprang auf wie von der Tarantel gestochen. »Was denn, wie denn, dieser miese Schauspieler hat meine Mätresse mit ins Bett genommen? Ja, ist der Mensch wahnsinnig? Nein, nein, das ist ganz ausgeschlossen und unmöglich. Sie würde doch nie mit einem Schauspieler schlafen!«
»Mit ihm schlief sie doch auch gar nicht, Colonel. Sondern mit Ihnen!«
»Ach Unsinn, wie denn, wenn ich die ganze Zeit hier in der Klinik -« Er brach ab, als er begriff. »Ach so, ja, verstehe. Na gut. Jedenfalls kann er sich darauf gefaßt machen, daß er nicht einen, sondern tausend Tode stirbt!«
»Ganz meine Meinung, Colonel, völlig.«
Eddie wartete noch bis zum nächsten Nachmittag, bevor er Johnson anrief.
Dessen Sekretärin antwortete. »Büro Mr. Johnson.«
»Hallo, hier ist Eddie Davis. Ist -«
»Oh, Mr. Davis! Mr. Johnson sucht Sie schon die ganze Zeit wie verrückt. Warum haben Sie keine Nummer hinterlassen, unter der Sie zu erreichen sind?«
Gott, wie sollte er ihr erklären, daß er im Palast des Diktators von Amador wohnte? Und gar, daß er selbst der Diktator von Amador war, jedenfalls im Moment?
»Na ja, es ist schwierig, mich zu erreichen«, sagte er. »Ich bin eigentlich ständig unterwegs, wissen Sie.«
»Augenblick, ich verbinde Sie.«
Im nächsten Moment hörte er Johnsons aufgeregte Stimme. »Na, da sind Sie ja endlich, Eddie. Wo stecken Sie denn?«
»Nun, ich bin noch immer in Amador! Hatten Sie inzwischen schon Gelegenheit, mein Stück zu lesen?« »Hatte ich Gelegenheit! Eddie, lieber Gott, Sie sind ein Genie!«
»Soll das heißen, es gefiel Ihnen?«
»Gefallen? Mann, es ist großartig! Ich habe es bereits verkauft!«
»Im Ernst?«
»Ich war im ganzen Leben nie ernster, Eddie. Tom Burke will es inszenieren, und Sie wissen, er ist der bedeutendste Regisseur am Broadway!«
Eddie schrie fast laut vor Freude. »Das ist ja wundervoll!« rief er.
»Er sagt, es ist das originellste Stück, das er seit Jahren in die Finger bekam. Ein Schauspieler, der einen Diktator vertritt und dessen ganzes Land regiert! Wie sind Sie bloß auf diesen Einfall gekommen, um alles in der Welt?«
»Ach, das fiel mir irgendwie einfach so zu«, sagte Eddie.
»Tja, also, jedenfalls, die Theatre Guild produziert es, und Tom Burke führt Regie. Und Sie können Gift darauf nehmen, es wird der größte Erfolg, den der Broadway jemals gesehen hat!«
Es war wie ein wahr gewordener Traum. Alles, was Eddie sich je gewünscht hatte, traf nun ein.
»Und ich spiele die Hauptrolle«, sagte er.
Einen Augenblick war es still in der Leitung. Dann erst sagte der Agent. »Na ja, ich werde ein Vorsprechen für Sie bei Burke arrangieren. Er entscheidet natürlich über die Besetzung.«
Aber Eddie wußte, daß es da keine Probleme gab, was seine Hauptrolle anging. Schließlich war er selbst ja auch in Wirklichkeit die Hauptperson des Stücks.
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