Im Hintergrund standen zwei Männer in Tierpflegeruniformen des Zoos. Der eine war Juan, und der andere hieß Hector.
»Ich weiß, wie wir ihn kriegen«, flüsterte Juan.
»Wie?«
»Die Schlangengrube. Sie ist voller giftiger Schlangen. Auch eine Kobra ist dabei. Deren Biß ist auf der Stelle tödlich.«
»Ausgeschlossen, den Colonel auch nur in die Nähe der Schlangengrube zu bekommen.«
»Das versuchen wir auch gar nicht erst.«
»Ja, wie denn sonst?«
»Wir bringen nicht ihn zu der Schlange, sondern die Schlange zu ihm. Ich sorge dafür, daß sie heute abend in seinem Bett liegt. Sobald er sich hineinlegt, beißt die Kobra zu. Er wird sofort tot sein.«
»Das ist eine großartige Idee! Aber kommen wir in den Palast?«
»Ich habe einen Vetter, der ist bei der Telefonentstörung. Ich besorge mir seine Uniform und sage, es muß im Zimmer des Colonel eine Störung behoben werden. Die Kobra bringe ich in meinem angeblichen Werkzeugkasten mit. Wir holen sie uns heute abend hier ab.«
Spät abends kletterten Juan und Hector über die Mauer um den Zoo herum und schlichen sich hinein. Sie hatten eine große Leinenhandwerkertasche dabei und einen langen, vorne gegabelten Schlangenstock. Sie öffneten vorsichtig die Tür zum Schlangenhaus und schlüpften hinein. Die Kobra lag zusammengeringelt in einer Ecke und schlief. Juan kam vorsichtig heran, drückte ihr mit der Schlangengabel den Kopf an den Boden und steckte sie in den Leinensack.
»Jetzt aber nichts wie weg hier«, flüsterte Hector, »bevor wir entdeckt werden.«
Eine Stunde später erschien Juan am Palasttor in einer Uniform der Telefongesellschaft und mit der umgehängten Leinwandtasche.
»Was wollen Sie denn jetzt?« fragte der Wachtposten.
»Telefongesellschaft. Colonel Bolivar hat eine Störung in seinem Schlafzimmertelefon gemeldet.«
Der Posten kratzte sich am Kopf. »Das ist aber komisch. Uns hat niemand etwas davon gesagt.«
»Sagt euch der Colonel etwa alles?« fragte Juan.
»Nein, natürlich nicht. Aber Sie müssen eine Erlaubnis zum Hineingehen haben.«
»Na, gut«, meinte Juan achselzuckend. »Dann melde ich ihm eben, daß ihr mich nicht hineingelassen habt.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Moment, warten Sie doch erst mal«, sagte der Posten. Er wollte natürlich auch nicht verantwortlich sein, daß dem Colonel sein Telefon nicht gerichtet wurde. »Ich meine, ist ja gut. Ich denke, es ist schon in Ordnung, wenn Sie reingehen.«
»Danke.«
»Ich führe Sie zum Schlafzimmer des Colonel.«
Er ging voran und zeigte Juan den Weg den ganzen langen Korridor entlang bis zu der Tür des Schlafzimmers von Colonel Bolivar.
»So, hier ist es. Der Colonel ist jetzt nicht da. Gehen Sie rein und richten Sie das Telefon. Aber machen Sie schnell.«
»Dauert nicht lange«, sagte Juan.
Er wartete, bis der Posten wieder gegangen war, und machte dann die Tür zu. Er ging zu dem großen Bett, setzte seine Leinwandtasche ab und öffnete sie. Die Kobra schien zu schlafen, aber Juan ging kein Risiko ein. Er hob sie mit der Schlangengabel aus dem Sack heraus und legte sie in das Bett, an das Fußende, wo sie nicht zu sehen war, und deckte sie zu. In dem Moment, in dem Colonel Bolivar in sein Bett stieg und sich ausstreckte und mit dem Fuß die Schlange berührte, würde diese sofort zustoßen.
Endlich ist es mir gelungen, ihn umzubringen, dachte Juan zufrieden, jetzt wird Amador doch noch frei.
Er machte seine Tasche wieder zu, verließ das Schlafzimmer und ging den Korridor zurück.
»Schon fertig?« fragte der Wachtposten.
»Ja, war nur eine Kleinigkeit«, sagte Juan. »Das Problem war schnell gelöst.« In Wirklichkeit aber, dachte er, habe ich ein großes Problem gelöst.
Eddie war müde. Es war ein langer Tag gewesen. Er war froh, daß er im Petitionszimmer so viele Probleme und Nöte der Menschen hatte lösen können, und er hatte den Zoo für die Allgemeinheit in Amador geöffnet. Jetzt war er rechtschaffen müde und hatte sich einen erholsamen Schlaf verdient.
Er ging in sein Schlafzimmer und begann sich auszuziehen.
Da klopfte es an der Tür.
»Wer ist da?« fragte er.
Eine sanfte, weiche Stimme antwortete. »Ich bin es, Schatz.«
Die Tür ging auf, und die Geliebte des Colonel Bolivar kam herein. Sie trug ein hauchdünnes Neglige.
»Tut mir leid, daß ich draußen auf dem Flur so häßlich zu dir war, Ramon«, sagte sie. »Aber du hattest mich in meinen Gefühlen verletzt. Du weißt doch, wie sehr ich mir wünsche, mit dir verheiratet zu sein.«
»Tut mir leid«, sagte Eddie. »Colonel Bolivar - ich meine, ich liebe meine Frau, und ich werde mich nicht von ihr scheiden lassen.«
»Ich verstehe es ja«, sagte die Geliebte des Colonel, »und ich will es auch akzeptieren.«
Sie ging auf sein Bett zu.
»Was machst du denn da?« fragte Eddie.
»Ich möchte, daß wir nur noch eine letzte Nacht miteinander verbringen«, sagte sie. »Dann siehst du mich nie wieder.«
Sie hielt eine Hand hinter ihrem Rücken. In dieser aber hielt sie einen Dolch, mit dem sie den Colonel töten wollte. Wenn sie den Mann, den sie liebte, nicht haben konnte, sollte ihn auch keine andere haben.
Sie ließ sich auf sein Bett nieder.
»Aber ... das können Sie, äh, du doch nicht machen!« protestierte Eddie.
Doch es half nichts mehr. Sie schlüpfte bereits unter die Decke und sagte: »Komm ins Bett, Liebling. Du weißt doch noch, wie schön es mit uns sein kann.«
Eddie kam auf sie zu. »Sieh mal«, sagte er, »Sie müssen -ich meine, du mußt dieses Zimmer verlassen. Das alles ist keine gute Idee.«
Er griff nach ihr, um sie aus dem Bett zu ziehen, aber im selben Augenblick zog sie den Dolch hervor und zielte damit auf sein Herz. Doch bevor sie noch zustoßen konnte, berührte ihr Fuß die Kobra unter der Decke, und sie verspürte einen scharfen Biß in ihrem Bein.
Sie schrie auf. »Was ist .« Und war tot.
Eddie starrte völlig ungläubig auf sie hinab.
»So kommen Sie doch zu sich!« sagte er.
Dann begriff er erst. »Hilfe!«
Die Tür ging auf, und Capitan Torres stürmte herein. »Was ist los?« fragte er. »Was haben Sie -«
Da sah er die tote Frau im Bett. »O mein Gott! Sie haben die Geliebte des Colonel getötet!«
»Das habe ich nicht«, sagte Eddie beleidigt.
Capitan Torres stellte sich vor ihn: »Was hatte sie in Ihrem Bett zu suchen?«
»Schwer zu erklären«, sagte Eddie.
»Da brauchen Sie gar nichts zu erklären. Das erklärt sich von selbst. Sie haben sich mit ihr vergnügt und sie dann umgebracht.«
»Ach Quatsch«, sagte Eddie. »Das habe ich nicht getan.«
»Wie stellen Sie sich vor, daß ich das dem Colonel schonend beibringen soll? Er war total verrückt nach dieser Frau. Er wollte sie sogar heiraten.«
»Da war ich nicht so sicher«, sagte Eddie.
»Was?«
»Nichts.«
»Wenn ich das dem Colonel mitteile, reißt er Sie in Stücke.«
»Ist der Colonel denn nicht noch immer auf Geschäftsreise?« fragte Eddie.
»Ja.«
»Nun, vielleicht stirbt er ja auch«, sagte Eddie hoffnungsvoll.
Capitan Torres aber lächelte dünn und böse.
»Nein, mein Lieber«, sagte er. »Er ist nicht derjenige, der stirbt. Er nicht.«
»Wir müssen die Leiche wegschaffen«, sagte Capitan Torres.
Er zog die Bettdecke weg und erblickte die Kobra. In der nächsten Sekunde schon hatte er seine Pistole gezogen und sie getötet.
Eddie starrte völlig schockiert auf das Tier.
Der Capitan drehte sich zu ihm um. »Also so haben Sie sie umgebracht«, sagte er. »Mit einer Giftschlange.«
»Habe ich nicht«, widersprach Eddie. »Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, daß die Schlange im Bett war.«
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