Ich ignorierte diese geistreiche Bemerkung und sagte rasch:
»In jedem Fall bist du die Person, die so tun wird, als sei sie in den Besitz des geheimnisvollen Zauberpilzes gelangt.«
Fassungslos sah er mich an.
»Ich?«
»Wer sonst? Ich kann mich doch wohl kaum in deinem Geheimbund sehen lassen, oder?«
Er zuckte mit den Schultern, da er begriff, dass er mit dem Rücken zur Wand stand.
»Wir werden uns sehr gut überlegen müssen, wie du an das Ding herangekommen sein willst«, fuhr ich fort. »Woher beziehst du das Saatgut für die seltenen Pflanzen in deinen Gärten?«
»Das schicken mir Händler aus dem gesamten Königreich. Lass mich mal nachdenken. Ah!«, meinte er schon im nächsten Moment. »Es gibt da einen in Karkemisch, einer Stadt an der mitannischen Grenze. Der beliefert mich mit äußerst seltenen und interessanten Samen und Blumenzwiebeln, die aus dem Norden kommen.«
»Hervorragend. Das ist eine Verbindung, die Sobek nachprüfen kann. Du könntest behaupten, dein Lieferant habe das Halluzinogen von einem Händler bezogen, der Kontakte an der neuen Handelsroute hat«, schlug ich vor.
»Das wäre sogar einigermaßen plausibel. Im Osten des großen Binnenmeeres, gleich hinter den Nordgrenzen des Königreiches Hatti, gibt es eine sagenumwobene und unpassierbare Gebirgskette, auf der immer Schnee liegt und die kein Reisender überlebt. Es wird aber auch behauptet, es gäbe eine geheime Route, die durch diese Berge in ein anderes Reich führt, das dahinter liegt, und in dem gibt es angeblich endlose Wälder und trostlose Täler, die zu Eis gefroren und weiß sind wie purer Sandstein, und dort leben primitive Völker mit bleicher Haut, strohgelben Haaren und blauen Augen, die Felle von Tieren und die Federn von goldenen Vögeln tragen und in Palästen aus Eis wohnen.«
»Das hört sich entsetzlich an«, sagte ich.
Ich hatte Nacht in eine gefährliche Situation gebracht. Er wusste aber, dass mir keine andere Wahl blieb. Wenn ich recht hatte, dass unser Mann, der ein Mitglied des Geheimbundes war, besessen war von Träumen und Visionen, war das der beste Köder.
»Das Einzige, was du jetzt noch tun musst, ist Folgendes«, erklärte ich ihm. »Du musst deinen Geheimbundkumpanen unauffällig eine Botschaft in eurer zweifellos geheimen Sprache zukommen lassen, in der du ihnen ankündigst, dass du das Halluzinogen morgen Abend zu einem Treffen mitbringst, damit sie es inspizieren und mit diesem Wunderwerk der Visionen experimentieren können. Vielleicht könntest du sie sogar mit der Aussicht auf einen Menschenversuch locken.«
»Und darf ich fragen, an wem ich den vornehmen sollte?«, erkundigte er sich nervös.
»Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, bin ich sicher, dass Kheti bereitwillig das Opfer spielen würde.«
»Nun, eine Botschaft zu schicken ist nicht erforderlich. Morgen feiern wir die letzte Nacht der Mysterien des Osiris. Ich schätze mal, dir ist nicht bekannt, dass sein Fest im letzten Monat der Nilflut begangen wird. Wenn das Wasser zurückgeht, feiern wir mit Ritualen die Wiederauferstehung. Nach Tagen und Nächten des Jammers feiern wir den Triumph des Gottes. Und das geschieht morgen Abend.«
Ich wollte unbedingt nach Hause, nachsehen, ob alles in Ordnung war und der Wachmann, den Kheti hatte organisieren sollen, seine Pflicht tat. Meine Familie brauchte Schutz, ich durfte da keinerlei Risiko eingehen. Doch als ich im Gewirr der schmalen Altstadtstraßen um eine Ecke bog, sah ich plötzlich einen Gegenstand durch die Luft schwirren, und im nächsten Augenblick spürte ich einen Schlag gegen meine Schläfe, eine schmerzhafte Wärme, die sich sofort über die gesamte Seite meines Kopfes verteilte, und dann wurde es dunkel um mich her.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem verdreckten Boden des Gässchens. Thot leckte mir mit seinem nassen Maul das Gesicht. Über mir türmten sich die Schatten von vier Männern auf. Sie trugen die Röcke der Armee. Einer von ihnen versuchte, Thot zu treten, aber der fletschte sofort die Zähne und ging auf ihn los.
»Ruf dein Tier zurück«, befahl einer der Männer.
Ich schluckte die Galle herunter, die mir in den Hals gestiegen war, und stand langsam wieder auf.
»Thot!«
Auf der Stelle gehorchte er und stellte sich artig neben mich, behielt die Soldaten aber weiter wachsam im Blick. Ich erlaubte ihnen, mich in Ketten zu legen, und dann bildeten sie meine persönliche Unehrengarde und schafften mich hastig zum Hafen. Dort stießen sie mich zusammen mit Thot auf ein Boot, und gemeinsam machten wir uns auf den Weg über den Großen Fluss. Die Stelle, an der wir auf der gegenüberliegenden Uferseite anlegten, lag etwas weiter im Norden. Man schob mich in einen bereitstehenden Streitwagen, auf dem Thot sich aufgrund des Platzmangels zu meinen Füßen auf den Boden kauern musste, und dann fuhr man uns mit enormer Geschwindigkeit über die Steinwege, die zu den Hügeln und Totentempeln in der Wüste führten; und dann bogen wir nach Nordosten ab, auf das Versteckte Tal zu. Dort zerrte man mich wieder aus dem Streitwagen heraus und zwang mich, die steinigen, von der Hitze gebackenen Hänge hinaufzumarschieren, die sich grau und orangefarben über uns erhoben. Die Luft war so trocken wie Zunder, und unsere Atemzüge klangen in der Stille wie lautes Keuchen. Plötzlich fragte ich mich, ob man mich hier vielleicht zu irgendeinem Wüstengrab eskortierte, nur schien mir das ein absurder Weg zu sein, sich meiner zu entledigen. Wenn sie beabsichtigten, mich zu töten, hätten sie mir ja einfach den Schädel einschlagen und mich den Krokodilen zum Fraß vorwerfen können. Nein, man brachte mich hier zu jemandem.
Folglich war ich nicht erstaunt, dass mich auf der Spitze des Hügels – unter uns tat sich im Dunst der Spätnachmittagshitze die große grüne Ebene auf, in die Theben eingebettet lag und die sich bis weit in den Osten erstreckte – eine Gestalt erwartete, die neben einem Pferd in der flirrenden Hitze unter einem Sonnenschutz saß. Auch von der Seite erkannte ich ihn sofort. Haremhab schien die Hitze ebenso wenig auszumachen wie einer Eidechse. Verächtlich registrierte er, dass ich schwitzte und außer Atem war. Er blieb auf der kreisrunden Stelle im Schatten stehen, ließ mich indes in der Sonne schmoren. Ich wartete darauf, dass er das Wort an mich richtete.
»Ich bin verwirrt«, meinte er plötzlich. »Warum vertraut die Königin dir?«
»Warum habt Ihr mich hergeholt, wenn Ihr Euch nur mit mir unterhalten wollt?«, entgegnete ich.
»Beantworte meine Frage.«
»Ich bin der persönliche Leibwächter der Königin. Warum sie mir vertraut, werdet Ihr sie fragen müssen.«
Er trat näher auf mich zu.
»Versteh mich richtig«, sagte er. »Wenn ich auf meine Fragen keine zufriedenstellenden Antworten bekomme, werde ich nicht zögern, deinem Pavian den Kopf abzuschneiden. Ich sehe, dass du das Tier gern hast. Es hat mir nicht behagt, dass du meiner Unterredung mit der Königin beigewohnt hast, und dadurch fühle ich mich nur noch mehr dazu veranlasst, die Anwendung von Gewalt für erforderlich zu halten.«
Ich ließ mir meine wenigen Möglichkeiten durch den Kopf gehen.
»Ich bin ein Kriminalbeamter der städtischen Medjai. Die Königin hat mich zu sich gerufen, damit ich in einem Fall ermittelte.«
»Worum ging es bei diesem Fall?«
Ich zögerte. Sofort nickte er einem seiner Männer zu, der daraufhin sein Messer zückte.
»In den königlichen Gemächern waren suspekte Gegenstände aufgefunden worden«, sprach ich weiter.
»Es wird Zeit sparen, wenn du so ausführlich wie möglich antwortest.«
»Diese Gegenstände bedrohten das Leben des Königs.«
»Jetzt kommen wir hier endlich voran. Und zu welchem Ergebnis bist du bei deinen Ermittlungen gekommen?«
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