«Die stehen im Computer.«
«Er sagte, er hätte am Sonntag Ihre Daten mit einem Michelangelo gelöscht oder so was, da sei nichts zu befürchten.«
«Ich hatte Kopien«, sagte ich knapp.
Tigwood war im Pub an dem Abend, als alle Jogger sagen hörten, er habe die versteckten Behälter gefunden. Aus Bosheit mußte er Joggers Werkzeug gestohlen haben. Und wenn Jogger am Sonntag dann mitbekommen hatte, wie Tigwood sich an meinem Computer zu schaffen machte, konnte ich mir sehr gut vorstellen, daß Tigwood Joggers Montiereisen aus dem Wagen geholt hatte und ihm in die Scheune gefolgt war, um ihn mit einem einzigen Schlag zu töten. Worauf Jogger sicher nicht gefaßt war. Für ihn hatte kein Grund zur Furcht bestanden.
Ich löste die Bremse und fuhr die Straße entlang.
«Wahrscheinlich«, sagte ich,»war es Tigwood mit seinen tausend medizinischen Zeitschriften, der über die Zecken Bescheid wußte, ja? Und der auch wußte, wie man Tessa Watermead ein Virus beschaffen kann, um die Pferde von Jericho Rich zu infizieren? Zeckenfieber konntet ihr seinen Pferden ja nicht anhängen, denn da hatten Sie die Zecken für dieses Jahr noch nicht geholt.«
Wieder war er sprachlos. Ich warf ihm einen Blick zu.
Ich sagte:»Sie haben schlechte Karten, wenn Sie nicht als Zeuge aussagen. Tessa hat ihrem Vater und mir gesagt, was Sie getan haben.«
Lewis brauchte eine quälend lange Meile, um sich zu entschließen, doch als ich durch das Tor zum gammeligen Hauptquartier der alles andere als karitativen Einrichtung bog, sagte er leise:
«Also gut. Ihr Zeuge.«
Auf dem heruntergekommenen Hof wimmelte es von Leuten.
Lorna Liptons Range Rover stand in der Einfahrt. Lorna unterhielt sich mit Tigwood, und Kinder — Kinder — tollten herum. Die beiden Jüngsten von Maudie… und Cinders.
Aziz stand bei dem Fourtrak, ebenso Nina, ebenso Guggenheim. Sie waren unschlüssig, wußten nicht, was sie erwartete.
John Tigwood sah verdutzt aus.
Ich hielt den Pferdetransporter an und sprang heraus. Sandy Smith gesellte sich zu der Versammlung, mit Blinklicht, zugeknöpfter Uniform, ohne Sirene.
«Was geht hier vor?«fragte Tigwood.
Ich war mir nicht sicher, wie er reagieren würde. Nach dem, was er mit der Axt auf meinem Grundstück angerichtet hatte, durfte man keine Vorsichtsmaßnahmen außer acht lassen. Die Sicherheit der Kinder war das wichtigste.
Ich sagte zu Maudies Jüngsten:»Krabbelt mit Cinders mal unter den Transporter und spielt, daß ihr in einer Piratenhöhle seid oder so was.«
Sie kicherten.
«Na, los«, drängte ich sie.»Da rein mit euch.«
Sie gehorchten alle drei. Lorna, die zusah, sagte nur:»Machen die sich nicht schmutzig?«
«Der Dreck geht weg.«
Tigwood sagte:»Weshalb sind Sie hier?«
Ich antwortete ihm:»Wir bringen Ihr Kaninchen.«
«Was?«
«Lewis und ich«, sagte ich,»haben Ihnen das Kaninchen mitgebracht — mit Zecken.«
Tigwood lief auf die Beifahrerseite und riß die Tür auf.
«Lewis!« schrie er. Es war ein Kreischen, kein bißchen sonor.
Lewis wich vor ihm zurück.»Er weiß alles«, sagte er verzweifelt.»Freddie weiß alles.«
Tigwood streckte einen Arm ins Fahrerhaus und zog Lewis heraus. Die schmächtige Erscheinung Tigwoods täuschte. Jeder konnte sehen, mit welch sehniger Kraft er den größeren Mann hervorzerrte und ihn zu Boden krachen ließ. Lewis’ Schultern kamen zuerst auf, dann sein Kopf, dann seine Beine.
Lewis wälzte sich ächzend herum und holte aus, um Tigwood zu schlagen. Tigwood trat ihm ins Gesicht und wandte seine Aufmerksamkeit mir zu.
«Sie Schwein«, sagte er, kreideweiß, entschlossen.»Ich bringe Sie um.«
Es war ihm ernst damit. Er versuchte es. Er stürzte sich auf mich und warf mich schon durch das Tempo, mit dem er ankam, gegen die Seite des Transporters.
Er hatte allerdings keine Axt und kein Montiereisen, nur seine bloßen Hände; und wären wir allein gewesen, hätten die vielleicht auch wirklich genügt.
Aziz kam von hinten und zerrte ihn weg, indem er zur rechten Zeit bewies, daß er die Kunst beherrschte, jemandem bis zum Knackpunkt den Arm auf den Rücken zu drehen.
Tigwood schrie. Sandy holte wichtigtuerisch seine Handschellen hervor und band Tigwood mit Aziz’ Hilfe die Handgelenke hinter dem Rücken zusammen.
Sandy fragte mich aus dem Mundwinkel:»Was geht hier vor?«
«Ich denke, Sie werden feststellen, daß John Tigwood mein Haus mit der Axt verwüstet hat.« »Drecksau«, sagte Tigwood, und seine Stimme war ein Knurren.
Ich fragte Sandy:»Sie haben nicht zufällig einen Durchsuchungsbefehl dabei?«
Er schüttelte verwirrt den Kopf.
«Ich brauche keinen«, sagte Aziz.»Wonach soll ich suchen?«
«Nach einer Axt. Einem rostigen Montierhebel. Einem Gestell, auf dem man sich unter Lkws legen kann. Einem Haufen Werkzeug in einer roten Plastikkiste. Und vielleicht nach einer Kassette aus grauem Metall, mit einer blanken runden Stelle in der Schmutzschicht. All das könnte in seinem Wagen sein. Wenn Sie was finden, rühren Sie’s nicht an.«
Sein Lächeln erstrahlte hell, klar und zufrieden.»In Ordnung. «Er überließ Tigwood Sandy und war mit ein paar Sätzen außer Sicht.
Lorna blökte verdattert:»John? Ich verstehe nicht.«
«Halt’s Maul«, sagte er wütend.
«Was haben Sie getan?« jammerte Lorna.
Niemand sagte es ihr.
Tigwood starrte mich mit entnervendem blanken Haß an und nannte mich zornesbleich unter anderem noch einmal eine Drecksau, während er die Tirade wiederholte, von der Lewis mir berichtet hatte. Ich hätte mir das Übermaß seines mörderischen, verzehrenden Hasses nie träumen lassen, auch nach dem Kahlschlag bei mir zu Hause nicht. Es machte mich schwach und hilflos. Sandy, der schon so viel Furchtbares gesehen hatte, sah erschüttert aus.
Lorna fuhr mit Abscheu zu mir herum.»Was haben Sie ihm getan?«fragte sie vorwurfsvoll.
«Gar nichts.«
Sie glaubte mir nicht und würde es auch nie.
Aziz kam aus der Richtung der baufälligen Ställe wieder.
«Alles da«, verkündete er strahlend.»Das Zeug liegt in einer von den Boxen, unter einer Pferdedecke.«
Sandy lächelte mir kurz zu und stieß Tigwood unsanft gegen den Transporter.»Schätze, es ist Zeit, meine Kollegen zu rufen.«
«Schätze ich auch«, stimmte ich zu.»Jetzt können sie übernehmen.«
«Und der Jockey-Club kann Benjy Usher übernehmen«, sagte Aziz.
Ein weiteres Auto stieß zu dem Gedränge. Noch nicht die Kollegen, sondern Susan und Hugo Palmerstone, mit Maudie. Michael hatte ihnen gesagt, daß die Kinder hier waren, erklärten sie. Sie wollten sie abholen.
Tigwood in Handschellen entsetzte sie. Lorna sagte ihnen, alles sei meine Schuld. Hugo glaubte ihr unbesehen.
«Wo sind die Kinder?«fragte Susan.»Wo ist Cinders?«
«Sie sind in Sicherheit. «Ich bückte mich und schaute unter den Transporter.»Ihr könnt jetzt rauskommen«, sagte ich.
Guggenheim berührte meinen Arm, als ich mich wieder aufrichtete.»Haben Sie… ich meine…«, sagte er.»Ist das Kaninchen da?«
«Ich glaube.«
Er zumindest sah glücklich aus. Er hatte einen kleinen Korb aus weißem Plastik bei sich und trug Schutzhandschuhe.
Die beiden Kinder von Maudie schlängelten sich rücklings heraus, standen auf und wischten sich Staub ab. Eins von ihnen sagte mit leisem Stimmchen:»Cinders gefällt’s da drunter nicht. Sie weint.«»So?«Ich kniete mich hin und schaute nach. Sie lag flach auf dem Bauch, das Gesicht fest am Boden, und bebte am ganzen Körper.»Komm doch raus«, sagte ich.
Sie rührte sich nicht.
Ich legte mich rücklings auf den Boden und schob meinen Kopf unter den Rand des Transporters. Auf Fersen, Hüften, Schultern rutschte ich nach hinten, bis ich bei ihr war. Ich stellte fest, daß es Dinge gab, für die ich ohne zu überlegen unter Tonnen von Stahl kroch.
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