«Die Zecken haben diese Reise nicht überlebt. Sie halten sich auf Seife nicht lange genug, wie Sie jetzt wissen. Ein anderes Transportmittel mußte her. Ein Tier. Ein Hamster vielleicht. Oder ein Kaninchen. Wie hört sich das an?«
Schweigen.
«Sie haben ja die Kaninchen der Watermeads versorgt. Ideal! Sie dachten, die merken nicht, wenn da mal eins fehlt, aber sie haben es gemerkt. Jedenfalls sind Sie voriges Jahr mit Pats Vierer nach Frankreich gefahren, zur Ecurie Bonne Chance, das ist Benjy Ushers Stall bei Bel-ley an der Rhone, und Sie haben Zecken auf ein Kaninchen gesetzt. Das haben Sie dann wieder hergebracht, haben die Zecken von dem Kaninchen auf zwei alte Pferde verpflanzt, die Benjy Usher auf der Koppel vor seinem Wohnzimmerfenster stehen hatte, und wenn das eine auch gestorben ist, hatten Sie doch immer noch eine blühende Kolonie von Zecken auf einem anderen, die Sie jederzeit auf ein Pferd übertragen konnten, das Benjy bestimmte und an das Sie nah genug herankamen, wenn Sie es zur Rennbahn fuhren.«
Ich fragte mich, wie ein drohender Herzanfall aussah.
«Die Zecken sind unberechenbar«, fuhr ich fort,»und schließlich wohl einfach verschwunden, deshalb sind Sie im August noch einmal nach Frankreich, aber mit dem Transporter, den Phil jetzt fährt und den Sie damals regelmäßig gefahren haben. Bei der Tour ging jedoch einiges schief. Der Transporter sollte in die Werkstatt und wurde bei Ihrer Rückkehr gleich in die Scheune gebracht. Der Schraubverschluß des Behälters hatte sich gelöst — vielleicht durch Vibration. Bevor Sie das Kaninchen herausholen konnten, fiel es in die Schmiergrube und starb, und Jogger hat es mitsamt den Zecken weggeworfen.«
Ersticktes Schweigen.
«In diesem Jahr«, sagte ich,»haben Sie dann mit dem neuen Super-Sechser die Zweijährigen für Michael Wa-termead abgeholt, und wieder nahmen Sie ein Kaninchen mit. Die Zecken kamen lebend an und wurden auf das alte Pferd Peterman übertragen. Aber Peterman kam zu Marigold English, nicht zu Benjy Usher, und Peterman starb. Die Zecken starben bald nach ihm. Nun steht also die Flachsaison an, und die Kandidaten für die diesjährige Chester Vase und die Dante Stakes sind alle noch gesund und kräftig, also düsen Sie mit dem Kaninchen los, um Benjy Ushers Hengst aus Mailand zu holen, und auf dem Rückweg halten Sie mal eben in der Ecurie Bonne Chance, und was wollen wir wetten, daß sich in dem röhrenförmigen Behälter über den Tanks dieses Transporters ein Kaninchen mit Zecken befindet?«
Schweigen.
Ich fragte:»Warum haben Sie die Zecken nicht direkt auf Benjys Hengst gesetzt?«
«Er will ihn wieder laufen lassen, wenn das Bein geheilt ist.«
Das Eingeständnis rutschte einfach so heraus. Lewis’ Stimme war heiser. Er versuchte gar nicht erst, seine Unschuld zu beteuern.
«Also«, sagte ich,»bringen wir das Kaninchen jetzt mal geradewegs zu Kentauros, wo die zwei alten Pferde warten, die für Benjys Weide bestimmt sind. Dann brauchen Sie das Tierchen nicht wieder abends um elf aus dem Kasten zu holen und mir eins überzubraten, wenn ich Sie dabei erwische.«
«Das war ich nicht«, sagte er heftig.»Ich hab Sie nicht geschlagen.«
«Sie haben mich aber ins Wasser geworfen. Und Sie haben gesagt: >Wenn er davon nicht die Grippe bekommt, weiß ich’s auch nicht.««
Lewis war anscheinend über das Verblüfftsein hinaus und hatte das Stadium erreicht, wo er retten wollte, was zu retten war.
«Ich brauchte das Geld«, sagte er,»damit mein Kind auf die Schule kann.«
Noch ein Schock, dachte ich, und er würde wirklich anfangen zu reden.
Ich sagte:»Wenn Sie die Wahl hätten, was wäre Ihnen lieber: Irkab Alhawa zum Derby zu fahren und ihn vielleicht als Sieger, live im Fernsehen, mit Ihrem Transporter in den Ort zurückzubringen, oder ihn mit Zecken so krank zu machen, daß er gar nicht erst antreten kann?«
«Das würde er nie tun!«Sein Entsetzen sah wirklich echt aus.
«Er ist gewalttätig und boshaft«, sagte ich,»wieso also nicht?«
«Nein!«Er starrte mich an und hatte eine Spätzündung.»Von wem reden Sie?«
«Von John Tigwood natürlich.«
Lewis schloß die Augen.
«Benjy geht es um Siege«, sagte ich.»Ihnen ums Geld. Tigwood um die Macht, kaputtzumachen, was andere erreicht haben. Eine Unsitte, die verbreiteter ist, als Sie vielleicht denken. Andere Leute fertigzumachen ist ein Volkssport.«
Siegen durch Betrügen. Ehrgeizige Pläne fürs Kind. Bosheit und heimliche Freude am Zerstören, um eine schwache Persönlichkeit aufzupäppeln. Jedem seine eigene Antriebskraft.
Und meine? Ach, meine. Wer versteht schon, was ihn selber treibt!
Lewis sah krank aus.
«Wird Tigwood von Benjy Usher bezahlt?«fragte ich.
Lewis sagte ohne Humor:»Er steckt ihm das Zeug bündelweise in die Sammelbüchse, in aller Öffentlichkeit.«
Nach einer Pause sagte ich:»Erzählen Sie mir, was in der Nacht passiert ist, als Sie mich ins Wasser geschmissen haben.«
Er stöhnte fast.»Ich bin kein Denunziant.«
«Sie sind ein Zeuge«, sagte ich.»Zeugen kommen besser weg.«
«Ich habe Ihr Auto nicht ramponiert.«
«Sie haben Jogger nicht umgebracht«, hob ich hervor,»denn da waren Sie in Frankreich. Aber was meinen Wagen angeht, das könnten Sie schon gewesen sein.«
«Ich war’s nicht. Bestimmt nicht. Er war’s.«
«Und. weshalb?«
Lewis starrte mich an, die Augen tief in den Höhlen.
«Also, der war wie ein wildes Tier. Hat sich darüber aufgeregt, daß Ihnen alles so zufällt. Warum Sie alles hätten und er nichts. Sie seien fein raus, sagte er, mit Ihrem Haus und Ihrem Geld, mit Ihrem Aussehen und Ihrer Firma, und davor seien Sie ewig lang Topjockey gewesen und alle würden Sie mögen, und was hätte er? Kein Mensch freue sich, ihn zu sehen, alle schnitten ihn, da könnte er machen, was er wollte, so wie Sie käme er nie an. Er war voller Haß auf Sie. Mir hat sich richtig der Magen gedreht, aber ich dachte, wenn ich ihm widerspreche, läßt er’s vielleicht an mir aus, also bin ich mit ihm gefahren… und die Axt hatte er im Auto.«
«Hat er mich mit der Axt geschlagen?«fragte ich ungläubig.
«Nein. Mit ’nem rostigen alten Montierhebel. Er hätte das Auto voller Werkzeug, sagte er. Als er Sie umgehauen hatte, haben wir Sie in meinen Kofferraum gesteckt, weil da mehr Platz war, und er sagte, ich solle Sie zum Hafen fahren. Dabei hat er gelacht, Mensch!«
«Dachten Sie, ich sei tot?«
«Ich wußte erst nicht so recht. Aber dann doch. Sie haben geredet, als wir ankamen, irgendwie phantasiert. Ich wollte Sie auf keinen Fall umbringen. Ehrlich.«
«M-hm.«
«Er sagte, mitgegangen, mitgehangen. Er sagte, ob ich wollte, daß er mich in Schwierigkeiten bringt. Ob ich meinen Job verlieren und nie wieder so gute Pferde fahren wollte.«
Lewis schwieg und sah jetzt eine Zukunft vor sich, die all das bedeutete.
«So ein Dreckskerl«, sagte er.
«Sie sind also von Southampton zurückgekommen«, sagte ich, da ich es für gegeben nahm,»und haben die Axt rausgeholt und den Hubschrauber meiner Schwester kurz und klein geschlagen.«
«Er war das. Er hat gebrüllt, randaliert und gelacht. Das ganze Zeug in Ihrem Zimmer zerhackt. Unheimliche Kräfte. Ich kann Ihnen sagen, mir wurde ganz anders.«
«Sie haben ihm zugesehen?«
«Ehm.. ja.«:
«Und hat es Spaß gemacht?«
«Überhaupt nicht.«
Aber man sah es ihm an. Möglich zwar, daß ihn die Heftigkeit der Randale erschreckt hatte, doch tief im Innern war er auch davon beeindruckt gewesen und hatte ein schuldbewußtes Vergnügen empfunden.
Geknickt ließ ich den Motor wieder an.
«Woher wußten Sie denn das mit den Fahrten?«sagte Lewis.
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