«Du wolltest es Jericho Rich heimzahlen, daß er seine Pferde weggeholt hat, weil du ihm wegen eines Annäherungsversuchs eine geknallt hast. Du dachtest, es geschieht ihm recht, wenn du ihm die Pferde krank machst, damit sie nicht siegen. Du hast die Telefonnummer aus einer Kleinanzeige in Horse & Hound, sinngemäß >Wir transportieren alles überallhinc, angerufen und vereinbart, daß Kevin Keith Ogden — der Mann, der dann starb — an der Tankstelle in Pontefract eine Thermosflasche in Empfang nehmen und sie nach South Mimms bringen soll, wo die A1 auf die M 25 stößt. Du hast mit meinem Fahrer Dave vereinbart, daß er Ogden da aufliest und nach Chieveley mitnimmt. Du hast Dave spät abends nach seiner Rückkehr aus Folkestone angerufen, denn du wußtest, daß es vorher keinen Zweck hatte, weil du seinen Zeitplan kanntest. Du gehst in Isobels Büro ein und aus, und du konntest den Tagesplan sehen. Ogden sollte in Chieveley aussteigen und die Thermosflasche übergeben; da er aber gestorben war, haben meine Leute ihn zu mir nach Hause gebracht. Du hast dich wahrscheinlich gewundert, daß Ogden in Chieveley nicht aufkreuzte, aber der Grund dafür war bald im ganzen Dorf herum, und dein Vater hat es bestimmt als einer der ersten erfahren. «Ich legte eine kurze Pause ein. Weder Vater noch Tochter sagten etwas.
«Als du hörtest, daß Ogden tot war«, fuhr ich fort,»hast du angenommen, die Thermosflasche sei noch im Transporter, und du bist gekommen, um sie zu suchen, Tessa, in dunkler Montur, mit einer schwarzen Kapuzenmütze überm Gesicht, damit ich dich nicht erkenne, falls ich dich sehe. Wie du weißt, habe ich dich im Fahrerhaus entdeckt, und du bist weggerannt.«
Michael war es, der sagte:»Nein.«
«Du konntest die Thermosflasche nicht finden«, sagte ich zu Tessa.»Du hast zweimal nachgesehen. Dann entschloß ich mich, im Fahrerhaus zu schlafen, und es war aus damit.«
Michael sagte:»Ich glaub das nicht. «Er glaubte es aber.
«Ich schlage dir ein Geschäft vor«, sagte ich zu Tessa.»Ich werde Jericho Rich nicht sagen, was du mit seinen Stuten vorhattest, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest.«
«Sie können nichts beweisen«, sagte sie mit schmal werdenden Augen.»Und das ist Erpressung.«
«Mag sein. Dafür, daß ich die Geschichte nie wieder irgendwo erwähne, möchte ich ein paar Antworten. Das ist kein schlechter Handel.«
«Woher soll ich wissen, daß Sie Wort halten?«
«Er hält Wort«, sagte Michael.
«Was vertraust du dem denn so?«fuhr seine Tochter auf.
«Ich tu’s eben.«
Das gefiel ihr nicht. Sie warf den Kopf zurück. Gepreßt sagte sie:»Was wollen Sie wissen?«
«Vor allem mal«, sagte ich,»wo das Virustransportmedium herkam.«
«Was?«
Ich wiederholte die Frage. Sie sah mich weiter verständnislos an.
«Die Flüssigkeit in den Röhrchen«, sagte ich,»ist ein Gemisch, das zum Transport von Viren außerhalb lebender Körper verwendet wird.«
«Versteh ich nicht.«
«Wenn man einfach den Nasenausfluß eines Pferdes nähme, das den Virus hat«, sagte ich,»würde der Virus in kürzester Zeit verschwinden. Um die Infektion auf dem Straßenweg von Yorkshire nach Pixhill zu bringen, müßte man den Nasenausfluß mit einem Gemisch verbinden, das ein Absterben des Virus verhindert. Dieses Gemisch befindet sich in den Röhrchen. Selbst darin würde ein Virus nur zwei Tage überleben. Die Mischung hier ist jetzt ungefährlich. Aber wo kommt sie her?«
Sie antwortete nicht. Michael sagte:»Woher, Tessa?«
«Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
«Du weißt nur«, tippte ich an,»daß ein Pferd, dem man den Kopf hochgehalten und die Mischung in die Nüstern gegossen hätte, angesteckt worden wäre?«
«Na ja, wahrscheinlich. Wahrscheinlich angesteckt.«
«Wer hat dir das erzählt?«fragte ich.»Wer hat dir das Zeug besorgt?«
Schweigen.
«Tessa?«sagte Michael.
«War es Benjy Usher?«fragte ich.
«Nein!«Sie war ehrlich erstaunt.»Natürlich nicht.«
«Benjy nicht«, stimmte Michael belustigt zu.»Aber wer, Tessa?«
«Sag ich nicht.«
«Das ist schade«, murmelte ich.
Eine längere Pause entstand, während die Kopfwerferin, die Tuschlerin, überlegte.
«Ach, was soll’s«, platzte sie heraus.»Es war Lewis.«
Michael war überrascht; mich dagegen hätte es gewundert, wenn sie jemand anders genannt hätte.
«Ich weiß nicht, wo er’s herhat«, sagte sie heftig.»Er sagte nur, ein Kumpel im Norden könnte ihm Rotz von einem Pferd mit dem Virus besorgen — Rotz hat er gesagt, nicht so was Hochgestochenes wie Nasenausfluß —, und dieser Kumpel würde es zur Tankstelle in Pontefract bringen, wenn ich einen fände, der’s da abholt. Der Kumpel konnte keinen Abstecher nach hier machen, und ich hätte nicht nach Yorkshire gekonnt, ohne tausend Erklärungen abzugeben, aber da fiel mir die Anzeige in der Zeitung ein, und ich meinte zu Lewis, so könnte es doch gehen. Er sagte, dann solle ich mit Dave reden, daß er den Mann mitnimmt. Dave sei für die Fahrt nach Newmarket eingesetzt und täte alles für Geld, und so käme der Mann nach Chie-veley, wo ich mich leicht mit ihm treffen könnte — und wie sollte ich denn wissen, daß er stirbt? Ich rief Lewis an, sagte ihm, was passiert war, und wollte, daß er mir die Thermosflasche holt, aber er hat mir nur den Schlüssel fürs Fahrerhaus gegeben. Und damit Sie’s wissen, Sie sahen ganz schön doof aus, als Sie mich beim Suchen ertappt haben und mit Schlafanzug, Gummistiefeln und flatterndem Regenmantel hinter mir hergehoppelt sind. Ganz schön bescheuert.«
«Wahrscheinlich«, sagte ich gelassen.»Hast du nur in oder auch unter dem Transporter nachgesehen?«
«Ein ganz Gescheiter, was? Ja, drunter auch.«
«Ehm, wieso?«
«Lewis hat mir mal gesagt, unter so einem Brummer könnte man so ziemlich alles transportieren.«»Wieso hat er das gesagt?«
«Warum sagt einer was? Der redet viel, um einen ins Gespräch zu ziehen. Er sagte, er hätte mal Seife in einem Behälter unter einem Ihrer Wagen befördert, sei aber wieder davon abgekommen, weil das nichts bringt.«
«Seife«, sagte Michael hoffnungslos verwirrt,»wieso in aller Welt Seife?«
«Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wissen? Lewis erzählt einfach komische Dinger. Das ist seine Art.«
«Und, ehm…«, sagte ich,»hast du denn Seife unter meinem Transporter gefunden?«
«Nein, natürlich nicht. Ich hab nach einer Thermosflasche gesucht. Da war aber gar nichts drunter. Nur Schnodder und Dreck.«
«Als du Nigel überreden wolltest, dich mit den Stuten nach Newmarket mitzunehmen«, sagte ich,»hast du da immer noch gehofft, du könntest den Virusvorrat finden und die Pferde unterwegs anstecken?«
«Und wenn?«
«Es war ein anderer Transporter«, sagte ich.
«War es nicht… na ja, die sehen alle gleich aus.«
«Viele schon.«
Sie sah niedergeschmettert drein.
«Hast du Dave Geld gegeben?«fragte ich sanft.
«Nein. Ich meine, ich hab das Zeug ja nie gekriegt, oder?«
«Und Ogden hast du auch nicht bezahlt, weil er tot war. Hast du Lewis bezahlt?«
Nach einer Pause sagte sie mürrisch:»Er wollte es im voraus. Also ja.«
«Tessa«, sagte Michael wieder, beinahe heulend.
«Na ja, ich hab’s für dich getan, Dad«, sagte sie.»Ich hasse Jericho Rich. Holt seine Pferde weg, weil ich ihm ein paar gelangt hab! Ich hab’s für dich getan.«
Michael war überwältigt, erfüllt von voreiliger Nachsicht. Ich glaubte ihr nicht, aber Michael mußte es vielleicht.
Isobel war noch im Büro, als ich zum Bauernhof zurückkam, obwohl es schon auf fünf zuging. Rose war nach Hause gefahren.
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