Er wandte sich von der düsteren Betrachtung der Haupttribüne ab, und langsam machten wir uns auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz. Er müsse telefonisch ein paar Schaltpläne durchgeben, sagte er.
Sein Büro war voll von Strattons. Conrad saß in Rogers Sessel hinter dem Schreibtisch. Conrad redete in Rogers Telefon, ganz Herr der Lage.
Conrad sagte gerade:»Ja, ich weiß, daß Sie meinem Verwalter gesagt haben, Sie hätten kein Zelt frei, aber hier spricht Lord Stratton persönlich, und ich ersuche Sie, uns ein geeignetes Zelt zu beschaffen und es morgen hier aufzubauen. Von mir aus schlagen Sie woanders eins ab, mir ist egal, woher Sie’s nehmen, aber bringen Sie eins her.«
Ich tippte Roger auf den Arm, bevor er etwas einwenden konnte, und bedeutete ihm, wieder mit hinauszugehen. Draußen, wo kein Stratton uns mehr beachtete, schlug ich vor, wir sollten zurück zum Bus fahren.
«Da haben wir auch Telefon«, erklärte ich.»Und man ist ungestört.«
«Haben Sie gehört, was Conrad gesagt hat?«
«Ja. Ob er es auf die Tour schafft?«
«Wenn ja, bin ich meinen Job los.«
«Fahren Sie uns zum Bus.«
Roger fuhr hin, und um mir die neuerliche Busbesteigung zu ersparen, sagte ich ihm, wo das Mobiltelefon stand und wo mein Adreßbuch lag, und bat ihn, mir beides nach draußen zu bringen. Als er wiederkam, schlug ich eine Nummer nach und rief sie an.
«Henry? Lee Morris. Wie geht’s?«
«Not am Mann? Was kaputt? Dach eingestürzt?«
«Du merkst aber auch alles.«
«Stimmt, Lee, aber mein Standardzirkuszelt hab ich als Reithalle an einen Ponyclub verpachtet. Kleine Mädchen mit Schutzhelmen. Die haben das fürs ganze Jahr.«
«Und das große, aufwendige?«
Ein ergebener Seufzer kam durch die Leitung. Henry, ein alter Freund, Altwarenhändler großen Stils, hatte von einem bankrotten Wanderzirkus zwei Hauptzelte übernommen, die er mir hin und wieder vermietete, wenn ich eine völlig abgetakelte Ruine vor dem Wetter schützen wollte.
Ich erklärte ihm, was benötigt wurde und weshalb, und ich erklärte Roger, wer sein Gesprächspartner war, dann stützte ich mich zufrieden auf das Gehgestell und ließ sie über Bodenfläche, Kosten und Transport reden. Als sie handelseinig wurden, sagte ich zu Roger:»Er soll sämtliche Flaggen mitliefern.«
Roger gab die Bitte verwirrt weiter und erhielt eine Antwort, die ihn zum Lachen brachte.»Ausgezeichnet«, sagte er,»ich rufe Sie zur Bestätigung noch mal an.«
Wir nahmen das Telefon und das Adreßbuch im Jeep mit und kehrten zum Büro zurück. Conrad brüllte dort zwar immer noch in den Hörer, doch nach der Ungeduld zu urteilen, die jetzt unter den übrigen Strattons herrschte, ohne Erfolg.
«Sie sind dran«, flüsterte ich Roger zu.»Sagen Sie, Sie hätten das Zelt gefunden.«
Es fiel ihm nicht leicht, sich mit fremden Federn zu schmücken, doch er hatte ein Einsehen. Die Strattons konnten aus Bosheit jeden Vorschlag meinerseits ablehnen, auch wenn es zu ihrem Vorteil war, darauf einzugehen.
Roger ging zu seinem Schreibtisch, als Conrad wütend den Hörer auf die Gabel knallte.
«Ich, ehm… ich habe ein Zelt aufgetrieben«, sagte er fest.
«Na, endlich!«meinte Conrad.
«Wo denn?«fragte Keith verärgert.
«Ein Mann in Hertfordshire hat eins. Er kann es morgen früh anliefern und schickt ein Team für die Montage mit.«
Conrad freute sich wider Willen und mochte es nicht zugeben.
«Allerdings«, fuhr Roger fort,»verleiht er dieses Zelt nicht kurzzeitig. Wir müßten es für mindestens ein Vierteljahr behalten. Aber«, setzte er eilig hinzu, da Unterbrechungen in der Luft lagen,»diese Bedingung wäre nur zu unserem Vorteil, denn die Tribüne dürfte noch viel länger außer Betrieb sein. Wir könnten das Zelt behalten, solange wir es brauchen. Es hat sogar einen festen Boden, verstellbare Trennwände und ist offenbar viel stabiler als ein normales Festzelt.«
«Zu teuer«, wandte Keith ein.
«Effektiv billiger«, sagte Roger,»als wenn wir für jeden Renntag extra Zelte aufstellen.«
Marjorie Binshams Blick schweifte an Roger und ihrer Familie vorbei und heftete sich auf mich.
«Hätten Sie einen Vorschlag?«fragte sie.
«Beachte ihn nicht«, beharrte Keith.
Ich sagte gleichmütig:»Alle vier Vorstandsmitglieder sind hier. Lassen Sie doch den Vorstand entscheiden.«
Ein rasch überspieltes Lächeln zuckte in Marjories Mundwinkeln. Dart grinste unverhohlen.
«Nennen Sie uns die Zahlen«, verlangte Marjorie von Roger, und er entnahm seinen Notizen die Maße und den Preis und setzte hinzu, daß die Versicherung für den Ausfall der Tribüne die Kosten ohne weiteres decke.
«Wer hat die Versicherung abgeschlossen?«fragte Marjorie.
«Lord Stratton und ich, über einen Makler.«
«Na schön«, sagte Marjorie energisch,»ich stelle den Antrag, daß der Colonel zu den vorgeschlagenen Bedingungen einen Mietvertrag für das Zelt abschließt. Und Ivan unterstützt den Antrag.«
Ivan, überrumpelt, sagte geistesabwesend:»Ich? Ah ja, richtig.«
«Conrad?«fragte Marjorie herausfordernd.
«Hm… ich wohl auch.«
«Angenommen«, sagte Marjorie.
«Ich bin dagegen«, zischte Keith.
«Wir haben deinen Einspruch gehört«, sagte Marjorie.»Colonel, bestellen Sie das Zelt.«
Roger suchte die Nummer aus meinem Adreßbuch und sprach mit Henry.
«Sehr gut, Colonel«, beglückwünschte ihn Marjorie, als alles arrangiert war.»Ohne Sie könnte der Betrieb gar nicht laufen.«
Conrad sah ernüchtert aus, Ivan verwirrt und Keith mordlustig.
Jack, Hannah und Dart als Nebenfiguren enthielten sich des Kommentars.
Das eingetretene Schweigen endete mit der Ankunft zweier Fahrzeuge: Eins brachte, wie sich herausstellte, zwei höhere Polizeibeamte und einen Sprengstoffexperten; dem anderen entstiegen Conrads Abbruchspezialist und ein Vertreter der Stadtverwaltung mit wuchtigem Schnauzbart.
Die Strattons strömten geschlossen ins Freie.
Roger wischte sich mit der Hand übers Gesicht und meinte, der Militärdienst in Nordirland sei weniger stressig gewesen.
«Glauben Sie, wir haben es mit einem irischen Anschlag zu tun?«fragte ich.
Er sah erschrocken aus, schüttelte aber den Kopf.»Die Iren prahlen damit. Bis jetzt hat sich noch keiner auf die Brust geklopft. Und denken Sie dran, daß es kein Anschlag auf Personen war. Die irischen Bombenleger wollen Menschen verletzen.«
«Wer war es also?«»Die entscheidende Frage. Ich weiß es nicht. Und Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß… vielleicht noch mehr kommt.«
«Wie steht’s mit der Bewachung?«
«Ich habe die Rennbahnarbeiter zwangsverpflichtet. «Er klopfte auf das Funksprechgerät an seinem Gürtel.»Alle halten ständig Kontakt mit meinem Vorarbeiter. Sobald ihnen was auffällt, meldet er es mir.«
Die soeben eingetroffenen Polizeibeamten kamen in das Büro und stellten sich als ein Chefinspektor und ein Detektivsergeant vor. Der dritte im Bunde, ein angespannter junger Mann, wurde namenlos und unbestimmt als Kampfmittel experte vorgestellt — jemand, der Bomben entschärft. Er stellte die meisten Fragen.
Ich antwortete ihm sachlich und beschrieb, wo die Sprengschnur gewesen war und wie sie ausgesehen hatte.
«Sie und Ihr kleiner Sohn wußten auf Anhieb, was es war?«
«Wir hatten schon mal welche gesehen.«
«Und wie dicht waren die Ladungen in den Wänden angebracht?«
«Im Abstand von etwa einem Meter. Manchmal auch weniger.«
«Und über einen wie großen Bereich?«
«Rings um die Wände des Treppenhauses auf mindestens zwei Etagen, vielleicht auch mehr.«
«Wir haben gehört, daß Sie vom Bau sind. Was meinen Sie, wie lange Sie selbst gebraucht hätten, um die Löcher für die Ladungen zu bohren?«
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