Beim Anblick einer hohlen Buche kam ihm ein Gedanke. Wie wär's, wenn er da sein durchnäßtes Gewand versteckte, statt es auf dem Leibe zu lassen und es beim Kriechen durchs Strauchwerk noch mehr zu zerfetzen? Kaum hatte er sich der nassen Kleidung entledigt, hörte das Frösteln auf. An einem Stock wollte er Hemd und Hose in die Baumhöhlung hängen.
Plötzlich hörte er im Baum ein Knistern und Summen; rasch entschlossen stieß er den Stock höher in den hohlen Stamm hinein. Da fielen schwere, gelbbraune Waben herunter, auf denen graubepelzte Bienen herumkrochen, starr von der Regenkühle. Peter schaffte die Waben ins nasse Gras des Waldbodens und kehrte die Bienen mit einem Tannenzweig ab. Die honigschweren Waben tat er in seinen Korb. In eine aber biß er, vom Duft verlockt, hinein. Ob Honig oder Larven in den Zellen waren — er aß darauf los. Das ausgesaugte Wachs aber ballte er zu einer Kugel zusammen und tat es auch in den Korb. Wer weiß, wozu es taugen mochte.
Die Bangigkeit, die sich Peters bemächtigt hatte, während er durch die versumpfte Niederung des Urwaldes gedrungen war, wich beherzter Zuversicht, als er in den Eichenbestand des oberen Waldes kam, durch dessen Blätterdach das erste Sonnenlicht sickerte. Ohne sich lange aufzuhalten, hob er da und dort einen genießbaren Pilz vom Boden auf, tat ihn in den Korb und ging weiter. Da bemerkte er Wildspuren und Losung, die er nicht kannte. Sein lauschendes Ohr vernahm wieder das Knistern niedergetretener Reiser. Vom Stamm einer Eiche gedeckt, spähte er nach vorn. Dort — kaum einen Steinwurf weit sah er eine Wildsau mit acht Frischlingen. Das graue Borstenkleid des mächtigen Tieres hob sich glänzend vom braunen Waldboden ab, während die Frischlinge mit ihrem rötlichen, gelbweiß gestreiften Jugendkleid sich so fremd ausnahmen, als gehörten sie nicht in die düstere Umgebung. Peter stand regungslos vor Schreck und Verwunderung. Was er einst vom Ähnl über die Wildheit der Muttertiere bei der Verteidigung ihrer Jungen gehört hatte, ließ ihn um sein Leben zittern. Schleichend wollte er in weitem Bogen um die Tiere herumkommen. Trotz aller Vorsicht trat er immer wieder auf dürre Zweige, dessen Knacken durch die Stille hallte. Die Wildsau hob den mächtigen Kopf, glotzte mit ihren auffallend kleinen Augen sekundenlang das sonderbare Wesen an, das sich zaghaft davonbewegte, und wühlte dann, behaglich schmatzend, weiter im Morast.
Langsam und nicht ohne Beklemmung arbeitete sich Peter durch das Buschwerk des Waldsaumes. Sträucher waren vom Steinfall geknickt und starke Bäume in geringer Höhe über dem Boden scharf abgeschnitten. Die Halde an der Felswand zeigte kein Grün außer den zerbrochenen Knieföhren, die mit wirrem Wurzelwerk unter und zwischen niedergegangenen Steinplatten und -blöcken herumlagen, halbbedeckt von kopfgroßen Stücken Kalksteins, die gegen die Wand zu in feinen Bruchsand übergingen. Peter stolperte zwischen den Steintrümmern umher.
Da! — Das Herz stand ihm still.
Ein Ziegenfuß ragte aus dem Schutt. Aber die Hufe waren stärker, die Beine dicker als die einer gewöhnlichen Ziege, auch fiel ihm die hellbraune Behaarung der Innenseite auf.
Sogleich machte er sich ans Ausgraben. Alles um sich her vergessend, fing er an, die Steine abzutragen; bald hatte er das Bein bloßgelegt; rastlos arbeitete er weiter, bis er so weit war, daß er das Bein fassen und daran zerren konnte. Wie verankert lag der Vorderkörper im Gestein. Es galt nun, den verklemmten Kopf mit dem Gehörn freizulegen.
Peters Hände waren zerschrammt, stellenweise quoll neben den Nägeln das Blut heraus, aber er ließ nicht nach.
Endlich lag vor Peters Augen ein Horn frei. Noch nie hatte er dergleichen gesehen. Armdick, schön gebogen und länger als sein ausgestreckter Arm, mit starken Querwülsten — ein prächtiges Gebilde. Jetzt faßte er es an und hob damit auch den Kopf mit dem zweiten Horn aus dem Geröll. Der schwarze Kinnbart des Tieres war viel kleiner als der eines gewöhnlichen Ziegenbocks — Peter hatte einen alten Steinbock vor sich! Was nun? Ausweiden und abhäuten! Nur blitzartig durchzuckte ihn der Gedanke, die gute Eva könnte sich um ihn bangen, wenn er so lange ausblieb. Aber das braune, dichte Fell des Tieres wollte er nicht im Stich lassen. Er dachte an den Winter. Schon kniete er und begann mit dem Steinmesser die Haut an der Brustseite aufzuschneiden. Schwer kam er durch. Auch das Auslösen ging nicht leicht. Oft mußte Peter mit einem scharfkantigen Stein nachhelfen. Das Abhäuten dauerte viel, viel länger, als Peter gedacht hatte. Und jetzt stand die Sonne schon hoch.
Um schneller fortzukommen, entschloß er sich, den Schädel einstweilen in der Haut zu lassen, den Rumpf aber herauszulösen und ihn den Raubtieren zu opfern. Das Fleisch des alten Bockes war ja zu zähe. Beim Durchtrennen der Gelenke und der Wirbelsäule erwies sich Peters Fauststein als ein sehr brauchbares Hack- und Schneidewerkzeug.
Endlich konnte er den schweren Rumpf herauswälzen.
Aber ganz sollten ihn die Geier und Füchse nicht haben! Das Herz des starken Tieres wollte Peter essen, um seine Kraft in sich aufzunehmen. Und das Gedärm wollte er auch nicht verderben lassen. Er packte es zwischen Klettenblätter, Reisig und Waldreben. Dann tat er es samt Lunge und Leber in seinen Buckelkorb unter die Honigwaben.
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