Thomas Melle - Sickster
Здесь есть возможность читать онлайн «Thomas Melle - Sickster» весь текст электронной книги совершенно бесплатно (целиком полную версию без сокращений). В некоторых случаях можно слушать аудио, скачать через торрент в формате fb2 и присутствует краткое содержание. Год выпуска: 2011, Издательство: Rowohlt, Жанр: Современная проза, на немецком языке. Описание произведения, (предисловие) а так же отзывы посетителей доступны на портале библиотеки ЛибКат.
- Название:Sickster
- Автор:
- Издательство:Rowohlt
- Жанр:
- Год:2011
- ISBN:нет данных
- Рейтинг книги:4 / 5. Голосов: 1
-
Избранное:Добавить в избранное
- Отзывы:
-
Ваша оценка:
- 80
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
Sickster: краткое содержание, описание и аннотация
Предлагаем к чтению аннотацию, описание, краткое содержание или предисловие (зависит от того, что написал сам автор книги «Sickster»). Если вы не нашли необходимую информацию о книге — напишите в комментариях, мы постараемся отыскать её.
Einfühlsam und radikal erforscht Thomas Melle ein sich immer schneller um ein leeres Zentrum drehendes Leben — bis an die Grenzen des Ichs und darüber hinaus. «Sickster» ist ein großes diagnostisches Zeitbild — und das Romandebüt eines Autors, dessen Sprache, so Iris Radisch, «bis ins letzte Komma aufgeladen» ist.
Sickster — читать онлайн бесплатно полную книгу (весь текст) целиком
Ниже представлен текст книги, разбитый по страницам. Система сохранения места последней прочитанной страницы, позволяет с удобством читать онлайн бесплатно книгу «Sickster», без необходимости каждый раз заново искать на чём Вы остановились. Поставьте закладку, и сможете в любой момент перейти на страницу, на которой закончили чтение.
Интервал:
Закладка:
Auf Lauras Gesicht und ihren ruhenden Händen lag der Widerschein des letzten Graus von draußen. Sie wünschte sich den schon seit Stunden angekündigten Schnee herbei: dass der schwere Himmel sich endlich entladen würde auf diese Stadt, sie unter sich bedeckte, poröser machte. Aber alles blieb nur grau und dräute nach unten und warf weiter seinen scheinheiligen Silberglanz auf ihre Haut. Nur die Wunde in der Innenfläche ihrer rechten Hand blieb davon unbehelligt. Auf sie wagte der dämliche Glanz sich nicht zu legen. Laura stand in der Toilette, Flakons und Cremedöschen standen vor ihr auf der Ablage unter dem Spiegel. Sie musste sich stylen und die Wunde versorgen.
Die Wunde in ihrer Hand war sehr bunt, innen gab es lila Punkte inmitten der trüben, weißorangen Eiterkuppel, die ins Rote nach außen an den Wundrand auslief, wo gelbe Kristalle sich gebildet hatten. Um die Wunde hatte sich ein bläulicher Hof unter die Haut geschoben. Sie schmerzte nicht sehr, nur in den Momenten, wo Laura sie erneut aufkratzte. Aber es war mehr ein visueller denn ein wirklich physischer Schmerz. Es schmerzte mehr in den Augen, die Kruste wirklich wieder aufzubrechen und den Eiter herauslaufen sehen zu müssen, als in der Wunde selbst.
Aber es war notwendig. Eine Narbe an dieser Stelle hieße bloß Küchenunfall oder Partyscherbe oder Sturz von der Rutsche in der Kindheit, also Lüge. Die Lüge aber war schon so übermächtig vorhanden in Laura, in ihrem Körper, dass sie diese kleine Stelle Wahrheit offenhalten wollte, so lange es ging, diese Wunde.
Sie stand im Bad und hörte Thorsten und seine Kollegen, sie redeten leichte Worte, noch immer. Je schwerer die Zunge, desto leichter die Worte, bei solchen Leuten, dachte sie und stellte den Föhn an und legte ihn auf den Waschbeckenrand. Mittwoch war das letzte Mal gewesen. Donnerstag hatte sie die Wunde sein lassen können. Heute war sie wieder fällig. Sie saß auf dem Klodeckel, das Handtuch lag auf ihrem Schoß. Draußen derselbe Himmel wie immer.
Aber wahrscheinlich war das gar nicht der Himmel, sondern nur der Smog, der über der Stadt hing. Wahrscheinlich hatte sich der Himmel selbst ganz zurückgezogen, und man konnte ihn nicht mehr sehen, was Laura nicht bedauern würde. Der Himmel musste immer schon herhalten für die grotesken Projektionen der Menschen, so Laura. Für ihre jenseitswütigen Hirngespinste, die das All einfangen und umspannen wollten und sich dabei doch nur seit je an der eigenen Schädeldecke wund gestoßen hatten. Vielleicht hatte sich der Himmel angesichts all dessen tatsächlich, total gelangweilt, aus dem Staub gemacht, wenn es ihn je gegeben hatte, und nur ein Gähnen hinterlassen, ein grundloses Gähnen. Und was die Menschen anbeteten, wäre nicht mehr der Himmel, sondern sein weltlicher Stellverteter, der Smog, die dicke, chemische Suppe über den Städten. Und im Smog, in ihren eigenen Abgasen, in ihren Fürzen, würden die Menschen die Verheißung suchen, und die Offenbarung, und das ewige Leben. Und hätten vielleicht auf eine ganz perfide Weise recht mit dieser Vermutung.
Laura öffnete die Wunde, gelbe Kristalle bröckelten ab, es sickerte heraus, es brannte hölle . Sie beeilte sich, tupfte alles ganz vorsichtig ab, Eiter und Wasser wurden vom Handtuch aufgesogen, von den noch weichen, flauschigeren Stellen. Weißgelb und feucht glänzte es, das kleine Fenster zu ihrem Fleisch. Sie verband die Hand ganz ordnungsgemäß und klammerte den Verband zu. Sie schloss die Vorhänge, damit sie der silbrige Abglanz von draußen nicht mehr belästigen konnte. Die Verkehrsgeräusche waren ganz nah. Draußen derselbe Himmel wie immer, nur dunkler.
Samstag, 11.50 UhrHast Du Angst? Deine Mail klang trotz der Liebesgeständnisse so distanziert und absichtlich entleert. Oder ist das nur die Art, wie ich sie lese? Und so kontrolliert, blosz nichts verraten, nicht verletzbar werden. Vorher warst Du mir näher. Du scheinst diesen Zustand zu mögen. Ich nicht. Du liest Schauspielerbiographien? Manche müssen ihr Glück wohl zerstören, um es zu bemerken. Und schon hat der Brief, den ich jetzt an Dich schreibe, einen vorwurfsvollen Unterton, den ich verhindern wollte. Wenn er diesen Unterton jedoch nicht bekommen hätte, würde ich das, was mir nicht gefällt, nur weiter fortführen und nähren: diese wachsende Distanz durch Trägheit bei gleichzeitigem Geständnis, man sei noch immer ach so verliebt; und dieses Geständnis allein soll für Nähe herhalten. In mir pendelt es zwischen zwei möglichen Haltungen. Einerseits, es — wie Du — einfach so weiterlaufen zu lassen, bis es sich wahrscheinlich leer- und totgelaufen hat; andererseits zu versuchen, Dir mitzuteilen, dasz ich mehr will als das, zu versuchen, trotz der Distanz, die auch Du doch spüren muszt, Dir näherzukommen. Und dieser Brief, den ich gerade schreibe, ist wohl so feige, weder das eine noch das andere entschieden genug zu machen. Ich habe die Heizung voll aufgedreht, mir ist trotzdem kalt; an meinem Körper prallt die Wärme ab. Ist Dir wirklich alles so scheiszegal, wie Du tust? Samstag, 14.45 UhrOder bin ich einfach nur überspannt und will nicht sehen, dasz die Art, wie Du mit der Sache umgehst, die klügste, beste, einzig mögliche ist, die einzige, die nichts zerstört? Ohne den Zwang, sich in etwas hineinsteigern zu müssen, von dem nicht mal mehr klar ist, ob es überhaupt noch da ist? Steigere ich mich nur in die Dinge hinein, weil ich es nötig habe, mich innerlich irgendwohin hochzuschrauben, wo ich einsam und überlegen meinen Schmerz auskosten kann, den ich einzigartig wähne? Dabei geht es bestimmt jedem und jeder Zweiten so wie mir. Vielleicht bin ich nur auf der Suche nach einer Qualität in der Liebe (und also im Leben), die es nicht gibt. Aber wieso gibt es das, diese Leerstellen, in die ich falle? Es musz einmal irre Verheiszungen gegeben haben; und jetzt sind da nur noch leere Formen und dicke Schwielen, da, wo den Menschen einst glühende Versprechen in die jungen Hirne gebrannt wurden. Wahrscheinlich sind meine Vorstellungen darüber, wie das hier laufen könnte, wir nämlich, falsch; es geht nicht unbedingt mehr um pure, reine Liebe dabei; wahrscheinlich ist so etwas von vorneherein zum Scheitern verurteilt, und obwohl ich das wuszte, war es mir nicht bewuszt; es geht vor allem darum, das wenige, was ich noch von Dir weisz, nicht zu verlieren und verdrängen zu lassen, selbst zu verdrängen, von falschen Vorstellungen überdecken zu lassen. Aber Du gibst eben auch nicht viel von Dir preis. Wahrscheinlich sind wir doch andere, als wir dachten; ich bin eine andere als die, die Du Dir vorstellst, wenn Du an mich denkst; Du bist ein anderer als der, an den ich schreibe. Diese Erklärung ist einfach und liegt auf der Hand; sie ist verbraucherfreundlich; sie stand aber, für meine Begriffe, zu schnell zwischen uns, wir haben sie uns zu schnell zunutze gemacht, haben uns darauf ausgeruht, im Glauben, wir könnten eh nichts daran ändern. Das aber ist mir zu billig. Dieser Brief, den ich schreibe, ist ein Versuch, eben doch noch etwas daran zu ändern; vielleicht ist er ein Fehler. Montag, 18.47Gerade war ich plötzlich wieder bei mir und bei Dir, in einem Raum voller Bilder. Mit dem Mund hast Du mich aufgesammelt, ohne grosze Worte, mit Küssen. Warum ist das nicht immer so? Ich konnte mich kaum regen, noch was sagen anfangs, später auch nicht, ich war nur froh, kurz bei Dir zu sein. Ich finde die Dias von Griechenland auch lustig, ja, und irgendwie bin ich gerührt davon, dasz Du sie neu rahmst. Jetzt geht’s mir gut. Ich weisz, wo Du bist, und ich weisz, was Du tust: Du flickst Lichtbilder neu zusammen. Dienstag, 10.12 UhrAch, ein Tag! Ich gehe los und suche unsre Schritte. Donnerstag, 10.16 UhrDu hast was dagelassen, unterm Kissen, in Stanniolpapier eingewickelt. Jetzt sind die Dinge unseres Zimmers mit Schokolade überzogen, eine feine Glasur glänzt noch auf dem kleinsten Staubkorn. Die Schokolade ist mir gleich in den heiszen Händen geschmolzen, vor Freude. Schnell die Treppe hoch habe ich in meinem Arbeitszimmer mir mein Gesicht braun eingeschmiert und aus dem Fenster geschaut und gedacht: So müszte alles versüszt werden. Die Schokolade ist nicht häszlich abgebröckelt, sondern leise verdunstet von mir. Jetzt riecht mein Zimmer gut, und die Glasur setzt einen guten Schimmer: Ich schiebe Meister-Proper-Sterne auf meiner Haut herum. Donnerstag, 13.48 Uhr Was soll das wieder? Mein Körper hat mir gerade einen üblen Streich gespielt, ohne irgendeinen grippalen Infekt oder so, ohne Virus, einfach so zwängt er alle Flüssigkeit, die in ihm ist, aus sich raus, durch Schwitzen, Durchfall, Erbrechen, erstaunlich viel Flüssigkeit. Meine Organe müssen aussehen wie getrocknete Datteln! Ich werde mich fürchterlich rächen, ich weisz noch nicht, wie. Ob mein Körper das hier auch lesen kann, weil ich es ja lesen kann? Mein Gehirn gehört, banaliter , schlieszlich auch zu ihm …! Ist er klüger als ich? Wer weisz mehr über den anderen, ich über ihn oder er über mich? Donnerstag, 14.00 UhrJetzt fühle ich mein Herz, da wo die Enge ist. Ich will mein Herz nicht fühlen. Herz: da wo die Enge sitzt. Ich spüre, wie sich der Herzschlag beschleunigt, Systole, Diastole, Erschlaffung, Dehnen. Herzklappen gehen auf, zu. Das Blut schiebt sich in Stöszen durch die Aorta. Das Blut rauscht durch meine klopfende Schlagader. Donnerstag, 15.01 UhrDer Brief an Dich ist fertig, und plötzlich weisz ich nicht, ob ich ihn überhaupt abschicken soll. Ja, der Brief ist ein Fehler. Vielleicht habe ich ihn gar nicht an Dich geschrieben; hoffentlich doch. P.S.: Wenn Du doch mal einen Fehler machen würdest. Donnerstag, 16.11 UhrMit Maja telefoniert. Sie kommt morgen. Mit boyfriend. Auch das noch. Mein Schwesterschmerz kommt. Mein Geschwist . Donnerstag, 18.36 UhrIch habe ein paar andere Briefe geschrieben, an Lisa in Venedig, an Marc in München, an Esther in Cleveland, Ohio. Dann habe ich versucht, Isa einen Brief zu schreiben, zum siebten Mal in diesem Monat. Liebe Isa, liebe Isa. Wie ich Dir schon am Telefon, ich hoffe, ich hoffe, alles ist so wie Du es, alles, bei mir ist alles noch immer, immer, oder es ist vielmehr noch viel, viel, viel, aber ich kann Dir das viel besser, viel viel besser, wir sehen uns ja am, am wann, am am. Herrje. Vielleicht sollte ich sie doch nur anrufen. Hoffentlich sehen wir uns wirklich bald wieder. Deine Laura. Dann blase ich einen groszen Rauchtrichter in die Luft und beobachte all die blaugrauen Kringel, Verästelungen, Wirbel am Rand und die inneren chaotischen Implosionen, ohne auch nur irgendetwas zu fühlen. Donnerstag, 18.54 Uhr Ich habe Briefe geschrieben? Nein, ich habe niemals Briefe geschrieben. Ich bin unfähig, Briefe zu schreiben. Wo andere gehaltvolle Botschaften einwandfrei und unmiszverständlich übermitteln, stehen bei mir überhitzte Selbstgespräche, zwanzig Seiten lang, und die Worte stechen sich gegenseitig aus und vernichten alles, was sie sein wollen. Perfekte und auszergewöhnliche Metaphern sind das, ja, jaja, kleine Etüden mit aufgeschnittener Hand, der Deutschlehrer war immer so was von zufrieden mit mir, Laura, ich konnte mal wieder nicht umhin, Ihnen die fünfzehn Punkte zu geben . Ich will das aber nicht. Ich will nicht die Figur sein, die den Gedanken verkrüppelt. Ich möchte einfache, klare Sätze in die Welt sprechen, scharf konturierte, die jeder vernünftige Mensch verstehen kann. Ich kann keine Briefe schreiben. Sobald ich beginne, einen Brief zu schreiben, flieszen die Buchstaben weg und in irgendeine verheimlichte Geschichte hinein, immer in Richtung Tagebuch, dort wie Quecksilber auseinander. Gerade, im Bett, stand mir klar und deutlich vor Augen, was ich Dir schreiben wollte, sagen will. Jetzt ist das geschriebene Wort, als ich es sehr gewrungen habe, um es zu erpressen, irgendwohin wegversickert. Das Papier hat meine Gedanken absorbiert , das weisze unschuldige Papier, aber ich beflecke es doch. Donnerstag, 1.45 UhrIch brauche Dich warum rufst du nicht an? ruf an ruf an du Sau geh ran los Donnerstag, 2.03 UhrIch hab mir in die Haut geschnitten aus Versehen Haha Freitag, 10.16 UhrFreitagmorgen, grau verhangen, drauszen überall ein fast unsichtbarer Nebel, der die Dinge weichzeichnet, oder eher den Blick aufweicht, den Blick auf die Dinge, als sei alles nur ein einziges, unerreichbares, nicht scharfzukriegendes Ding. Hast Du Angst? Freitag, 13.23 UhrMaja ist da. Die Härte: Dad ist auch da. Und Anton, der «die Stadt kennenlernen möchte», die Heimatstadt seiner künftigen Frau Gemahlin. Sie ziehen da irgendein Familiending durch. We, are, family. Gleich sind sie weg, «sightseeing», und Mom geht auch mit, die Arme. Maja tut total freundlich, flötet mich dauernd an, ist so was von glücklich. Gerade war so eine Art mittägliche Stehparty in der Küche, mit Sekt und Selters, alle beisammen. Anton gab mir ein Lächeln von genau derselben neutralen, klebrig freundlichen Offenheit wie das, das er immer meiner Mutter gibt. Dabei das beiläufige Angebot eines Handschlags, das ich jedoch ausschlug, auf meinen Verband deutend. Er tat erstaunt. Mein Gott! Fragte jedoch nicht einmal, wo ich mir die Wunde denn zugezogen hätte, sondern schnappte sich meine linke Hand, drückte die kurz, hauchte linksrechts einen doppelten Gesellschaftskusz auf meine Wangen und wandte sich sofort wieder Maja und den parents zu. Maja quiekte in sein Ohr und küszte immer wieder seine Wange. Ihre Nase war selten weniger als zehn Zentimeter von seiner Wange entfernt, und sie schaute sich dort in ihn hinein, als wartete sie sehnsüchtig darauf, von seinen Poren aufgesogen zu werden, oder so. Diese glänzenden, mädchenhaften Augen der älteren Schwester, des perfekten Geschwists. So von der Seite geliebkost und zugeflüstert, bekam Anton nur einen eher gelähmten small talk mit meinen parents hin. Die fanden die Szene wohl ganz bezaubernd , sie lächelten und nickten, so unverständig verständnisvoll und auf gönnerhafte Weise neidisch, wie sie nun mal sind. Dad stand an die Küchenzeile gelehnt, die Hände in den Taschen, und tat sehr amüsiert; wenn er lachte, hob er immer ein wenig das Kinn und grinste und schnaufte. Ich sah, dasz er mich auch öfters ansah, ernster. Trafen sich unsere Blicke, hielt er dem für ein, zwei Sekunden hochbedeutsam stand, dann sah er weg und hob wieder das Kinn, grinste, schnaufte. Ich soll auch mitgehen, zum «Sightseeing». Nix da. Meine Sister ist ja so verliebt. Wenn ich die beiden nur zusammen sehe, spüre ich den puren Ekel in mir anschwellen. Sie sind feuchte, wabbelige Monster, die sich zuschleimen, mehr nicht. Diesmal besonders. Sie verhalten sich so gesetzt neuerdings, oder gediegen , wie auch immer man das nennen will. Museumsbesuch, Candle-Light-Dinner, früh ins Bett, um morgens den Morgen und das Frühstück zu genieszen, wenn es noch dunkel ist drauszen. Und das meiste davon: mit den Eltern. Aber was soll ich sagen. Ja: was soll ich eigentlich sagen. Freitag, 13.55 UhrDad will mir dauernd in die Augen blicken, auch im Flur, total aufdringlich und forschend, als könnte er da etwas sehen. Freitag, 15.03 UhrAls Thorsten die Kokainsexnummer mit mir geschoben hat, rückblickend einer der finstersten Augenblicke in meinem Leben (DANKE THORSTEN!), dachte ich, ich bin meinem Körper weitaus überlegen, er hat keine Ahnung, wie ihm geschieht, nur ich. Die Drüsen schmatzten, die Vagina wurde feucht und heisz, Endorphine waren auch auf dem Weg, er reagierte auf das alles so geil und tierisch wie immer — dummes Ding. Ich konnte die Endorphine irgendwohin leiten, wo sie mich nicht störten, das mag verrückt klingen, aber so war es. Ich habe sie einfach weiterdelegiert . Meinen Körper juckte nichts, weit offen klaffte die Lust in ihm, dasz meine Hände drin Platz gehabt hätten. Ich allein wuszte, was wirklich geschieht, was da passiert, was mir und ihm zugefügt wird, auch wenn ich es hier nicht genau beschreiben könnte. Das war dann der Bruch, der Bruch zwischen mir und meinem Körper. Damals, als wir koksten und geil wurden. Thorsten hatte gerade in London irgendeinen Sonderdeal mit der Abteilung Soundso abgeschlossen und dann firmenintern eine Menge Kokain beschaffen können. Das Kokain lag in rauen Mengen auf unserem Designer-Wohnzimmertisch herum, keine Ahnung, es musz unheimlich viel wert gewesen sein, Berge und Hügel, «Ski alpin», meinte Thorsten. Wir nahmen das und haben uns dann die Hirne halb rausgepoppt; Thorsten konnte immer wieder; wir wurden übermütig und kamen uns vor wie Sexkönig und Sexkönigin. Als Thorsten sich dann das Kokain unter die Vorhaut und auf die Eichel strich, die Kippe im Mundwinkel, lächelnd, ziemlich viel, und auch mir das Zeug hinschmierte, in die Schamlippen und um die Klitoris, wie selbstverständlich, wuszte ich, was abging, auch wenn ich ihn gewähren liesz, oder wie soll man das nennen. Ich lächelte und faszte ihn an und wir schliefen wieder miteinander, eine Ewigkeit lang, das Kokain weichte die Haut auf und ätzte so geil, fand mein Körper. Plötzlich musz mein ganzes Blut geronnen sein, für ein paar Sekunden, so fühlte es sich an. Ich hatte den gröszten und letzten Orgasmus meines Lebens. Seitdem weisz ich, woran ich bin. Ich habe den Spalt willentlich vergröszert, jetzt klafft da ein Abgrund, erhaben und unüberbrückbar, in Fleischfarbe. Ich habe versucht, meinen Körper zu bekämpfen, um ihn loszuwerden, aber er hat sich als eigenwilliger und zäher erwiesen, als ich dachte. Jetzt wissen wir beide nicht recht weiter und wiederholen alte Attacken, die weder auf der einen noch auf der anderen Seite ziehen wollen. Uns ist langweilig. Die Simpsons kommen. Schade, die Folge habe ich schon gesehen. Freitag, 16.16 UhrNatürlich bin ich nicht verrückt. Natürlich sind das alles nur Bilder . Oder? Freitag, 17.34 UhrHerz: da wo die Enge sitzt. Schlaff, gedehnt, schlaff, Blutschub, Blutstau, Klappe auf, zu. Still my beating heart. Freitag, 17.36 UhrIch komme nicht klar. Und: Ich weisz nicht Bescheid. Alles das hier, meine «Aufzeichnungen», alle Sätze in diesem Tage- (oder Nacht-?) buch lassen sich auf diese zwei kümmerlichen Aussagen reduzieren: «Ich komme nicht klar», erstens, und zweitens: «Ich weisz nicht Bescheid.» Alles, was ich sage und tue, was ich denke, nicht denke, wieder denke, bleibt genau an diesem leeren Ort ohne Widerstand, ohne Sichtweite, ohne Sinn hängen, nur diese letzte Einsicht in dieser banalsten aller möglichen Welten, der meinen: Ich komme nicht klar, mit mir nicht, ich mit Dir nicht, ich nicht, mit mir nicht. Etwas liegt grundsätzlich quer in mir, etwas, das geht tief hinunter in die Chemie, ganz grundsätzliche Sachen stimmen einfach nicht, auf mikrobiologischer, unabänderlicher Ebene, passen nicht zueinander, irgendwie. Das kann doch nicht sein, dasz ich mit dreiundzwanzig das Leben immer noch so scheisze finde wie mit sechzehn. Noch beschissener! Das kann doch nicht sein! Freitag/Samstag, 6.17 UhrDu suchst die Sünde und findest nur Sünder. Ich bin total zu, aber gar nicht müde. Fühle meinen Körper nicht mehr. Gut so. Mit wem habe ich da getanzt? Tzzzz …! So ein Schwachmat. Blondie im rosa Oberhemd. Letztendlich will ich nur, dasz alles entweder endlich wahr wird oder sich wenigstens zu seiner Künstlichkeit bekennt. Wenn jemand künstlich ist und sich dazu bekennt, wird er vielleicht auch wieder wahr. Ich weisz, dasz ich wahr werden kann. Ich musz nur genügend wollen. Klingt das wieder bepiszt. Es ist noch dunkel. Thorsten ist noch nicht wach, hat eine Fahne, die mir buchstäblich den Atem raubt. Ich werde jetzt frühstücken, Fruit Loops und Melatonin, schäumende Milch. Ich will schlafen. Guten Morgen, gute Nacht. P.S.: FAQ U. Fick Dich! Du. Ja, Du.
Читать дальшеИнтервал:
Закладка:
Похожие книги на «Sickster»
Представляем Вашему вниманию похожие книги на «Sickster» списком для выбора. Мы отобрали схожую по названию и смыслу литературу в надежде предоставить читателям больше вариантов отыскать новые, интересные, ещё непрочитанные произведения.
Обсуждение, отзывы о книге «Sickster» и просто собственные мнения читателей. Оставьте ваши комментарии, напишите, что Вы думаете о произведении, его смысле или главных героях. Укажите что конкретно понравилось, а что нет, и почему Вы так считаете.